Digitales | The Evil Within
Blut. Blut. Blut. Leichenteile. Oh, ein Zombie! Bethesdas ›The Evil Within‹ ist nichts für Spieler mit schwachen Nerven. Flackernde Lampen, ein verlassenes Irrenhaus, eine Horde Zombies – ja, das Leben ist kein Ponyhof. Furchtlos stellte sich PHILIPP LINKE dem Horror-Abenteuer und schlüpfte in die Rolle von Polizeidetektiv Sebastian Castellanos. Ein schrecklicher Test!
Im Grunde gibt es drei verschiedene Arten von Angst: Das Erschrecken bei einem überraschenden Ereignis, die Angst vor dem Ungewissen und der pure Graus vor etwas ekligem. ›The Evil Within‹ bedient vor allem den letzten Punkt. Die äußere Erscheinung eurer Gegner wirkt als wären sie direkt der Hölle entsprungen, nahezu jede Wand ist blutverschmiert und überall liegen Leichen und Körperteile, gelegentlich aufgehäuft zu einem Wall, der euch zu sagen scheint: Kehr‘ um! Das ist eine Sackgasse, ein ›dead end‹ im wahrsten Sinne des Wortes. Und damit wären wir auch schon beim zweiten Punkt: dem Ungewissen. Denn das Spiel zwingt euch immer wieder Orte zu betreten, von denen man normalerweise lieber Abstand hält. Sei das eine dunkle Kanalisation unter flackerndem Licht, eine Leiter, die in ein scheinbar bodenloses Loch führt oder ein mit Stacheln und Foltermaschinen gespickter Raum, der vor kurzem noch verwendet wurde… Warum tun wir uns das an? Sei es im Spiel oder in einem Horrorfilm, der Zweck des Grusels ist es, den Adrenalinspiegel in die Höhe zu treiben und das Herz zum Rasen zu bringen. Die Aufregung und daraus folgende Lebendigkeit, die wir in unserem alltäglichen Leben vermissen, können wir damit simuliert hervorrufen ohne uns selbst in echte Gefahr zu begeben.
Keine Gute-Nacht-Geschichte
Nach zahlreichen Werbekampagnen, die ›The Evil Within‹ als Nervenaufreibenden Horror-Survival bewerben, der euch an eure Grenzen bringt, stellt sich für viele Spieler die Frage: Ist ›The Evil Within‹ wirklich gruselig?
Lasst mich dazu eine Szene beschreiben, an die ich mich besonders gut erinnere (Achtung Spoiler!): Ich wandere nichts Böses ahnend (naja, schon ein bisschen) einen unterirdischen Gang entlang. Der Rückweg ist nicht möglich, es gibt nur noch einen Weg. Die Wände sind mit tropfenden Blutspritzern dekoriert (wie hübsch!), die Hintergrundgeräusche klingen nach Lüftungsanlage. Schließlich gelange ich in einen Raum, der besonders große Brocken undefinierbaren blutigen Schleims aufweist. Eine einzelne Leiche liegt in der Mitte, im Spotlicht einer flackernden OP-Lampe. Im Raum sind OP-Tische und Schränke chaotisch angeordnet und ebenfalls voller Blut. Ein Schritt in Richtung Leiche und ein gedehnter, schmerzerfüllter Schrei erfüllt den Raum. Aus der Leiche steigt mit langsamen Bewegungen eine Kreatur heraus. Sie besitzt vier Arme mit langen Klauen statt Fingern und langen schwarzen Haaren, die das Gesicht verdecken. Holy Moly! Nach dem ersten Schock wird mir bewusst, dass ich nicht einfach wie angewurzelt stehen bleiben sollte; hysterisches Weglaufen wäre angebracht. Der ursprüngliche Weg ist versperrt, dafür tut sich eine neue Tür auf, aus der ein Zombie stolpert. Lange bleibt der nicht untot, direkt krallt sich unser vielbeiniger Freund den Gesellen. Der neue Weg ist gespickt mit Fallen. Beim Entschärfen wage ich einen kurzen Blick über die Schulter: Die Kreatur ist nicht weit entfernt. Mit langsamen Schritten schleicht sie den Gang entlang und klingt dabei als würde sie mir direkt ins Ohr hauchen. Plötzlich verpufft die Gestalt in einer Wolke aus rotem Staub und taucht direkt hinter mir wieder auf. Vor Schreck reiße ich die Kamera rum und hetze den Gang weiter auf einen Fahrstuhl zu. Nach einer weiteren Stolperfalle erreiche ich den Fahrstuhl ohne mich erneut umzudrehen, begleitet von dem Atemgeräusch des Monsters. Beim Schließen der Tür schwenkt die Kamera in den Gang zurück. Es kümmert das Wesen reichlich wenig, dass ich entkomme. Ist es das schon gewesen? Da bemerke ich neben mir im Fahrstuhl eine weitere Leiche…
Verfolgungsjagden wie diese werdet ihr in ›The Evil Within‹ häufiger erleben. Nicht alle Level sind angsteinflößend, einige strotzen stattdessen vor Action. So kämpft ihr beispielsweise auf einer Brücke bei Tageslicht gegen eine Horde Zombies, die euch am Weiterkommen hindert. Gruselig ist das nicht, sorgt jedoch für Abwechslung. Tatsächlich gefällt mir die Balance zwischen Horror- und Actionpassagen sehr gut – wer jedoch einen reinen Gänsehauttrip erwartet, der wird bei ›The Evil Within‹ nicht ganz bedient.
1, 2, 3..-ich komme!
Die größte Stärke von ›The Evil Within‹ sind die Bosskämpfe. Jeder Endgegner besitzt eine einzigartige Erscheinung, manche sehr Klischee behaftet, andere abstrakt und einzigartig. Eins haben aber alle gemein: Jeder Bossgegner erfordert eine andere Strategie, die ihr vermutlich erst nach dem ersten Ableben herausfindet. Häufig ist es notwendig mit eurer Umgebung zu interagieren, um euren Gegner zu schwächen oder überhaupt erst verwundbar zu machen. Andere Gegner zwingen euch zum Versteckspiel im Schrank oder unter’m Bett, um schließlich aus dem Hinterhalt anzugreifen. Weiterhin gilt es euer Waffenarsenal clever einzusetzen, unter anderem stehen euch Armbrustbolzen mit Explosions-, Einfrier- oder Elektroschockeffekt zur Verfügung. Mit Streichhölzern könnt ihr Gegner verbrennen und somit daran hindern, wieder aufzuerstehen. Glücklicherweise kein Phönix aus der Asche. Ähnlich wie in ›The Last Of Us‹ könnt ihr eure Widersacher auch durch Geräusche ablenken, beispielsweise durch den gezielten Wurf einer Flasche.
Ein weiterer Pluspunkt sind die Schauplätze; auch hier meldet sich das ein oder andere Klischee, nichtsdestotrotz überzeugen die Szenerien aber von Kapitel zu Kapitel durch starke Variationen. Mal schleichen wir durch enge Krankenhausflure und schmutzige Kanalisationen, mal verirren wir uns im finsteren Wald, finden eine Kirchenruine oder ein vom Erdbeben zerstörtes Dorf. Passend zum Ambiente sind auch unsere Zombiefreunde angezogen: manche tragen Helme oder Masken, andere schleppen Schaufeln, Vorschlaghammer, Dynamit oder sogar Schusswaffen mit sich herum, um den Lebenden den Gar aus zu machen. Neben Ausrüstung und schicker Klamotten unterscheiden sich die Untoten zudem am Stadium ihrer Verwesung, sodass wir fast nie auf identische Zombies treffen.
Für Abwechslung sorgen außerdem kleinere Rätsel, wie beispielsweise das korrekte Ablesen von Schalterkombinationen aus Wandgemälden. Eine falsche Kombination führt unvermeidlich zu einem grausamen Tod. Die richtige Lösung will gut überlegt sein.
Home is where your Nervenheilanstalt is
Um euren Spielstand zu speichern, müsst ihr einen Raum mit einem Spiegel aufsuchen. Den Richtigen erkennt ihr an der immer gleichen Melodie, die ihr bereits bei Annäherung hört. Durch Betrachten des Spiegels werdet ihr in eine Nervenklinik teleportiert, in der eine mürrische Krankenschwester arbeitet. Hier könnt ihr eure Sammelgegenstände ansehen und gefundene Schlüssel gegen Belohnungen eintauschen. Eure Fähigkeiten verbessert ihr mit Hilfe von gesammeltem grünem Schleim an einer Maschine, die nicht nur aussieht wie ein elektrischer Stuhl. Zu Anfang könnt ihr lediglich eine lächerlich kleine Menge an Munition und anderen Gegenständen tragen (ganze fünf Streichhölzer, wow!). Ihr müsst euch also gut überlegen, worin ihr eure Punkte investiert. Neben eurer Fähigkeit, Dinge zu tragen, könnt ihr auch eure Kondition und Lebensenergie, sowie die Eigenschaften eurer Waffen verbessern. Die Verbesserungen machen sich relativ schnell bemerkbar, sodass jeder Besuch dieser fragwürdigen Maschine wertvoll erscheint. Die Besonderheit an der Welt hinter dem Spiegel ist, dass sie sich nach jedem Kapitel verändert, je nachdem, was ihr in dem Kapitel erlebt. Manchmal müsst ihr auch erst einen Hinweis finden, bevor das eigentliche Kapitel beginnt. Die Krankenschwester selbst ist ein freundlicher, aber dennoch unheimlicher Charakter. Sie steht bei eurer Ankunft stets an einem anderen Ort und macht mit desinteressierter Stimme inhaltslose Bemerkungen. Eure Fragen zu diesem Ort oder anderen Patienten weist sie gelassen ab und schafft dadurch ein Unbehagen, das selbst euren Zufluchtsort zwielichtig und unsicher erscheinen lässt.
More Drama, Baby!
Zu Beginn des Spiels bekommt ihr als Polizeidetektiv Sebastian Castellanos den Auftrag ein Krankenhaus zu besuchen, in dem mehrere Patienten verschwunden sind. Zusammen mit eurem Partner Joseph Oda und der Junior-Polizistin Julie Kidman begebt ihr euch zum Schauplatz, an dem ihr zunächst nur eine Menge Leichen in der Eingangshalle vorfindet. Sehr bald trefft ihr auf Ruvik, euren Erzfeind. Er trägt einen weißen Kapuzenmantel und besitzt die Fähigkeit sich zu teleportieren und scheinbar die Realität nach seinem Willen zu formen. Gerne lässt er euch aus Jux ein Loch ohne Boden herabfallen, das plötzlich – um 90 Grad gedreht – im Flur des Krankenhauses mündet. Während eures Abenteuers werdet ihr nach und nach Ruviks und Sebastians Geschichte aufdecken. Einige Fragen bleiben aber offen oder werden nur angedeutet, was uns ins Grübeln bringt und die Story deutlich mysteriöser macht. Schade ist dabei allerdings, dass die Charaktere im Spiel kaum Emotionen zeigen. Insbesondere Sebastians Reaktionen wirken in außerordentlich gruseligen oder ekligen Situationen nicht nur aufgesetzt, sondern schlichtweg unpassend. Ein Beispiel: Dank Ruviks Zutun stürzt Sebastian in einen unterirdischen See aus Blut, Leichenteile schwimmen überall herum, der Geruch dürfte kaum auszuhalten sein. Völlig gelassen zuckt Sebastian mit den Schultern: »Was geht hier vor?« – ach, nichts, die paar EKELHAFTEN LEICHENTEILE!
Auferstehen leicht gemacht
Der Schwierigkeitsgrad von ›The Evil Within‹ ist hoch. Oh ja. Ihr habt bei eurem ersten Spiel ›Einsteiger‹ und ›Überleben‹ zur Auswahl (ungünstig übersetzt aus dem Englischen ›survival‹). Zwischen den Kapiteln, die jeweils etwa eine bis zwei Stunden dauern, könnt ihr die Schwierigkeit ändern. Zwischendurch stand ich tatsächlich kurz davor auf ›Einsteiger‹ umzustellen, denn das Spiel birgt einige frustrierende Momente. Zum Beispiel existiert ein Bossgegner, in dessen Arena ihr keinerlei Munition findet. Zwar gibt es vor der Arena einen Checkpoint, habt ihr jedoch auch in der restlichen Umgebung alle Munition aufgesammelt und in Zombies verpulvert bevor ihr den Checkpunkt erreicht, gibt es für euch praktisch keine Möglichkeit mehr, den Kampf zu gewinnen. Nicht cool. Schwächliche Faustschläge kratzen den Bossgegner nämlich kaum und führen zu einem frühzeitigen Tod. Für weitere Frustmomente sorgen stellenweise fehlende Speicherpunkte vor bestimmten Gegnern oder Fallen, die euch mit einem Treffer ins Jenseits befördern können. Die relativ schwammige Steuerung trägt dazu bei, dass ihr noch häufiger in genannte Fallen tretet und es nicht schafft, Gegnern schnell genug auszuweichen. Für ein komplettes Spiel auf normaler Schwierigkeitsstufe habe ich schließlich 21 Stunden gebraucht und bin 94-mal gestorben. Nach dem ersten Durchgang erwarten euch Bonuswaffen, höhere Schwierigkeitsgrade und der Modus ›Neues Spiel Plus‹, der euch mit der gleichen Ausrüstung ab einem beliebigen Kapitel beginnen lässt. Für einen höheren Schwierigkeitsgrad müsst ihr das Spiel aber von ganz vorne und wieder ohne Ausrüstung beginnen. Immerhin haben wir fünf Streichhölzer.
Grafik top, Technik Fl…verbessert durch Update!
Grafisch ist ›The Evil Within‹ eine Augenweide. Auch wenn die Texturen nicht gerade hochauflösend sind, sorgen doch insbesondere die Lichteffekte für die nötige Stimmung. Auch Explosionen und Rauch wirken detailreich und sind schön anzusehen. Stark zu kritisieren ist die Designentscheidung, das Bild durchgehend im Kinoformat mit schwarzen Balken zu versehen. Dadurch wird eure Sicht nach oben und unten stark eingeschränkt, was sich zu Beginn ungewohnt anfühlt. Neuerdings könnt ihr zumindest auf dem PC nach einem 1,5 GB großen Update das Bildformat anpassen. Der Patch erlaubt es zusätzlich, das Spiel mit 60 Bildern pro Sekunde zu spielen; zuvor konntet ihr das 30 FPS-Limit nur per Konsolenbefehl aufheben. Weiterhin sollen Probleme, die beim Spielen mit hohen Bildraten entstehen, behoben sein. Falls ihr von den Systemanforderungen abgeschreckt worden seid, kann ich euch beruhigen: Für maximale Details bei einer Auflösung von 1080p genügt eine Grafikkarte mit 2 GB Grafikspeicher, statt der offiziell geforderten 4 GB. Auf meinem System konnte ich ein flüssiges Spielerlebnis mit 30 Bildern pro Sekunde erreichen. Einschalten der Kino-Balken verbessert die Bildrate um 8 bis 9 FPS.
Das Ende
Insgesamt weist ›The Evil Within‹ viele Gemeinsamkeiten mit ›Resident Evil 4‹ auf. Das ist nicht verwunderlich, wurden doch beide Spiele vom gleichen Mann, Shinji Mikami, produziert. Auffällig sind die Ähnlichkeiten im Gegner- und Leveldesign, sowie anhand der permanent düsteren Atmosphäre. Auch Sebastian ähnelt in seiner Art stark dem Helden Leon aus dem 2005 erschienenen Spielehit. Das Spielprinzip wurde kaum erweitert, die Story überzeugt nicht gerade durch Tiefgang und die teilweise frustrierenden Momente schmälern das Gesamterlebnis. Hervorragend gelungen sind die Szenerien, die durch ein Zusammenspiel aus realistischer Grafik und passender klanglicher Untermalung zu überzeugen weiß. Die einzelnen Kapitel gestalten sich spannend durch abwechslungsreiche Orte und Gegner sowie fiese Bosse, denen taktisch das Handwerk gelegt werden muss. ›The Evil Within‹ bietet Grusel auf einem Level, das dicht an ›Deadspace‹ heranreicht und Actionscenen, die ›The Last of Us‹ in nichts nachstehen. Mit einer ausgefeilteren Story und lebendigeren Charakteren hätte das Spiel deutlicher überzeugt. Fans von Horror-Action-Spielen, die über oberflächliche Charaktere hinweg sehen und Frust wegstecken können, sei ›The Evil Within‹ dennoch wärmstens empfohlen.
Getestet auf folgendem PC-System:
Intel Core 2 Quad Q9550 @3,4 GHz
4 GB RAM
Nvidia GeForce GTX 670 (2 GB Grafikspeicher)
Titelangaben
The Evil Within
Bethesda Softworks
seit dem 17.10.2014 für PC, Xbox 360, PlayStation®3, PlayStation®4 und Xbox One erhätlich
ab 50€