Kinderbuch| Winfrid F. NT Budde: Oskar, beeil dich / Beauvais, Clémentine: Das Babysitter-Chaos
Wenn die Clowns in die Zirkusarena purzeln, gehen Gegenstände zu Bruch, Wasser spritzt und nicht nur Torten fliegen. Nichts ist, wie es eben noch war, oben ist unten und rechts links. Clowns wie Publikum sind gleichermaßen verdutzt, erschrocken, verärgert mitunter. Vor allem aber sind sie erheitert. Am Ende ist alles wieder im Lot, so gehört es sich.
Winfrid F. NT Budde und Clémentine Beauvais verkleiden sich in ihren neuen Kinderbüchern als Clowns und kehren ungehemmt das Unterste zuoberst. Von MAGALI HEISSLER
Buddes kleiner Oskar ist ein Träumer. Eltern oder gar die kleinen Geschwister vergisst er darüber gern. Kein Wunder, dass er immer als Letzter kommt und auch dazu noch aufgefordert werden muss. »Oskar, beeil dich«, ist ein Ruf, der häufig ertönt. Die Ferien auf der Insel in der Nordsee beeindrucken Oskar dann auch nicht, bis er entdeckt, dass sich beim Betrachten der Möwen besonders schön vom Fliegen träumen lässt.
Möwen allerdings sind mit Vorsicht zu genießen. Das muss Oskar feststellen, als ihm Papa eine Honigwaffel kauft, an der auch eine Möwe interessiert ist. Oskar, für einmal wach, ist keineswegs bereit, die Waffel aufzugeben. Damit beginnt ein Abenteuer, mit dem er trotz seiner tollen Träume nie gerechnet hätte. Wie gut, dass es die leidigen Zwillingsgeschwister gibt, die ihren großen Bruder nicht aufgeben.
Verrückt und bunt
Budde erzählt seine Geschichte in klassischer Manier. Es gibt nahezu keine direkte Rede, kein in Szene setzen der Figuren. Es ist ein Bericht, ein Märchen voller Seltsamkeit und so bannt der Autor die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer. Oskars Abenteuer ist wahrhaftig unerhört. Freiheitsträume werden wahr, aber auch die Folgen vom Leben in einer anderen Welt. Der Held muss sich verwandeln, um zu überleben. Und natürlich am Ende erlöst werden.
Budde hat einige schräge Einfälle, die Kinder gleichermaßen erschrecken wie kichern lassen werden, die Balance ist gewahrt. Das Leben so allein ist hart und auch Möwen sind nur Menschen, möchte man sagen, die zuerst einmal an sich denken. Oskar verhält sich dementsprechend und fällt prompt auf den Schnabel. Das hat eine eigene Logik, ebenso wie das Eingreifen der vom großen Bruder so abgelehnten Zwillinge.
Das ziemlich verrückte Abenteuer steht und fällt mit der ausgefallenen Grundidee, erzählt ist es etwas zu behäbig. Die Kleinen wird das wenig stören, sie sind glücklich, dass ihnen etwas ausführlich erzählt wird. Die witzigen Bilder, vom Autor gemalt, sind sehr bunt, ein bisschen skurril und mit wachem Blick für die Verzerrungen der aus dem Lot geratenen Welt, sie ergänzen die Geschichte aufs Beste.
Parodistisch, zwischen Klischee und Einfallsreichtum
Das Babysitter-Chaos, von dem Clémentine Beauvais erzählt, müssen zwei kleine Mädchen bewältigen, Anna und Holly aus Doverport in Engerland. Sie rutschen in die verrückte Sache, weil sie viel Geld verdienen wollen für einen Traumurlaub. Ein glücklicher Zufall bringt sie zu König Steve und Königin Sheila, die unbedingt ein paar Tage Entspannung brauchen, aber keinen Babysitter finden. Auf die Prinzen aufzupassen, wäre nicht so schwer gewesen, hätte König Potzsapperlot im Nachbarland nicht beschlossen, dass der rechte Zeitpunkt gekommen ist, Engerland zu überfallen. Ein halbes Dutzend Prinzen und Potzsapperlot in Schach zu halten, erweist sich als gewaltige Aufgabe. Von der Kuh ganz zu schweigen.
Beauvais bedient sich bei ihrer Beschreibung des Königreichs Engerland einer Menge Klischees bis hin zur Albernheit. Ob man diesen ganzen boulevardpressegerechten Unsinn noch einmal und auch noch in einem Kinderbuch festklopfen muss, ist fraglich. Ihre Geschichte besticht aber durch die beiden Heldinnen, die sich durch nichts einschüchtern lassen, die äußerst fantasievoll ausgemalten gegnerischen Kräfte und ganz besonders durch die Inszenierung.
Hier wird nicht nur erzählt, hier spielen Kinder ein wunderbares Spiel, so echt, als fände es gerade im heimischen Kinderzimmer statt. Hier blitzt der ganz normale Alltag durch. Die Eltern brauchen eine Auszeit, die älteren Geschwister müssen auf die Kleinen aufpassen und schon sind alle mitten im Spiel.
Es ist die kindliche Fantasie, die sich äußert, auch wenn es vor der Folie bestehender Klischees geschieht. Hausschlangen und Stachelschweingranaten, todesmutig gefochtene Schwertkämpfe, Jagden durch Gänge und Zimmer, Kolibrikanonen und Riesenschleudern sind nur einige der wilden Einfälle, die kleine Leserinnen entzücken werden.
Schwarz-weiß Illustrationen vom Becka Moor begleiten die Geschichte nicht nur, sondern werden auch Teil davon, wenn sich etwa der Text ihnen unterordnet. Hier geht es lebhaft zu, in jeder Hinsicht. Witzig auch. Übersetzt hat es Rusalka Reh, mit viel Geschick und deutlicher Freude an den Wortspielen.
Beide Bücher sind Sommerlektüre, Ferienlektüre, zum Vorlesen, Selberlesen, zum Träumen oder Nachspielen, verkehrte Welt für ein paar lustige Stunden.
Titelangaben
Winfrid F. NT Budde: Oskar, beeil dich! Ein unglaubliches Abenteuer auf der Insel
Heide: Boyens Buchverlag 2016
46 Seiten. 9,95 Euro
Kinderbuch ab 7
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Clémentine Beauvais; Becka Moor: Das Babysitter-Chaos
(The Royal Babysitters, 2014) Übersetzt von Rusalka Reh
Hamburg: Rowohlt Rotfuchs 2016
170 Seiten. 9,99 Euro
Kinderbuch ab 8 Jahren
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