»TORÖÖ!«

Kinderbuch | Sylvia Bishop: Der Elefant im Wohnzimmer

Der Elefant, der eines schönen Morgens vor der Haustür steht, ist das laut Begleitschreiben das Geschenk zu Ericas 10. Geburtstag von Onkel Jeff. Damit ändert sich alles. Von ANDREA WANNER

Bishop - Elefant im Wohnzimmer - 978-3-7373-4075-5 Nun ist Erica, die alleinige Bewohnerin eines zweistöckigen Reihenhauses im Süden Englands mit Blick aufs Meer, ein äußerst praktisch veranlagtes Mädchen. Die zwei Jahre, die sie bereits ohne ihren Onkel zurechtkommt, der als Ornithologe irgendwo auf der Welt den Gemeinen Spreizfuß-Grackel aufspüren möchte, sieht auch im Falle des Elefanten sofort die Probleme, die damit auf die zukommen: Rund 150 Kilogramm Grünzeug pro Tag frisst so ein Dickhäuter. Das will bezahlt sein und das Geld, das Onkel Jeff ihr da gelassen hat, ist beinahe aufgebraucht. Überhaupt, wo soll so ein großes Tier wohnen? Ganz klar, der Elefant muss dahin, wo er hingehört: in den Zoo.

Sylvia Bishop erzählt eine etwas andere Geschichte, als wir sie erwarten, wenn plötzlich ein Elefant vor der Tür steht. Die üblichen Probleme – Eltern, die das auf keinen Fall erlauben – entfallen. Selbstständig und selbstbewusst behauptet sich die Kleine, schiebt alle fantastischen Möglichkeiten und Träume beiseite und beginnt, die Sache zu regeln.

Irritiert schaut man Ericas Treiben zu, liebenswert aber für eine 10jährige viel zu realitätsnah, sucht sie Lösungen. Und erliegt dem Charme des Elefanten, der zwar nur »TORÖÖ« von sich gibt, dies aber in so unterschiedlichen Variationen, dass die beiden sich schon bald bestens verstehen. Und Erica entdeckt, dass es vielleicht doch eine Möglichkeit geben könnte, dass der Elefant bei ihr bleibt. Schließlich fühlt sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr allein. Alles könnte gut werden, wäre da nicht die schreckliche Nachbarin.

Bishop beschränkt sich auf wenige Personen, die im Laufe des Elefantenabenteuers eine Rolle spielen. Alle skizziert sie mit wenigen Sätzen und konsequent aus der Sicht der 10jährigen. Das hat Folgen, denn die Erklärungsmuster, mit denen Erica der Welt begegnet, sind nicht immer die richtigen und haben fatale Folgen. Aber in dem Maße, in dem Erica an der Welt der Großen zu scheitern droht, greifen Erwachsene ein. Solche, die meinen zu wissen, was für das Kind am besten ist, solche, die wissen, was für sie selbst am besten ist und schließlich solche, denen es wirklich um Erica geht.

Dafür hätte es eigentlich gar keinen Elefanten gebraucht, aber wenn er nun schon mal vor der Tür stand … Am Ende beweist Erica, dass sie zu den Menschen gehört und gehören wird, die wissen, wie moralisches Handeln zum Wohl anderer aussieht. Sie selbst profitiert von so einer Person. Und der Elefant profitiert von Ericas kluger Einsicht.

Dass es nebenher noch viel Wissenswertes über Elefanten zu lesen gibt, liebevolle zweifarbige Bilder von Lisa Hänsch, die die harmonische Zweisamkeit zwischen Erica und ihrem Elefanten treffend zu Papier bringt, eine gelungene Übersetzung von Sabine Ludwig und einen abrundenden Epilog, der ganz am Schluss, die Dinge an ihren Platz rückt, macht aus der kleinen Geschichte etwas wirklich Besonderes.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Sylvia Bishop: Der Elefant im Wohnzimmer (Erica’s Elephant, 2016)
Aus dem Englischen von Sabine Ludwig
Mit zweifarbigen Bildern von Lisa Hänsch
Frankfurt: KJB 2017
144 Seiten. 12,99 Euro
Kinderbuch ab 6 Jahren
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