/

Gedichte

TITEL-Textfeld | Slata Kozakova: Gedichte

In meinem Bad liegt eine Nixe
Sie sang mir zu, ich schleppte sie
Fünf Treppen hoch an roten Haaren
Tönt das Korallenpulver gut
Wie schminkst du deine grünen Lippen
Wie trennst du Schuppen von dem Hals
Und deine Finger ohne Nägel
Gekrümmt in Kiemen, sind so weich
Und lautlos schäumt sie — beste Pflege
Mattierend, glättend, eisenreich

***

Der Wald verändert die Gestalt und läuft davon
Und in den klaren zarten Nebel
Verschwindet er, so schnell er kann
Im Feld, entlang gerader Schienen
Wie kurze Pfähle aus dem Gras
Verfolgen Blicke seltner Zwerge
Entzückt den Zug und winken fast
Im Sitzen schneide ich die Verse
Und ziehe flache Schuhe an
Damit man später meine Spuren
Im feuchten Gras erkennen kann

***

Deine Sätze sind gestapelt und gegliedert
Zusammen leicht und einzeln doch so schwer
Eine schüchterne Sibylle sitzt im Dunkeln
Auf der Handfläche drei Worte, keines mehr
Eine sonderbare Keuschheit ist gezeugt
Ja man zieht sogar die Laute auseinander
Zieht sie an, verleiht der Tusche Blicke
Und toupiert die lange Weite wollner Röcke
Wie dein Schweigen Geste ist
Ist für mich die Ferne— Nähe
Tritt doch einen Schritt zurück
Ob ich einen Abdruck sehe

***

Es ist dunkel geworden um mich
Und der Abend schlägt in die Hände
In der Tasche gepackt— Medizin
Gegen schlechtes Gewissen— fünf Tropfen
Gegen gutes— sechs silberne Löffel
Gegen Gähnen— zwei ganze Flaschen für zwei
Es ist mir eine alte Gewohnheit
Nicht zu lange befreundet zu sein
Wer sich erinnert, wird kommen
Und ich finde zwei Stühle für zwei

***

Es frühlingt in den Schläfen
Mein erster Tod im Jahr
Ich nehme ihn und schweige und frohlocke
Es gibt hier keine Mauerspalte mehr
Die frei von dünnen Ästenhänden wäre
Es zittert mich und macht mich rasend auf allen Vieren
Auf Fünf ist Dämmerung bestellt
Auf Sechs ist wieder Abend
Dass ich erkenne
Dass die Welt
Mich älter macht

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Literatur und Philosophie im Gleichschritt

Nächster Artikel

Konventionelle Kost

Weitere Artikel der Kategorie »Lyrik«

Im Dämmerlicht

Textfeld | Christian Saalberg: Zwei Gedichte IM WEISSEN HOF vor der Treppe zum Schloß stößt man auf eine hohle Gestalt, einen Mann, der Das ewige Leben verschenkt.

Heimsuchung

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer   Na los, Herr Wirt: einen Meter Morph! So brüllte der Fremde durchs Westerndorf

Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Die andere Seite

Immer fällt was aus den Büchern
heraus, eingelegte Ausschnitte
oder ganze Satzteile,
die am Rand rot markiert sind,
beim Schütteln eine Philosophie.

»ihre zeit wird kommen, wenn sie vergangen ist«

Lyrik | Andreas Altmann: Von beiden Seiten der Tür

Ein neuer Gedichtband von Andreas Altmann – und wer sich mit und vor allem in den Gedichten des in Berlin und in der Prignitz lebenden Autors auskennt, für den ist an dieser Stelle Vieles bereits gesagt, sind die Gedichte von Andreas Altmann im lyrischen Kanon doch längst zu einem Synonym für den gewissenhaften und jede Effekthascherei meidenden Umgang mit und die sorgsame Arbeit am Wort geworden, für einen eigenen Sprachkosmos, in dem er sich seit seinen ersten Bänden traumwandlerisch sicher bewegt; intensiv, souverän, freiwillig reduziert. Von STEFAN HEUER

Abgeplatztes Stück

Lyrik | Peter Engel: Abgeplatztes Stück

Wie ein Daumennagel groß,
taubenblau auf einer Seite,
auf der anderen weiß,
doch an welchem Buchrücken fehlt es
und hinterließ einen Schaden?