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Mehr als nur ein Mythos

Menschen | Matabane / Abramsky / Beetz: Madiba. Das Vermächtnis des Nelson Mandela

Auch nach seinem Tod im Dezember 2013 gilt Nelson Mandela als Symbol für das gewaltfreie Ende des Apartheidsregimes und die demokratische Befreiung Südafrikas. Nicht der Mythos, der sich um seine Person rankt, sondern der Mensch Mandela steht im Mittelpunkt des Buchs von Khalo Matabane, Sasha Abramsky und Christian Beetz. 29 Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft kommen darin zu Wort und schaffen ein facettenreiches Porträt des charismatischen Friedensstifters. Von STEFFEN FRIESE

MandelaEines ist ihnen allen gemein: Respekt für den Mann, der nach 27 Jahre in Gefangenschaft nicht auf Rache sann, sondern um Versöhnung bemüht war. Jeder der rund 30 Interviewten, darunter Weggefährten, Journalisten, Politiker, Künstler und Wissenschaftler schildert zwar seine ganz persönlichen Erinnerungen an Nelson Mandela, doch der Respekt, teilweise auch die Bewunderung spielt bei allen eine wichtige Rolle. Zu denen, die sich zur Lebensgeschichte des ANC-Führers befragen ließen, gehören u.a. Joachim Gauck, der Dalai Lama und Nadine Gordimer.

Keineswegs nur Lob

Aus den Eindrücken und Meinungen, die die internationalen Persönlichkeiten in ihren Interviews äußerten, ergibt sich ein durchaus differenzierteres Bild Mandelas als das, was in der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Dabei kommen mitunter auch kritische Stimmen auf, die u.a. die unvollständige Transformation der Wirtschaft und die Praxis der von Mandela eingesetzten Wahrheits- und Versöhnungskommission anmahnen.

Charity Kondile kann die Amnestie, die vielen Tätern gewährt wurde nicht nachvollziehen. Ihr Sohn Sizwe, der sich im ANC gegen die Apartheid engagierte, wurde 1984 erst gefoltert und dann ermordet: »Jeder, der mordet, muss ins Gefängnis. (…) Denn wenn wir uns anschauen, wie es jetzt ist, dann haben wir das Gefühl, als würde der Staat in gewisser Weise hinter den Mördern, hinter den Tätern stehen.«

Viele neue Blickwinkel

Wenn kurz nach dessen Tod ein Buch über Nelson Mandela, der ohne Zweifel zu den angesehensten Staatsmännern des 20. und frühen 21. Jahrhunderts gehört, erscheint, könnte man einen wohlwollenden Nachruf erwarten. Doch das ist nicht der Fall. Entstanden ist vielmehr eine Charakterisierung, die nicht nur hervorhebt, was Mandela Gutes geleistet hat, sondern auch das aufgreift, was Kritik an seinen Entscheidungen rechtfertigt.

Wer einen Einblick in den Menschen hinter dem Mythos erhalten möchte, dem sei die Gesprächssammlung von Matabame, Abramsky und Beetz empfohlen. Die Idee zu dem Buch entstand übrigens im Zuge der Arbeiten an dem gleichnamigen Filmprojekt, das mehrfach ausgezeichnet wurde.

| STEFFEN FRIESE

Titelangaben
Khalo Matabane, Sasha Abramsky, Christian Beetz: Madiba. Das Vermächtnis des Nelson Mandela
Aus dem Englischen von Andreas Simon dos Santos, Niclolai von Schweder-Schreiner
Berlin: Haffmans & Tolkemitt 2014
288 Seiten, 22,95 Euro

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