Menschen | Zum Tod des Komponisten Dieter Schnebel
Der Komponist und Musikwissenschaftler Dieter Schnebel lebte von 1930 bis 2018. Bis 1930 lebte Wladimir Wladimirowitsch Majakowski. ›Majakowskis Tod‹ heißt eine Oper von Dieter Schnebel, die 2006 in München im Staatstheater am Gärtnerplatz inszeniert wurde. Von TINA KAROLINA STAUNER
Zum Opernbesuch gibt es von mir eine kurze Notiz zum Unterschied der Leipziger Uraufführung und Inszenierung von Achim Freyer, die ich in den 1990er Jahren besucht hatte, zur Produktion des Stücks in München in Regie von Florentine Klepper mit Bühnenbild von Chalune Seiberth und unter musikalischer Leitung von Ekkehard Klemm:
Leipzig schrieb: »Wladimir Majakowski, 1893 in Georgien geboren, beendete sein Leben 1930 in Moskau durch einen Pistolenschuß ins Herz…«
München schreibt: »Wladimir Majakowski, geb. 1893, Futurist, Zeichner, Dichter und ‚Trommler der Revolution‘, starb am 14. April 1930. Warum er sich umbrachte, oder ob er überhaupt freiwillig aus dem Leben schied, angesichts der Herrschaft Stalins – darauf gibt das gut einstündige Opernfragment von Dieter Schnebel keine eindeutigen Antworten…«
In Leipzig wurde die Oper mit dem vierten Teil ›Totentanz‹ aufgeführt. Der mir besonders stark in Erinnerung blieb. Und war da nicht die pinkfarbene Tänzerin, die nach der Tänzerfigur des Todes kam?
In München ist der ›Totentanz‹ nicht mit auf der Bühne. Das Stück endet nach drei Teilen mit einem ganz kurzen Nachspiel und einer schwarzen Fläche. In diesem Moment sind für mich der Schluss und der Blick ins Schwarze ohne den ›Totentanz‹ irritierend abrupt. Im Programmheft auf der letzten Seite eine Abbildung von ›Schwarzes Quadrat‹ (1929) von Kasimir Malewitsch. Auf der Heftrückseite sind dann noch die Abschlussworte von ›Totentanz‹ abgedruckt: »entschlafen ich – schlafen wir – Schlaf alle«.
Für den Kulturgeschichtsforscher und Theologen Dieter Schnebel stammte aus Tradition auch futuristische Perspektive mit wissenschaftlichen Experimenten und Versuchsanordnungen, avantgardistischen Musikperformances und Worten als philosophische Tiefendimension. Er war Nachkriegsavantgarde und experimentelle Vokalmusik gehörte ebenso zu seinem Oeuvre wie Sakralmusik und Oper.
»Indem nun Zeit zum Augenblick wird, verwandelt sie sich in Raum. Jedes räumliche Gebilde, jede räumliche Distanz ist eine zeitliche, eine Zeiteinheit, in der die Zeit erstarrt.« Mit diesen Worten von Schnebel werden die aktuellen Konzerte angekündigt. Eine Vertonung des Schlussmonologs aus James Joyces ›Ulysses‹ und sein Projekt einer Einheit von Tradition und Avantgarde und Vergangenes in Richtung Gegenwart zu dynamisieren ›Wagner-Idyll‹.
Titelangaben
›Yes, I Will, Yes!‹, 26. Mai 2018, Elbphilharmonie Hamburg, Kleiner Saal
›‹Wagner-Idyll‹, 2. Juni 2018, Würzburg Dom