/

Schwarze Kultur

Kulturbuch | Jan Niklas Meier, Monster. Essays

Was sich mit Schwarz schmückt, ist Subkultur, darin ist man sich einig. Der »Knotenpunkt« der sogenannten ›Schwarzen Szene‹, das wären die Grufties, Kultur des Gothic, Gothicka, und sobald einer die schwarze Szene bemüht, Achtung!, da wird’s bedenklich, doch wir beschäftigen uns mit den Essays von Jan Niklas Meier. Von WOLF SENFF

Er konzentriert sich auf einen Ausschnitt: King Kong, Hannibal Lecter, Frankenstein, Werwölfe, Zombies – Gestalten des Anderen, die eine Ästhetik des Ekels transportieren und der menschlichen Zivilisation einen Spiegel vorhalten, damit ein Blick auf die Kehrseite möglich wird. Jan Niklas Meier arbeitet sich sorgfältig durch Historie und Erscheinungsformen der literarischen ›Monster‹ des Edgar Allen Poe bis zu Howard Phillips Lovecraft.

Monströse Untote

Niklas Meier - MonsterÜber unsere Kinoleinwände hingegen flimmern Zombies, die monströsen Untoten, die sich von Menschenfleisch ernähren. Jan Niklas Meier sieht diese Tradition beginnen mit Viktor Halperins ›White Zombie‹ (1932) und zurzeit vertreten durch George A. Romero mit ›Night of the Living Dead‹ (1968), ›Dawn of the Dead‹ (1978) und ›Resort‹ (2015), jeweils inszeniert als eine Abrechnung mit der modernen Gesellschaft, sei es die drohende atomare Katastrophe, das Konsumdenken oder der Umgang mit gesellschaftlichen Minderheiten.

Meier verweist auf Komödien ebenso wie auf Zombie-Trash. Die Eigenständigkeit der Zombie-Figur zeige sich auch darin, dass sie längst auch in Videospielen, Gesellschaftsspielen, Comics auftrete. Darüber hinaus hätten sich ›Zombie Walks‹ etabliert, Großveranstaltungen, deren Teilnehmer als Untote verkleidet durch die Straßen ziehen, in 2010 im australischen Brisbane mit zehntausend Teilnehmern.

Er öffnet ein Fass

Der Bezug zum Fremden oder Monströsen sei kein zeitlich begrenztes Thema, das Ausgrenzen sei als ›Othering‹ etwa im Mittelalter ein Thema für erbitterte Konflikte gewesen, und Jan Niklas Meier erinnert an den prominenten Kirchenvater Augustinus, der seinerseits keinen Zweifel an der Menschlichkeit monströser Figuren – geradezu berühmt wurde der ›Elefantenmensch‹ – habe aufkommen lassen, da sie Teil von Gottes Werk seien. Auch das Anderssein sei Teil menschlicher Zivilisation.

Jan Niklas Meier tut mit dem Hinweis auf das Mittelalter ein Fass auf, denn die Verbindung zu den Grufties, der Gothic-Kultur ist unübersehbar, und die Gothic Novel ist ja nichts anderes als der Schauerroman, der uns mit Ungeheuern und Monstern versorgt.

›Schwarze Romantik‹

Es gibt wenig Verlässliches, was Auskunft über Tragweite und gesellschaftliches Gewicht der schwarzen Szene Auskunft gibt. Wir wissen von Leipzig als dem jeweils zu Pfingsten bedeutenden internationalen Wallfahrtsort der ›Grufties‹ oder ›Goths‹, wir kennen die hochgerühmte ›Heavy Metal Town‹ Wacken, deren Plätze mittlerweile ein Jahr vor dem Termin der ›Wacken Open Air‹ – wo 2013 ›Rammstein‹ auftraten und 2016 ›Iron Maiden‹ – komplett ausverkauft sind.

Kultur- wie Literaturwissenschaftler sind bemüht, die ›Schwarze Romantik‹ neu zu gewichten und Traditionslinien zu knüpfen, die vielleicht Anknüpfungspunkte erschließen, die die Verbreitung der schwarzen Szene in der Jugendkultur erklären. Darüber hinaus ist Schwarz politisch symbolträchtig als die Farbe der Anarchie bekannt, und selbstverständlich wären auch hier Zusammenhänge zu untersuchen und zu beschreiben. Die Texte von Jan Niklas Meier sind vernünftigerweise auf einen
Ausschnitt begrenzt.

| WOLF SENFF

Titelangaben
Jan Niklas Meier: Monster. Essays
Norderstedt: scius verlag, 2017
141 Seiten, 9,99 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Weitere Aufklärung notwendig

Nächster Artikel

In Praise Of Minor Forms: New Single Reviews

Weitere Artikel der Kategorie »Kulturbuch«

Zurückgezogenheit im Rausch

Gesellschaft | Leslie Jamison: Die Klarheit Man kennt die Geschichten über Sucht, bevor man sie ganz gehört hat, denn sie ähneln sich erschreckend. Leslie Jamison, die selbst jahrelang mit dem Verlangen nach Alkohol kämpfte, wagt sich an die Genesung und Heilung als spannende, lebensbejahende, befreiende Alternative. Von MONA KAMPE

Von Anfang bis heute

Kulturbuch | Klaus Schikowski: Der Comic. Geschichte, Stile, Künstler Ein kundiger und launiger Streifzug durch die Comic-Historie: Klaus Schikowskis kulturgeschichtlicher Abriss ›Der Comic‹ verdichtet knapp, aber umfassend ein grundlegendes Wissen über Geschichte, Stile, Künstler des Mediums. Von CHRISTIAN NEUBERT

Kein Abgesang

Kulturbuch | Wolfgang Sandner: Keith Jarrett. Eine Biographie Es klingt oftmals nach verfrühtem Abgesang, wenn bereits zu Lebzeiten eines Genies dessen Biographie verfasst wird. Dass Wolfgang Sandners ›Keith Jarrett. Eine Biographie‹ dieses Schicksal nicht teilt, liegt vor allem am Universalkünstler Jarrett selbst. Jedem Kenner ist klar, dass Sandners Biographie ein Resümee eines Schaffenszeitraums sein muss, dem gewiss ein weiterer folgen wird. Für Liebhaber und Neuzugänge wird das Werk eines Künstlers ausgebreitet, der wie kein anderer den Jazz der letzten Jahrzehnte geprägt hat. VIOLA STOCKER ist zutiefst beeindruckt.

Paläste für Arbeiter, sozialistische Musterstädte

Kulturbuch | Tilo Köhler: »Seht wie wir gewachsen sind« Nach Josef Stalin wurden in den Jahren nach 1945 im sowjetischen Einflussbereich zahlreiche Objekte benannt, Straßen und Plätze, Fabriken und ganze Städte – nur die Umbenennung von Bergen blieb der UdSSR selbst vorbehalten (und Kanada). Der Name Stalins kann also durchaus für die ersten Jahre des sozialistischen Aufbaus in Ost-Europa stehen, bevor nach 1956 »der weise Führer des Weltproletariats« langsam aus dem öffentlichen Gedächtnis getilgt wurde. So kurios man das heute finden mag, Tilo Köhler hat seine Kulturgeschichte der frühen DDR ›Seht wie wir gewachsen sind‹ nicht ohne Grund an solchen

Bilder aus einem fernen Land

Kulturbuch | Graetz / Teubert: Stadt, Land, Leben. Fotografien aus der DDR 1967-1992 »Land der Knipser« hat man die DDR manchmal genannt. Das ist richtig, wenn man die Verbreitung des Hobbys Fotografie anschaut. Ganz anders als in der BRD – die ja nicht weniger ein »Land der Knipser« war – scheint sich aber sogar die vergangene ostdeutsche Realität überhaupt erst aus privaten Schnappschüssen zu erschließen, fernab von langweiligen, inszenierten offiziellen Aufnahmen. Jürgen Graetz, dessen Bildern Stadt, Land, Leben gewidmet ist, ist ein besonderer Fall, ein offizieller Fotograf auf Abwegen. Von PETER BLASTENBREI