Kulturbuch | Klaus Schikowski: Der Comic. Geschichte, Stile, Künstler
Ein kundiger und launiger Streifzug durch die Comic-Historie: Klaus Schikowskis kulturgeschichtlicher Abriss ›Der Comic‹ verdichtet knapp, aber umfassend ein grundlegendes Wissen über Geschichte, Stile, Künstler des Mediums. Von CHRISTIAN NEUBERT
Wer sich nicht und oder nicht viel mit Comics beschäftigt, dürfte es trotzdem aufgeschnappt haben: Der Comic ist hierzulande im Feuilleton angekommen und somit offenkundig kulturell relevant. Hurra! Wer sich jedoch näher mit Comics auseinandersetzt, weiß auch: Dass der Comic im Feuilleton angekommen ist, muss scheinbar zwanghaft betont werden. Nur dann umgeht man wohl den Verdacht, man würde sich mit Trivialem, Billigem beschäftigen. Dabei führen heute selbst alteingesessene Verlagshäuser wie Suhrkamp und Reclam Comics in ihrem Programm; letzteres brachte bereits 1994 e.o. plauens ›Vater und Sohn‹ heraus: Als sogenannte Bildgeschichten, der Rubrik Deutsche Literatur: Jahrhundertwende bis 1945 zugeordnet. Das letzte Quäntchen Scham, das den Umgang mit Comics oft kennzeichnet, hat man noch nicht zur Gänze abgelegt…
Entsprechend liest man nun den Satz »Comics haben sich längst zur ernstzunehmenden Gattung gemausert« auf dem Klappentext von Klaus Schikowskis Buch Der Comic. Der bei Reclam erschienene Band ist eine Kulturgeschichte des Comics, sein Untertitel lautet Geschichte, Stile, Künstler. Auch Schikowski greift den Umstand auf, dass Comics nun mediale Aufmerksamkeit erfahren – sein Vorwort beginnt gleich mit den Wellen, die die Veröffentlichung des neuen ›Asterix‹-Bandes schlug. Als Experte folgert er anhand dieses Paradebeispiels allerdings gleich, dass eine Auseinandersetzung mit dem Medium Comic heute meist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist: »Anscheinend wird hierzulande das Bild des Mediums Comic von den populären Reihen geprägt, und man setzt sich nur wenig differenziert, wenn überhaupt, mit der Gegenwart auseinander.« Da hat er Recht.
Alles auf Anfang
Um die Gegenwart zu verstehen, muss man natürlich auf die Vergangenheit blicken. Schikowski weiß allerdings von der Schwierigkeit einer Comic-Kulturgeschichte, da nicht nur über seine Anfangstage, sondern auch über eine Definition des Mediums Uneinigkeit herrscht. Er umgeht diese Klippen, indem er den Comic schlicht zur gezeichneten Geschichte erklärt und seinen Ursprung auf den Sonntagsseiten amerikanischer Tageszeitungen verortet – ein Ansatz, der in diesem geschichtlichen Abriss völlig klar geht; wer eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen Fragen wünscht, wird an anderen Stellen fündig.
Anhand dieser zeitlich-räumlichen Festlegung schreitet Schikowski kühn, kundig und launig durch gut 120 Jahre Comic-Geschichte. Erst handelt er den Comic in den USA inklusive Augenmerke auf Funny-Kultur, Disney und großzügigem Fokus auf 70 Jahre Superheldentum ab, dann wendet er sich dem frankobelgischen Comic mit seiner Magazin-Kultur zu. Darauf folgen Kapitel, die den Comic in Deutschland, den japanischen Manga und die Anfangstage autobiographischen Erzählens in den Underground Comix vorstellen. Der sogenannten Graphic Novel widmet er ein eigenes, umfangreiches Kapitel, ebenso aktuellen Comic-Experimenten.
Zurück in die Zukunft
Den krönenden Abschluss findet Schikowskis knapper, aber fundierter Streifzug durch die Comic-Geschichte in seinen letzten Kapiteln. Indem er auf den Comic im 21. Jahrhundert blickt, stellt er treffend heraus, dass das Comic-Geschäft heute vorwiegend ein Geschäft mit Nostalgie ist – obwohl sich das Medium längst von allen formalen und Sachzwängen befreien konnte und ungeahnte Blüten treibt.
Titelangaben
Klaus Schikowski: Der Comic. Geschichte, Stile, Künstler
Stuttgart: Reclam 2014
293 Seiten. 22,95 Euro