Digitales | Games: Fable 3
Fable 3 ist seit genau einem Monat nun auch für den PC erhältlich und gibt damit Gelegenheit, sich nochmal ein Spiel anzuschauen, das seit dem »Arabischen Frühling« kaum aktueller sein könnte. DENNIS KOGEL über Staatsgewalt, Tyrannei und Revolution.
Wie so viele Spiele zurzeit stellt ›Fable 3‹ mit einer Art gewichtetem Experiment die Frage: was passiert, wenn eine funktionierende Welt einer Krise begegnet? Die Krise funktioniert als Katalysator, der schwelende Probleme scharf in den Fokus rückt. In ›Dragon Age: Origins‹ etwa bringt die kompromisslose Invasion der monströsen Darkspawn Rassismus und Xenophobie im Angesicht des drohenden Untergangs zum Vorschein. Fable 3 bietet gleich zwei Krisen: im industrialisierten Albion muss gegen einen Tyrannen revoltiert und entschieden werden, ob für die Verteidigung gegen die kommende Invasion der »Dunkelheit« Bürgerrechte zugunsten der Staatskasse aufgegeben werden.
Die Revolution in ›Fable 3‹ bedient sich bekannter Muster: Als Bruder des Königs müssen Spieler eine Schar Verbündeter sammeln, um eine Armee aufzubauen, die die Festung des Tyrannen stürmen kann. ›Fable 3‹ zeigt, wie Videospiele Revolutionen darstellen: Als heldenhafter Umsturz eines durch Geburtsrecht (›Fable 3‹) oder höhere Macht (›Dragon Age: Origins‹) legitimierten Helden. Die Bevölkerung Albions ist dabei verängstigt, verarmt und machtlos. Kurz: Es braucht den Input »des Helden« um die Lage zu verändern. Ähnlich wie auch ›L.A. Noire‹ präsentiert ›Fable 3‹ eine Welt, die sich um den Spieler dreht und die NPC-Bevölkerung als passiven Mob darstellt.
Versprochen!
Es ist aber das post-revolutionäre Albion, das vielleicht das Interessanteste an ›Fable 3‹ ist. Als neuer Herrscher muss innerhalb kurzer In-Game Zeit genug Geld gesammelt werden, um das Reich vor der »Dunkelheit« zu beschützen. Dabei bietet ›Fable 3‹ zwei grundlegende Möglichkeiten: Spieler können die internen Gesetze von Raum, Zeit und Wirtschaft zugunsten von Spiellogik über Bord werfen, um als Rockstar, Meisterbäcker und, am wichtigsten, ausbeuterischer Immobilienmogul die Bürger Albions um ihr Geld bringen. Konsistenter mit der Geschichte, die ›Fable 3‹ präsentiert ist aber der Bruch der Versprechen, die der Held den Revolutionsgenossen über die Verbesserung des Reiches gibt, zugunsten profitabler Gräueltaten gegen die Menschlichkeit.
In diesem Sinne bietet ›Fable 3‹ keine wirkliche Wahl: Entweder kapitulieren Spieler vor den unlösbaren Problemen der Realpolitik und flüchten als gottgleiche, Laute-spielende Immobilienmogule in Videospiellogik, oder sie dekonstruieren den Helden, der in der ersten Spielhälfte erschaffen wurde, als den Kopf einer unzulänglichen Regierung, die in der Krise das Wohl der Bürger für das »höhere Wohl« opfert.
Nach der Wende
Als neuer Herrscher Albions habe ich die Kinderarbeit wieder eingeführt, Schulen abgeschafft, Naturressorts ausgebeutet und Kolonien in die Sklaverei verkauft, um die »Dunkelheit« aufzuhalten. Das Spiel sagte mir, dass ich ein wohlwollender, ein heldenhafter Herrscher war, weil ich den Armen ein paar Knochen hingeworfen habe, indem ich Alkoholgesetze gelockert habe und ein paar Monster aufgehalten habe. Aber ich fühlte mich nicht als Held.
Es geht in ›Fable 3‹ im Vergleich zu etwa ›Mass Effect‹ nicht so sehr um den Spieler als Held, sondern um ein Statement über die Fehlbarkeit von Institutionen und Machthabern, um einen ständigen Zyklus aus Machtmissbrauch und Revolution. ›Fable 3‹ zeigt den letzten Moment, in dem die Bevölkerung Albions das Vertrauen in die Macht Einzelner hatte. Der »Frühling« nach der »Dunkelheit« ist in Albion kaum abzuwenden.
Nachtrag
Ein Wort der Warnung noch: Zu ›Fable 3‹ als Spiel ist vielleicht schon genug gesagt worden. Auch hier gab es schon eine Kritik. Die Portierung für den PC ändert nicht viel an ›Fable 3‹: Noch immer ist Peter Molyneux‘ dritter Versuch am Rollenspiel im Grunde genommen eine Ansammlung von Mini-Spielen, das sich durch Steuerung mit Tastatur und Maus auch nicht stark verändert (auch wenn ich eher die Benutzung eines Controllers empfehlen würde).
Was aber ins Gewicht fällt: wer ›Fable 3‹ für den PC in Deutschland erwirbt, muss sich nicht nur mit dem furchtbaren Games For Windows Live herumschlagen, sondern wird auch die englische Sprachausgabe mit Sprechern wie John Cleese vermissen, die für Markus Haberl in der von ihm besprochenen Xbox-Version so viel vom Reiz des Spiels ausgemacht haben. Zum nachträglichen Erscheinen eines englischen Sprachpakets für PC-Versionen hat sich Entwickler Lionhead bisher nicht geäußert.