Bis zum Ende der Zeit

Digitales | Games: Quantum Break

Die Zeit stottert, doch weder Logopäde noch Quantenmechaniker kann ihr helfen. In der transmedialen Fusion aus Spiel und Fernsehserie, ›Quantum Break‹, versucht FLORIAN RUSTEBERG den Überblick zu behalten – zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Quantum Break Xbox One Box Shot Angle FrontSechs Jahre lang war Jack Joyce nicht mehr in seiner Heimatstadt Riverport. Damals ließ er seinen älteren Bruder William Joyce, einen genauso genialen wie verschrobenen Physiker und seinen guten alten Freund Paul Serene hinter sich zurück. Paul ist es nun, der Jack extra einfliegen lässt. Das heimatliche Riverport hat sich im Laufe der Zeit verändert, die Skyline wird vom modernen Wolkenkratzer einer Firma namens »Monarch Solutions« dominiert, deren Einfluss sich auf Gesellschaft und die örtliche Universität erstreckt. Mitten in der Nacht trifft Jack ein und wird umgehend eingeweiht. Entgegen aller Sicherheitsbedenken möchte Paul die unter seiner Aufsicht an der Universität gebaute Zeitmaschine in Betrieb nehmen. Es funktioniert. Die Konsequenzen jedoch sind unvorhersehbar.

Nachdem Jacks Bruder William noch erfolglos versucht, den Start der Maschine zu verhindern, sorgt die Aktivierung für einen Riss in der Zeit. Zusätzlich zwingen bewaffnete Sicherheitskräfte der »Monarch Solutions« die Brüder zur Flucht quer über den Campus. Dabei werden zwei Dinge schnell klar: Die beschädigte Zeit nähert sich unweigerlich dem Ende und Jack scheint immun gegen das »Stocken« zu sein und sogar spezielle Fähigkeiten zu entwickeln. Diese Kräfte braucht er auch, als sich herausstellt, dass ein deutlich älterer Paul Serene der Kopf des obskuren »Monarch«-Konzerns ist.

Bekannte Gesichter

Im Verlauf der insgesamt 5-aktigen Geschichte muss sich der Spieler nicht nur als Jack Joyce gegen viele Feinde zur Wehr setzen und den Fortbestand der Zeit sichern, sondern schlüpft zudem an vier Zwischenstellen in die Rolle des mächtigen Gegenspielers. Dabei wird nicht nur Serenes Geschichte und Denkweise klarer; es müssen auch Entscheidungen getroffen werden, die den Fortgang der Handlung weiter bestimmen. Zu Beginn steht das weitere Vorgehen von »Monarch« zur Wahl: Soll das Unternehmen lieber mit offener Gewalt seine Ziele durchsetzen oder hinterlistig die öffentliche Meinung manipulieren? Die Folgen wirken sich auf das Schicksal von Nebencharakteren und Ereignissen aus, sowohl im Spiel als auch in der begleitenden Mini-Serie.

Die vier Folgen der Serie bieten mit je 20 Minuten eine gelungene Abwechslung zwischen den einzelnen Akten. Neben der fortschreitenden Haupthandlung wird darin der Hintergrund einiger Personen beleuchtet, die im Spielgeschehen nur indirekt eine Rolle spielen. Die Protagonisten sind hochkarätig besetzt. Shawn Ashmore (Jack Joyce), Dominic Monaghan (William Joyce), Aidan Gillen (Paul Serene) und Lance Reddick mögen zwar als Namen nur Wenigen geläufig sein, ihre Gesichtszüge hingegen sind Zuschauern von Erfolgsserien wie bspw. »Lost« und »The Wire« bekannt. Die Schauspieler erfüllen allerdings die archetypischen Rollen ihrer schon bekannten Alter Egos. Wer Aidan Gillen als »Kleinfinger« aus »Game of Thrones« kennt, wird ihn in ›Quantum Break‹ einen nicht unähnlichen Strippenzieher spielen sehen. Allerdings ist der Produktionsaufwand sichtbar geringer als bei diesen millionenschweren Serien.

Charismatische Charaktere

Neben der Arbeit vor der Filmkamera leihen die Schauspieler den Figuren im Spiel Gestalt und Stimme. Dank moderner Körperscanner-Technologie kommt das besonders der Gestik und Mimik zugute, das Schauspiel kann direkt in den Animationsablauf integriert werden. Animationen sind eine große Stärke in ›Quantum Break‹. Abgesehen von den Personen ist besonders die Darstellung der Zeit schön anzusehen. Ein stetiges Flimmern, wellenförmige Schocks der Umgebung und Zeitblasen, in denen ein Kugelhagel stehen bleibt. Vieles davon sieht einfach fantastisch aus, täuscht aber auch geschickt Quantum Break_REVIEWS_Screenshot 3darüber hinweg, dass bei der Auflösung und Qualität von Texturen Abstriche gemacht wurden. Oft ist ein Plakat noch in der niedrig aufgelösten Version zu sehen, bevor es plötzlich an Schärfe gewinnt.

Mit dem gefallenen Polizisten Max Payne und dem an seinem Verstand zweifelnden Alan Wake haben die finnischen Entwickler »Remedy« in ihren vergangenen Veröffentlichungen Figuren gezeichnet, die im Gedächtnis blieben. Oft schien es, die Männer hätten mehr mit der Midlife-Crisis und dem Verlust ihrer Frauen zu kämpfen, als mit ihren eigentlichen Gegnern. Selbstreferenziell haben die Protagonisten im Spielverlauf ihre eigene Misere kommentiert. Dieses Mal kann sich ›Quantum Break‹ von seinen Vorläufern absetzen, denn die Geschichte als Ganzes rückt in den Vordergrund. Ganz abgelassen wurde von der Erzählform dennoch nicht: Jack Joyce, eigentlich auch ein Mann mit verspielten Perspektiven, berichtet rückblickend über seine Erlebnisse. Für eine Erzählung, die von Zeitreisen und der Manipulation von Zeit handelt, bleibt ›Quantum Break‹ recht bodenständig und verfügt über eine gewisse innere Konsistenz. Zufriedenstellend fügen sich vorher kaum beachtete Indizien und Details gegen Ende zu einer Kette zusammen. Quantum Break_REVIEWS_Screenshot 2Nach den knapp 12 Stunden Gesamtumfang bietet ein erneutes Durchspielen also durchaus seinen Reiz.

Fazit

›Quantum Break‹ ist ein handlungsintensives Action-Abenteuer aus der dritten Person mit viel Gebrauch von Waffen und besonderen Kräften. Auch wenn die Verschmelzung von spielerischer und filmischer Unterhaltung in diesem Fall noch nicht den großen Durchbruch feiern kann, so wird hier sehr gute Unterhaltung im Gesamtpaket geboten. Doch Vorsicht, ohne die gemeinsame Verpackung fallen Elemente wie der Kampfablauf in die Mittelmäßigkeit hinab.

| FLORIAN RUSTEBERG

Titelangaben
Quantum Break
Remedy Entertainment / Microsoft Studios
ab dem 05. April 2016 erhältlich für XboxOne und PC.
ab 64,99 € UVP.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Mensch ohne Wurzeln

Nächster Artikel

Hilda im All?

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Die japanische Bibelexegese des kleinen Mannes

Digitales | Games: El Shaddai – Ascension of the Metatron Style über Substanz? Das Videospiel als Jahrmarktattraktion? Oder doch wieder die alte Kunstdebatte? RUDOLF INDERST wirft einen Blick auf ›El Shaddai: Ascension of the Metatron‹.

Anpfiff bei TITEL!

Digitales | Games: FIFA 12 Wenn man sich auf eines im Jahr verlassen kann, dann ist das das Sportspiel-Update von Electronic Arts. Wie schon im letzten Jahr lautet mein Ansprechpartner INDERST in Sachen Rasensport FRANK BAUDERER. Mit dem begabten schwäbischem Kicker unterhielt sich RUDOLF INDERST über EAs Fußball-Update. Ihr Fazit lautet dabei nicht immer: »Ällawäis gliich.«

Ch(i)ef gesucht, Teilzeit

Digitales | Games: Halo 5: Guardians Der wortkarge Supersoldat in schlammgrüner Superrüstung ist zurück und bekommt in seinem fünften Abenteuer neue Superverstärkung. Ob auch sonst alles super ist oder Master Chief John schon Rost angesetzt hat, findet FLORIAN RUSTEBERG heraus.

Digitale Spielwelten als Spiegel der Gesellschaft

Digitalspielkultur | Interview mit Addrich Mauch über Game Studies, Soundscapes und die Zukunft der Digitalspielforschung

Im Gespräch mit RUDOLF THOMAS INDERST gibt der Game-Studies-Forscher Addrich Mauch Einblicke in sein interdisziplinäres Forschungsprojekt zur Schweizer Spielkultur. Er erklärt, wie Sound und Musik virtuelle Welten formen und was die Zukunft der Digitalspielforschung bereithält. Von persönlichen Spielerfahrungen bis zu gesellschaftlichen Einflüssen – digitale Spiele sind mehr als bloße Unterhaltung.

Dad of God

Digitales | Games: God of War Es ist eine Weile her, seit wir Kratos, den einzig wahren Gott des Krieges, auf der Erde haben wandeln sehen. Damals, die rasend-wütende Bestie, nur darauf sinnend den nächsten griechischen Gott niederzustrecken, war seine Geschichte voll von Adrenalin, von Wut und Gewalt – und das bis zu seinem vermeintlichen Ende. Nun, sichtlich gealtert und sich in einer neuen (nordischen) Welt wiederfindend, kehrt er in ein neues Abenteuer zurück und stellt sich seiner vielleicht größten Aufgabe: Vater sein – von DANIEL MEYER.