Ich erinnere mich noch, dass meine Großmutter oft sagte, sie habe mich lieb bis zu den Sternen, bis zum Mond, zum Himmel. Von einer ähnlichen Liebeserklärung, nur in die andere Richtung, erzählt dieses farbenintensive Buch. Von BARBARA WEGMANN
»Es dauerte nur einen Augenblick – und schon war er auf der Welt«, ein kleiner Wal. Und seine Geburt ist der Beginn einer wunderbaren großen Liebe, die wir über dem Meeresspiegel ja auch kennen: die zwischen Mutter und Kind.
All ihre Aufsicht, ihre Sorge und ihre Achtsamkeit gelten nun dem Nachwuchs: »Mit einem sanften Schubs führte ihn seine Mutter an die Meeresoberfläche, wo er seinen ersten Atemzug tat.« Geduld wird sie haben, Nachsicht üben, seine Lehrerin wird sie sein, seine Beschützerin, ihm Schönheiten und Gefahren seines jungen Lebens beibringen.
Stephen Hogtun lebt in Norwegen, am Rande eines Fjords. Wen wundert‘s, dass Umgebung und Stimmung einen Schriftsteller und Künstler dort inspirieren und anregen. Sein Eintauchen in die Welt der Wale wird begleitet von einer Unzahl an Blautönen, die 40 Buchseiten ziehen magisch und tief in den Ozean hinunter, lassen große und kleine Leser eintauchen in jene fremden Welten, die noch so wenig erforscht sind. In kräftigen Strichen, plakativen Darstellungen, schwungvollen Wellen und Walbewegungen versprüht die Geschichte des jungen Wals viel Bewegung, Aktivität, Energie und große Lebensfreude. Und in der Abendsonne, wenn Mutter und Waljunges an der ruhigen Meeresoberfläche schwimmen, scheinen die kräftigen Farben der untergehenden Sonne auch den Walgesang harmonisch und sanft zu untermalen. »In diesen Augenblicken, wenn seine Mutter neben ihm ihr sanftes Lied sang, schien die Zeit stillzustehen.«
Dann, eines Tages wird es Zeit. Sie müssten sich jetzt auf eine große Reise begeben, sagt die Walmutter. Wale, etwa 90 Arten gibt es weltweit, begeben sich zu Paarung und Nahrungssuche auf lange Wanderungen. So viele Erfahrungen für den kleinen Wal, neue Arten, andere Gewässer, auch Gefahren. Und ganz nebenbei wird der Kleine größer und schneller und stärker. Bis eines Tages der Moment der Rückkehr in die heimischen Gewässer kommt. Hogtun schreibt die Geschichte in jeweils kurzen Textpassagen: Sätze, Gedanken, Beschreibungen, kurze Dialoge. Texte, die sich oft in den Farben der Bilder verlieren und verstecken. Texte, die an der einen oder anderen Stelle schon fast etwas kitschig sind.
Aber in den heimischen Gewässern angekommen, beginnt auch das eigenständige Leben des Wals, nun ist er groß genug. Und für die Mutter ist der Zeitpunkt gekommen, den Kleinen loszulassen. So Vieles hatte sie dem Nachwuchs beigebracht, die Neugier, die Wachsamkeit, die Vorsicht vor den Gefahren, den Lebenssinn. »Atme tief ein und tauche hinunter bis zum Meeresgrund. Dort findest du immer Ruhe, wenn du sie brauchst.« Und wohin der kleine Wal auch immer schwimmen würde, der Gesang der Mutter würde ihn ewig begleiten. Was für eine stimmungsvolle und sensible, wunderschön illustrierte Geschichte über eine besondere Liebe, die so tief reicht, wie das Meer tief ist.
Titelangaben
Stephen Hogtun: Liebe. So tief wie das Meer
Hamburg: Von Hacht Verlag
40 Seiten, 16 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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