Film | Im TV: Tatort – Wiederkehr (RB), 15. März
Rückblick, Aufklärung von längst vergangenem Geschehen, das kommt neuerdings häufiger, und schon sind wir beim ›TATORT‹ aus Bremen. Nein, »schön« wird man die Eingangsszene nicht nennen, aber sie ist ergreifend, weil sie realistisch und glaubhaft Gefühle von Verzweiflung zeigt, und sie erinnert daran, was Krimi leisten kann außer Verbrecher jagen, Tote zählen und mit Wumme ballern. Von WOLF SENFF
»Meine ganze Schulzeit lang war ich die Tochter des Kindsmörders«, sagt die ältere Schwester der zu Tode gekommenen Fiona; doch das stellt sich als völlig falsch heraus, Inga Lürsen irrte damals, denn nach zehn Jahren taucht das vermeintlich ermordete Schwesterlein plötzlich auf, sie fand ihre eigene Vermisstenanzeige in einer Tanke und ist dann wieder da.
Das Fundament wird hin- und hergeschoben
Das scheint als Fundament tragfähig und wird auch ausgefüllt, die Datenbankrecherche von Europol wird verständigt, es geht um organisierten Kindesmissbrauch in der Camper-Szene, wir begleiten Stedefreund auf seinen ersten Ermittlungen, aber es wird verwickelt, wird hochkomplex, ein Unbekannter taucht auf und dann wird Camper-Szene fallen gelassen.
Camper-Szene wäre zwar ein ergiebiges Thema, doch ›Wiederkehr‹ will mehr. DNA-Proben spielen nun eine wichtige Rolle. Und die Frage, ob sie verwechselt wurden. Vielleicht war alles doch ganz anders, die Sachlage verändert sich dramatisch, man nimmt das verblüfft zur Kenntnis, doch es entsteht keine Spannung. Das Fundament wird neu justiert, aber es wird nicht draufgesattelt, trotz punktuell berührender Szenen plätschert das Geschehen dahin.
Man ›nimmt‹ ein Trauma?
»Ich vermute mal«, so erklärt die Psychologin das Spiel der Tochter, »man sieht hier, wie sie den Bruder vor dem Suizidversuch der Mutter rettet. Sie nimmt ihr Trauma, gibt ihm aber eine positive Wertung; der Bruder überlebt.«
Ich hab‘ mir die Szene dreimal angeschaut, ich hab‘ den Dialog für Sie aufgeschrieben. Verstehen Sie’s? Ich versteh’s nicht. Sie »rettet« den Bruder vor dem »Suizidversuch der Mutter«? Auch dass die Sprachkenntnisse der Drehbuchautoren offenbar begrenzt sind, verwehrt den Zugang: Von wessen »Trauma« ist in diesem kurzen Dialog die Rede? Von ihrem eigenen? Von dem der Mutter? Was heißt »nimmt«? Nimmt es an? Nimmt es weg? Und überhaupt, wie »nimmt« man ein Trauma?
Entbehrliche Begleitung
Sachverhalte, erst recht wenn sie verwickelt sind, müssen inhaltlich präzise und sprachlich zweifelsfrei dargestellt sein, damit sie verstanden werden. Dass ›Tagesschau‹ schlampig mit der deutschen Sprache umgeht, wurde erst neulich wieder bemängelt, aber das entschuldigt ja den ›TATORT‹ nicht.
Die psychologische Begleitung und die pseudowissenschaftliche Ebene der DNA-Proben (die sich später gewissermaßen selbst in die Kniekehle treten, oh, oh!) nehmen einfach zu viel Raum ein, sie sind entbehrliche Begleitmusik.
Weniger ist mehr
Wer der sich häufig drehenden, sich gar in ihr Gegenteil verkehrenden Handlung noch mit vollem Verständnis folgt, wird sich bald nach der Logik des Geschehens fragen, nach dem Sinn all der Camouflage, nach dem Fake, dessen Darstellung hohe Ansprüche an die Schauspieler stellt, sofern das in dieser Weise denn überhaupt darstellbar ist.
Florian Baxmeyer hat schon mehrmals den ›TATORT‹ für Radio Bremen gedreht, bei ›Wiederkehr‹ entsteht leider der Eindruck, dass die Handlungsstruktur zu vielschichtig angelegt ist. Das Geschehen endet in einer blassen Schlusspointe. Und war denn nun, fragt man sich, der ruppige Lover Teil der Camping-Szene, oder führten die beiden jungen Leute ein eigenes vagabundierendes Leben? Nur eines von beiden ist vorstellbar. Wir werden es nicht erfahren. Weniger Hektik, ›TATORT‹, das wäre in diesem Falle mehr gewesen.
Titelangaben
›TATORT‹ Wiederkehr (RB)
Ermittler: Sabine Postel, Oliver Mommsen
Regie: Florian Baxmeyer
Sonntag, 15. März, 20:15 Uhr, ARD
[Fotos: ARD/RB/Jörg Landsberg]