Film | Im Kino: Jane got a gun / The Hateful 8
Auferstehung? Nein, nicht wirklich. Es kommt nun einmal vor, dass müde, blasse, stumpfe Schatten, die irgendwo scheinbar nutzlos herumliegen, unversehens mit neuem Leben erfüllt werden, und der Wildwestfilm trabt plötzlich wieder quicklebendig über die Leinwand, diesmal in zwei grundverschiedenen Ausführungen, die dieser Tage in die deutschen Kinos gelangen. Von WOLF SENFF
Während der eine, ›Jane got a gun‹, sich den an eher herkömmlichen Mustern der Wildwest-Dramaturgie orientiert, setzt der andere, ›The Hateful 8‹, ebenfalls keine neuen Akzente, sondern orientiert sich an der Tradition des Italo-Western eines Keiner-kommt-hier-lebend-raus, und präsentiert in winterlichem Ambiente ein verwirrendes Crossover inklusive Aufklärungsarbeit á la Kriminalfilm und Hongkong-Splatter-Genre.
Mühsam konstruiert
Seine Dramaturgie ist angestrengt, weit hergeholt, wenn man bedenkt, dass auf der Fahrt zu einem entlegenen Kaff sich vier Leute begegnen – zwei davon wurden nacheinander in der verschneiten, menschenleeren Einöde aufgelesen –, die einander allesamt bekannt sind; und an der einsamen Zwischenstation von ›Minnies Haberdashery‹ kommen noch einmal vier hinzu, ebenfalls keine Unbekannten. Was wunder.
Damit nicht genug, die so mühsam konstruierte Konstellation erweist sich nach zwei Dritteln als hinfällig, denn nun wird ein Komplott aufgedeckt, wie wir es aus mediokren britischen Krimis kennen, wenn die Phantasie nicht ausreicht und die Spannung angefacht werden soll – als Dramaturgie ein Langweiler, gut zum Abschalten geeignet, immer gern angekündigt durch: »einige Stunden zuvor ereignete sich Folgendes«.
Das Bohren dünner Bretter
Im Anschluss an diesen Einbruch der Handlung geht ›The Hateful 8‹ vollends in ein Splatter-Movie über, ein bislang gänzlich unbekannter Übeltäter steckte im Keller verborgen, ach ja, und ein kompletter Fehlschlag ist im Abspann Roy Orbisons ›There won’t be many coming home‹; die schnulzige Musik fügt sich nicht einmal ironisch zum Geschehen, der gewollte Kontrast ist nicht sinnvoll nachvollziehbar.
›The Hateful 8‹ setzt sich allzu ambitionierte Ansprüche. Seine trockene Dialogführung ist nach dem Prinzip ›viel hilft viel‹ sortiert und verliert früh ihren Witz – wenig wäre da mehr gewesen. Nachgerade peinlich ist die Stilisierung von Chris Mannix, dem mitreisenden Sheriff in spe, als einem Homosexuellen. Die an ihren Henker gekettete Daisy Domergue gewinnt nicht dadurch, dass sie ständig mit blutüberströmtem Gesicht herumläuft. Nur auf den ersten Blick sind die Charaktere originell – je mehr die Splatter-Handlung einsetzt, desto rasanter verliert der Film an Tiefe und es wird unübersehbar, dass dünne Bretter gebohrt werden.
https://youtu.be/gnRbXn4-Yis
Quentin Tarantino läuft als Liebling hiesiger Feuilletons, als eine Celebrity unter den angloamerikanischen Regisseuren, hoch gehandelt, oberstes Niveau. Angesichts von ›The Hateful 8‹ bleibt nicht nachvollziehbar, weshalb ihn eine Aura des Unangreifbaren umgibt.
Blutig, gerecht, konstruktiv
Daran gemessen tritt ›Jane got a gun‹ zurückhaltend auf. Nein, kein winterlicher Wildwestfilm nach dem Vorbild von Corbuccis ›Leichen pflastern seinen Weg‹, sondern übliche Dominanz weitläufiger Landschaft, viel Panorama westernmäßig ins Bild gesetzt. Der Konflikt – eine Frau zwischen zwei Männern – ist nicht eben originell, wird aber überzeugend in die Biografien verwoben; die Charaktere haben Tiefe, und Natalie Portman als Jane zeigt uns eine hinreißende Balance zwischen kaltblütigem Pragmatismus und gezügelter Emotionalität.
Es geht ihr darum, ihr neues Leben und ihre Tochter zu verteidigen und mit den rachsüchtigen ›Bishop Boys‹ fertig zu werden, das füllt schon mal einen Film, ohne langatmig zu werden. Der dramaturgisch wohlabgewogene Showdown ist blutig, gerecht, konstruktiv – diesen Film kann man empfehlen.
Titelangaben
Jane got a gun, USA 2014
Regie: Gavin O’Connor
Darsteller: Natalie Portman, Ewan McGregor u.a.
The Hateful 8, USA 2015
Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh u.a.