Indiebookday 2015 | Roman | Jonnie Schulz: Kein Zutritt für Hinterwäldler
Biografien sind so eine Sache. Niemand vermag einzuschätzen, wie nah sich die subjektiven Schilderungen des eigenen Erlebens an der Wirklichkeit orientieren. Aber was bedeutet Wirklichkeit, wenn bereits der Klappentext des Buchs ›Kein Zutritt für Hinterwäldler. Die Geschichte der Butch Meier Band‹ eine immerhin 73 %ige Faktentreue verspricht. JÖRG FUCHS auf der Suche nach… ja, was eigentlich?
Verlassen wir also den Anspruch die Wirklichkeit zu finden und bereiten uns darauf vor, dem Wahnsinn zu begegnen. Licht aus und Bühne frei für die ›Butch Meier Band‹: Eine nicht mehr ganz jugendliche Punkcrew versucht, im Country- und Westernmilieu Fuß zu fassen. Spielt Musik, die sie nie zuvor machen wollte. Trägt Showklamotten, die in ihrem Umfeld zutiefst verachten werden. Und betritt Orte, die die besten Voraussetzungen bieten, dort kräftig vermöbelt zu werden. Miese Voraussetzungen für eine solide Karriere. Miese Voraussetzungen für eigentlich alles.
»You’ve got the hunger, you’ve got the thirst
For the mustard of the universe!«
Und es kommt, wie es kommen muss. »Kleinlaut und unter hasserfüllten Blicken des Publikums« schleicht sich die Band so manches Mal von der Bühne. Und alle Zeichen stehen auf Misserfolg. Die ersten Auftritte floppen, das Selbstwertgefühl sinkt.
Dabei wollten sie nicht weniger, als die beste Countryband zu gründen. Jonnie Schulz, Ted Memphis, Digger Barnes und Butch Meier. Schnell wird klar – man braucht ein Motto. Und das Schicksal spielt ihnen Hank in die Hände, den »Grillmeister«.
»It’s raining ham, hallelujah
it’s raining ham, amen!«
So geht die Geschichte Ihrem Höhepunkt entgegen, der viel mit Senf und dem totalen Körpereinsatz zu tun hat. Und allen reift die Erkenntnis: »Das Scheitern war von Beginn an Teil dieser Band!« Und dennoch schildert uns die Erzählung keine Niederlage, denn das Scheitern wird offen ausgelebt. Jeder, der daran Gefallen findet, darf teilhaben. Dünner Schrottsound, schwaches Bühnenequipment, absurde Botschaften und beschränkte musikalische Fähigkeiten. Was anderen Bands schnell zum Verhängnis wird, beflügelt die Butch Meier Band, wird genüßlich zur Schau gestellt und lässt dem Publikum viel kreativen Raum zur Selbstentfaltung.
Sicherlich – manches hätte in diesem Bandabenteuer, das mal als Roadmovie-Roman, mal als Musikerbiografie daherkommt, rasanter geschildert werden können. Hin und wieder mäandert die Geschichte arg zwischen den einzelnen Stationen der Protagonisten. Aber der etwas holpernde Rhythmus, die unzusammenhängenden Storyfragmente und die schnoddrige Erzählweise passen sich perfekt den Ups and Downs der »Karriere« der Butch Meier Band und ihrer Protagonisten an. Und am Ende wünschen wir uns, nicht bloß 73 % der Warheit erfahren zu haben. Also: Wurstkostüm angelegt, Dönerbass umgeschnallt, Senfkanone geladen und …
»Well if youre looking for a sausage
I’m the man to see
If you’re looking for pork or beef
Satisfaction guaranteed!«
Titelangaben
Jonnie Schulz: Kein Zutritt für Hinterwäldler
Berlin: Ventil Verlag 2014
297 Seiten, 17,90 Euro
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