Sex And The City

Comic | Lydia Frost / Kalonji: In Bed

In ihrem Debüt als Comicszenaristin führt Lydia Frost ihre Leser ›In Bed‹ – in die Betten fremdgehender Anhänger der New Yorker High Society. Kalonji findet dafür die passenden Bilder – ohne vor expliziten Details zurückzuschrecken. Von CHRISTIAN NEUBERT

InBed1An Beziehungen muss man ständig arbeiten. Andernfalls drohen sie an der Routine des Alltags zu scheitern. Soweit, so Hut. Alter Hut. Mit ›In Bed‹ gibt´s einen neuen Comic zu dem Thema. Er erzählt von Rachel und Luka, zwei Verheirateten, die eine Affäre pflegen, in der sie das erleben bzw. nachholen, was ihnen mit ihren eigentlichen Partnern abhandengekommen ist: Leidenschaft. Er ist renommierter Anwalt einer jener Kanzleien, die nicht gerade Herrn Otto Normalverbraucher vertritt. Sie ist als Autorin erfolgreich. Gewöhnlich ist das nicht: ›In Bed‹, Lydia Frosts Debütwerk als Comicszenaristin, ist in der High Society angesiedelt. Wer nicht zu den sprichwörtlichen »Oberen Zehntausend« zählt, für den spielt der Comic in einer exotischen Welt.

Naja, nicht ganz: Rachel und Luka gehören der Upper Class New Yorks an. Dem Geldadel Manhattans, wie man ihn aus Hollywood-Blockbustern kennt. Man hat sie oft genug gesehen, kennt entsprechend die Zutaten, die in solch einem Setting zum Betrug am Ehepartner gehören: Die Flasche Wein inklusive passender Gläser im Hotelzimmer. Die edlen Dessous und die Kippe danach. Und das Märchenschloss, in das der reumütige, vollendet in Hemd und Krawatte gekleidete Ehebrecher mit Blumen bewaffnet zurückkehrt. ›Sex And The City‹ lässt grüßen.

Champagner und zerwühlte Laken

Abb: Splitter
Abb: Splitter
›In Bed‹ ist in vieler Hinsicht abgedroschen wie ein Groschenroman. Entsprechend kennt man gewisse Erzählmomente allzu gut. Den etwa, als der fremdvögelnde Luka statt des Namens seiner Geliebten den seiner Ehefrau lustvoll hinausstöhnt. Doch auch, wenn Kulissen und Personeninventar dem entsprechen, was man viel zu oft in vorabendlichen TV-Produktionen erlebt: Narrative Qualitäten hat ›In Bed‹ durchaus. Diese sind allerdings eher in den Dialogen zu finden. Und in der Art und Weise, wie er Emotionen greifbar macht. Außerdem spricht für den Comic, dass er dem Thema Seitensprung keineswegs einseitig begegnet. It takes two to tango, schon klar. Zu einem Pendant zu ›Der letzte Tango in Paris‹ macht das den Band aber nicht.

Auf ein gehöriges Maß expliziter Erotik wird ›In Bed‹ dennoch gesetzt. Und das ist ein Gewinn. Kalonji, der Frosts Comicdebüt illustriert, hält mit seinem Zeichenstift sprichwörtlich »drauf«. Er abstrahiert nicht, sondern hält dem Leser den Sex so vor Augen, wie er auch den Protagonisten präsent ist: Er ist hautnah dran, zeigt ihn oft aus subjektiver Blickrichtung. POV, wie´s der Filmtheoretiker und/oder der Pornokonsument nennt. Es ist der Kontrast zwischen unterkühlter Alltagsbewältigung und heißblütigem Liebesspiel, die die inneren Konflikte anhand eindeutiger Zeichnungen deutlich machen. Ins Pornografische rutscht der Comic allerdings nicht ab, befriedigt er doch keinen Voyeurismus.

Immer feste drauf

Dem Comic steht das gut. Kein Wunder: Schafft Kalonji doch sehr schön anzusehende Bleistift- und Kohlezeichnungen, die den Figuren trotz ihrer cartoonigen Optik etwas Anmutiges verleihen. Das raubt auch den expliziten Momenten ihre körperliche Schwere: Die Figuren schauen gut aus, bewegen sich filigran in den mondänen Interieurs. Kalonjis Zeichnungen retten den Band vor dem allzu Beliebigen. Denn obwohl Lydia Frost als Szenaristin Mut zu Explizität beweist, diese nicht billig verkommen lässt und zudem ein Gespür für Dialoge zeigt, bleibt ›In Bed‹ ein gutes Stück weit in seiner halbgaren Hollywood-Halbwelt verwachsen.

| CHRISTIAN NEUBERT

Titelangaben
Lydia Frost / Kalonji: In Bed
Aus dem Französischen von Resel Rebiersch
Bielefeld: Splitter 2015
96 Seiten, 17,80 Euro.
Erwerben Sie dieses Buch bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Seitwärts gestürmt

Nächster Artikel

Meister des Horror auf der Jagd nach neuen Schrecken

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Lichtgestalt mit Schattenseiten

Comic | Typex: Andy. A Factul Fairytale Andy Warhol war der Mitbegründer der Pop Art – und seine prägendste Gestalt. Sein Oeuvre ist immens, sein Einfluss kaum zu überschätzen. Der niederländische Comic-Künstler Typex hat ihm mit ›Andy. A Factual Fairytale‹ ein Comic gewordenes Denkmal gesetzt, das auch in Warhols Abgründe blickt. CHRISTIAN NEUBERT hat sich den 562 Seiten starken Klotz vorgenommen.

H für Husarenstück

Comic | Miéville/Santolouco/Burchielli: Dial H – Bei Anruf Held 1: Neue Verbindung Der bekannte Fantasyautor China Miéville hat Bei Anruf Held, eine der absurdesten Superheldenreihen der 80er Jahre, wieder aufleben lassen, und macht mit einem kühnen erzählerischen Spagat vor, wie man etwas gleichzeitig ernst und auf die Schippe nehmen kann.BORIS KUNZ hat sich auf diese Tour de force eingelassen.

Guter Einstand

Comic | Mark Long/Jim Demonakos/Nate Powell: Das Schweigen unserer Freunde Étienne Davodeau: Die Ignoranten Ein halbes Jahr hat das neue Ehapa-Imprint ›Egmont Graphic Novel‹ nun auf dem Buckel. Das Sub-Label hat sich einem Comic-Segment verschrieben, das sich vorwiegend an eine erwachsene Leserschaft richtet. Zwei der ersten Graphic Novels, die in das Verlagsprogramm aufgenommen wurden, sind die Werke ›Das Schweigen unserer Freunde‹ und ›Die Ignoranten‹. Von CHRISTIAN NEUBERT

» …von Anfang an ein gewagter Wurf«

Comic | Interview mit Gabriel Bá Seit dem 15. Februar begeistert die Comic-Adaption von ›The Umbrella Acadey‹ auf Netflix. Der erste deutschsprachige Band der zugrunde liegenden Comicreihe erschien Anfang 2009 bei Cross Cult. PETER KLEMENT hat Gabriel Bá, den Zeichner der Reihe, seinerzeit zum Interview gebeten. Er sprach mit ihm über Dream Teams, besessenen Statuen und der Arbeit mit einem Rockstar – und hat interessante Antworten bekommen.

They’re crazy, those Belgians!

Comic | Spirou und Fantasio Spezial: Spirou in Amerika Kaum jemand hat in der Neunten Kunst den Wilden Westen bei uns so populär gemacht wie Lucky Luke, der Cowboy, der schneller zieht als sein Schatten. Sein Schöpfer, der Belgier Maurice de Bevere (amerikanophoner Künstlername: Morris) hat in seiner Jugend eine lange Reise nach Amerika unternommen, die zu den wenigen glanzvollen Legenden gehört, die hinter den Kulissen über das Comic-Schaffen erzählt werden.