Gesellschaft | Front Deutscher Äpfel: Das Buch zur Bewegung
Ein neues Buch rekapituliert die Geschichte der »Front deutscher Äpfel«, einer satirischen Organisation gegen Rechts. Gerade im momentanen Klima lohnt sich ein näherer Blick, findet JAN FISCHER.
Vielleicht muss man mal durchatmen. Abstand nehmen. Sich losmachen von alarmistischen Facebook-Postings zu Pegida, Hooligan-Demonstrationen, Montagsmahnwachen, dem Aufkeimen eines neuen Geschmacks von Rechtsextremismus. Einen Schritt zurück machen und sich fragen: Was kann man wirklich dagegen tun?
Was ich nicht sehe, gibt es nicht
Klar, verhärtete Fronten sind eine Lösung: Die da drüben auf der falschen Seite, wir hier auf der richtigen, mal zu irgendeiner (Gegen)demo, ein paar Meter laufen, und dann gibt es ja noch dieses praktische Tool, das mir hilft, mich mit allen Leuten zu entfreunden, deren Ansichten mir nicht passen. Weil ich ein guter Mensch bin. Ein guter Mensch befasst sich nicht mit bösen Dingen, wenn ich sie nicht sehe, dann gehen sie auch weg.
Aneignung von Zeichen
Oder man kann sich mit dem Gegner beschäftigen. Seine Zeichen lernen, eine Worte, seine Ideen. Und dann? Einen Witz machen, der gleichzeitig ein Spiegel ist. Und noch einen. Positionen ins Absurde verkehren. Sich aneignen, wovon der Gegner glaubte, es gehöre ihm. Und es gegen ihn verwenden.
Dada gegen Rechts
Seit 10 Jahren geht die Front Deutscher Äpfel so gegen Rechte vor. Mit absurd-dadaistischen Slogans wie »Heil Boskop!«, »Was gibt der deutschen Jugend Kraft? Apfelsaft! Apfelsaft!« demonstriert die FDÄ mit Frakturschrift, rechts-ähnlicher Rhetorik, original »Führer«, Apfel-Armbinden und in schwarzen Anzügen gegen die »Überfremdung deutscher Streuobstwiesen« und eignet sich so satirisch an, was dem Gegner gehört. Und überführt es in bekloppte Formen, irgendwo zwischen Satire und Dadaismus.
Wichtiges Buch
Der Geschmack des Rechtsextremismus, gegen den die FDÄ immer angegangen ist, hat sich geändert. Die guten, alten, leicht erkennbaren Nazis mit den Glatzen und den Springer-Stiefeln sind mittlerweile in eigenartigsten Gruppierungen aufgegangen, die gegen die – nicht existierende – Islamisierung Europas vorgehen oder sich in kruden Verschwörungstheorien zur Gleichschaltung und/oder Zensur sämtlicher Medien verlaufen.
Trotzdem ist die Geschichte der Front Deutscher Äpfel gerade in Zeiten von AfD und Pegida ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Buch – neue Gegner verlangen auch neue, bessere Witze.
In dem – auf startnext finanzierten – Buch kommen die Gründer der Bewegung zu Wort, wichtige Akteure aus den letzten zehn Jahren, Figuren wie Alain Bieber dekonstruieren die künstlerische Seite der FDÄ, die im Kern auf klassischen Techniken der Kommunikationsguerilla zur Aneignung von Zeichen basiert. Angereichert wird das Buch durch eine Chronologie der Bewegung und Materialien wie Flyer und diversen (absurden) Manifesten.
Blaupause zum Protest
Wichtig ist das Buch vor allem, weil es die Techniken der Bewegung skizziert und aufschlüsselt, und damit eine Blaupause zu einer Protestform gegen Rechts liefert, die nicht nur erprobt ist – sondern die auch lustig ist, Spaß macht, nichts vom Muff irgendwelcher linker Splittergruppen hat und die dazu zwingt, sich mit dem Gegner zu beschäftigen statt ihn einfach nur zu entfrienden. ›Front Deutscher Äpfel. Das Buch zur Bewegung‹ ist damit weniger die Geschichte der Bewegung als vielmehr ein Buch, das helfen kann, weiter zu denken und einlädt, den Reflex der verhärteten Fronten zugunsten von Satire und klugem Protest aufzuweichen.
Titelangaben
Front Deutscher Äpfel: Das Buch zur Bewegung
Hildesheim: Fruehwerk 2014
220 Seiten, 19,90 Euro