Kinderbücher | Britta Teckentrup: Das Ei / Die Feder
Wunderschöne Illustrationen von Federn, Vögeln und Eiern, für die die Autorin dieses Jahr auf der Buchmesse in Bologna ausgezeichnet wurde. Aber vom Text ist GEORG PATZER nicht so überzeugt.
Kiel, Schaft, Hauptachse und Fahne, Äste und Strahlen: Federn sind ein Wunderwerk der Natur – die Fahne besteht aus sehr feinen Strukturen, den Ästen, und die Äste können wiederum mehrere Hundert Strahlen haben, und die haben »winzige Häkchen an ihren Enden, die sich wie ein Klettverschluss mit den benachbarten Häkchen verhaken.« Es gibt Schwungfedern und Schwanzfedern, Daunenfedern und Halbdaunen, Konturfedern, Fadenfedern und Borsten. Sie alle haben ihre eigenen Funktionen, schützen vor Hitze oder Kälte, Trockenheit oder Wasser. Sie steuern den Flug, machen ihn lautlos bei Eulen, superschnell bei Raubvögeln, bewirken, dass manche Vögel in der Luft quasi stehen bleiben, andere tauchen oder schwimmen können. Dass sie überhaupt fliegen können (die meisten jedenfalls: Pinguine und Strauße ja z.B. nicht), haben sie den Federn zu verdanken.
Außerdem gibt es wahre Angeberfedern, mit denen die Männchen die Vogelweibchen bei der Balz bezirzen wie der Pfau, und der männliche Keulenschwingenpipra (Machaeropterus deliciosus) kann mit seinen Federn sogar Musik machen: »Es funktioniert ein bisschen ähnlich wie bei einem Streichinstrument oder beim Zwitschern einer Grille. Er schlägt ganz schnell seine Flügel aneinander und mit einer speziellen Feder streicht er über seine anderen Federn.«
Und auch das Ei ist ein kleines Wunderwerk: Darin kann ein Küken heranwachsen, weil die Schale genau die richtige Härte hat, um es zu schützen, und dünn genug ist, damit es sich herauspicken kann. Sie sind nicht alle weiß oder braun wie die Hühnereier im Supermarkt. Manche sind gesprenkelt, haben Kleckse oder Streifen: Die der Singdrossel sind hellblau mit schwarzen Markierungen, der Wanderdrossel türkis, die des Buchfinks cremefarben mit braunroten Flecken, die Amsel legt blaugrüne Eier, braun gesprenkelt. Manche, z.B. die Eier der Wattvögel, sehen aber auch aus Tarngründen aus wie die Kieselsteine am Strand.
In zwei Büchern zeigt die preisgekrönte Autorin Britta Teckentrup die Wunder der Natur, Federn und Eier. Erzählt im Eierbuch auch ausführlich davon, wie das Innere des Eis aufgebaut ist, und detailliert über Nester – das macht etwa ein Drittel des Buchs aus. Auch die Eierformen kommen nicht zu kurz, vom Froschlaich bis zu Fischeiern. Und in beiden Bänden kommt sie auch ganz kurz auf die Geschichte, Mythologie, Kunst und Religion zu sprechen.
Seltsame Formulierungen
Die Texte sind leider oft ein wenig seltsam, komischerweise ist der Band über Federn aus dem Englischen übersetzt. Teckentrup listet zwar viele, viele Informationen auf, die nicht nur für Jugendliche und Kinder interessant sind. Aber ihre Sprache hat oft keinen Rhythmus, ist abgehackt, es gibt viele Ungenauigkeiten (Grillen etwa zwitschern nicht) und etliche bizarre Formulierungen mit Wiederholungen, die ein sorgfältiger Lektor gestrichen hätte: »Insekteneier können für das menschliche Auge ziemlich fremd aussehen«, gefolgt im übernächsten Satz von »Insekteneier können (…) sein« (zumal: Was kann nicht alles fremd aussehen … und: logischerweise für das Auge). Bei den Eierfarben erwähnt sie auch Streifen – leider fehlt da ein Beispiel.
Im Federnbuch meint sie, dass die Borsten »wahrscheinlich die Augen und das Gesicht« schützen und fügt hinzu: »ein bisschen wie Augenwimpern«. Die schützen das Gesicht allerdings gar nicht. Am Schluss des Buchs erzählt sie die erstaunliche Geschichte von der Falkenfeder auf dem Mond: Da habe nämlich David Scott während der Apollo-15-Mission ein Experiment von Galileo Galilei nachgestellt und die Feder und einen Hammer fallengelassen: »Ohne Anziehungskraft und Luftwiderstand fielen die Feder und der Hammer mit ganz genau derselben Geschwindigkeit und erreichten den Boden vom Mond exakt gleichzeitig.« Mal abgesehen davon, dass es »den Boden des Mondes« heißen muss: Auch der Mond hat eine Anziehungskraft, sie ist nur ein Sechstel schwächer als auf der Erde. (Warum sonst gibt es Ebbe und Flut?) Es geht um die Atmosphäre, die der Mond nicht hat, und damit auch keinen Luftwiderstand, der die Feder aufhalten und ablenken würde.
Glänzende Reiher
Bestechend sind allerdings Teckentrups Illustrationen. Da verschwimmt das Alpenschneehuhn fast vor dem schneestöberigen Hintergrund, die Reiher glänzen beim Federnputzen pastellig, die langen Flügel des Ibis schlagen kräftig und langsam, wie sie es im Text beschreibt. Und auf einer Seite ist ein buntes, tschilpendes Durcheinander von kleinen Vögeln zu sehen, die über einem gelbgoldenen Hintergrund fliegen, fliegen, fliegen … Und überall sind Federn eingestreut, weiße, gelbe, blaue oder das prächtige, mit Augen besetzte Kleid des Pfaus, das sich über die Seite ergießt und fast darüber hinaus.
Auch das Ei-Buch ist fein bebildert: Da hocken die Pinguine mit ihrem fedrigen Bauchlappen schützend und wärmend auf ihrem blass grünlichweißen Ei, da wimmelt der Froschlaich im grünlichblauen Wasser, und die Meeresschildkröten kriechen in aller Eile aus ihren vergrabenen Eiern Richtung Meer.
Für die feinen und phantasievollen Bilder ist Teckentrups Buch ›Das Ei‹ dieses Jahr auf der Internationalen Kinder- und Jugendbuchmesse mit einer lobenden Erwähnung des ›Bologna Ragazzi Award‹ ausgezeichnet worden – zu Recht!
Titelangaben
Britta Teckentrup: Das Ei
(The Egg, 2017) Übersetzt von Kathrin Köller
München: Prestel Verlag 2017
96 S., 19,99 Euro
Sachbuch ab 6 Jahren
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Britta Teckentrup: Die Feder
(Birds and their Feathers, 2018) Übersetzt von Kathrin Köller
München: Prestel Verlag 2018
96 S., 20 Euro
Sachbuch ab 6 Jahren
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