Indiebookday 2015 | Gesellschaft | Maude Barlow: Blaue Zukunft. Das Recht auf Wasser und wie wir es schützen können
Right Livelihood Award-Preisträgerin Maude Barlow zeichnet in ›Blaue Zukunft. Das Recht auf Wasser und wie wir es schützen können‹ ein düsteres Bild des Blauen Planeten. Ausgerechnet die Ressource, die für die meisten so selbstverständlich ist, dass kaum darüber nachgedacht wird, könnte in manchen Gebieten des Erdballs in den nächsten fünfzig Jahren derart rar werden, dass künftige Konflikte zwischen Staaten nicht mehr nur um Öl und Gebietsgrenzen kreisen, sondern auch um den Zugang zu Wasserquellen. VIOLA STOCKER ließ sich aufklären.
Barlows Darstellungen sind durch die Bank alarmierend. In einem ersten, erschütternden Teil plädiert sie deshalb für ein Menschenrecht auf Wasser, wie es mittlerweile auch bei den Vereinten Nationen diskutiert wird. Für ein menschenwürdiges Leben ist der Zugang zu sanitären Anlagen und sauberem Trinkwasser eine wichtige Voraussetzung. Dies zu ignorieren heißt auch, die Bedürfnisse vieler Millionen Menschen in weniger entwickelten Regionen der Welt schlicht auszublenden.
Wasser – eine Allmende
Wichtig für Barlows Argumentation ist ihre Überzeugung, dass Wasser stets eine Allmende war und auch bleiben muss. Dies schließt die Behandlung von Wasser als knappen Wirtschaftsgut, wie Konzerne wie Nestlé es gerne sehen, aus. Öffentliche Wasserversorgung, öffentliche Brunnen und eine strickte Trennung zwischen dem Wasserverbrauch von Privatpersonen und Unternehmen sind Bestandteile des Allmendengedankens.
Auf der anderen Seite beschreibt Barlow, wie neoliberale Regierungen oder schlicht Staaten in Finanznot, immer wieder ihre öffentliche Wasserversorgung in private Hände geben, was zu ungleicher Wasserverteilung, exponentiell steigenden Preisen für Grundwasser und meist miserabel gewarteten Rohrleitungen führt. Am Beispiel von Ländern quer über den Globus, von Frankreich über Kanada bis Indien zeigt sie, dass im Fall der Privatisierung der Wasserversorgung stets ähnliche Schemata eine Verschlechterung der Wasserversorgung vor allem der ärmeren Bevölkerungsschichten bedeuten.
Beginn der Rückeroberung
Nach katastrophalen Erfahrungen mit der Privatisierung der Wasserversorgung begannen viele Kommunen mit Beginn des neuen Jahrtausends damit, die Wasserversorgung wieder ganz in die öffentliche Hand zu geben. Öffentliche Wasserversorger müssen nicht gewinnorientiert arbeiten, keine Aktionäre sitzen im Hintergrund, deren Dividenden zu maximieren sind. Dafür können sie sich gründlicher und nachhaltiger mit der Wasserversorgung auseinandersetzen und auf gleichbleibende Qualität achten.
Mittlerweile gibt es einige Kommunen in den USA, der Schweiz und Frankreich, die in öffentlichen Gebäuden z.B. auf Flaschenwasser von Lebensmittelkonzernen verzichten oder bei Verträgen zur Wassernutzung nachhaltige Kriterien formulieren, wie den Erhalt von unterirdischen fossilen Grundwasserquellen, sogenannten Aquiferen. Barlow profitiert in ihren Ausführungen hier ganz klar von ihrem breiten Netzwerk aus internationalen NGOs, Wissenschaftlern und Journalisten. Sie ist sehr gut informiert, was auch am umfangreichen Anmerkungsteil zu sehen ist und sie hat sehr gründlich recherchiert.
Wasserrechte
Viele Jahre der Tätigkeit in NGOs für den Kampf um sauberes Wasser haben Barlow zum Schluss gebracht, dass Wasser eben nicht als Ware gesehen werden darf. Wasser als elementarer Bestandteil der Lebensgrundlage der Erde sollte ihrer Ansicht nach eigene Rechte haben. Sie zu formulieren und in allgemein verbindliche Gesetzestexte zu fassen, sei die Aufgabe moderner demokratischer Regierungen. Tatsächlich ist es so, dass gerade in der Nahrungsmittel- und Bergbauindustrie Wasser als billiger, nicht endenwollender Rohstoff geradezu gedankenlos verschwendet wird.
Es ist bitter, zu lesen, wie die gnadenlose Ausbeutung der Flüsse z.B. in Asien und Afrika Dürreperioden verschärft oder gar erst hervorgerufen hat. Wasserintensive Monokulturen haben keinen Anteil am Wasserkreislauf, denn sie entziehen das Wasser endgültig vor allem dann, wenn der Ernteertrag zum Export bestimmt ist. Wüstenbildung, wie z.B. in Portugal und Syrien ist dort die Folge, wo versucht wurde, durch intensive künstliche Bewässerung und Brunnenbohrung semiaride Gebiete für die industrielle Agrarwirtschaft nutzbar zu machen.
Neue Regeln des Zusammenlebens
Nachdem Barlow in ›Blaue Zukunft‹ hauptsächlich über Katastrophen berichtet, tut es gut, den letzten Teil des Buches aufzuschlagen, der voller hoffnungsbringender, kreativer Projekte steckt. So berichtet sie u.a. von einem slowakischen Hydrologen, dem es gelang, durch nachhaltige Bewirtschaftung in Permakultur Feuchtgebiete zu revitalisieren und Regenwasser vermehrt zu nutzen oder auch von einem klugen Farmer in Australien, der mit seinem Aufkauf von Landflächen, die er nachhaltig in selbsterhaltende wasserspeichernde Feuchtgebiete umwandelte, einer ganzen Stadt die Wasserversorgung sicherte.
Gerade in Südamerika erwehren sich Regierungen und Kommunen vermehrt der zerstörerischen Zugriffe internationaler Bergbaukonzerne, die das wertvolle fossile Grundwasser aus den Aquiferen abpumpen oder mit Chemikalien verunreinigen. Auch die Bemühungen der Friedensbewegung, zerstrittene Nachbarstaaten mithilfe von gemeinsamen Wassernutzungsrichtlinien wieder an einen Verhandlungstisch zu bekommen, sind erstaunlich. Nachdem gerade in der ersten Hälfte der Lektüre der Eindruck stark war, der entstandene Schaden sei keineswegs gut zu machen, ist es beruhigend zu sehen, wie viele neue Lösungsvorschläge Barlow bereits kennenlernen durfte.
Verantwortung übernehmen
Nun ist es an der Reihe der Menschheit, Verantwortung für das Wasser zu übernehmen. Der Probleme gibt es viele, doch auch die Auswege sind zahlreich. Es ist noch Zeit, um Wasser nicht zu einer Ressource werden zu lassen, um die Krieg geführt werden muss. Nach Barlow liegt es vor allem an den wasserreichen Ländern wie Deutschland, umzudenken und die Versorgung mit sauberem Wasser von nun an als globale und nicht nur lokale Richtlinie anzusehen.
Titelangaben
Maude Barlow: Blaue Zukunft. Das Recht auf Wasser und wie wir es schützen können
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Thomas Wollermann
München: Verlag Antje Kunstmann 2014
320 Seiten, 22,95 Euro
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