Comic | Paolo Bacilieri: Fun
Paolo Bacilieris Comic ›Fun‹ spürt der Geschichte des Kreuzworträtsels nach, findet Bezüge zu seinem eigenen Medium und möchte parallel zu seinem waagrecht-schrägen Themenfüllhorn einen Mord aufklären. Wie bei einem Kreuzworträtsel läuft in dem Comic dies alles in einem Neben-und Untereinander. Läuft man da bis zum Ende gerne mit? Reicht der Spaß an »Fun« über seine Lektüre hinaus? CHRISTIAN NEUBERT verrät es.
»15 Buchstaben: Rätseldauerbrenner, erschien 1913 erstmals in der Zeitung New York World?«
Kreuzworträtsel
»5 Buchstaben: Vertreter der neunten Kunst, erschien in ebendieser Zeitung erstmals 1895?«
Comic
»3 Buchstaben: Comic, der dem Kreuzworträtsel nachspürt und sich verrätselt, während er es mit seiner eigenen Kunstform thematisch verquickt?«
Fun
Alles senkrecht? ›Fun‹ von Paolo Bacilieri steht auf Kreuzworträtsel. Der bei ›Avant‹ erschienene Comic findet sie in New Work, wo sie 1913 in den waagerecht und senkrecht emporschießenden Hochhausfassaden entstehen, in den optisch umrissenen Gitterformen der Skylines und Straßenschluchten. Von dort aus spürt Pippo Quester ihnen nach, ein fiktiver Romanautor, der locker als Umberto-Eco-Stellvertreter durchgeht. Unterstützung findet er in Zeno Porno. Der ist ein großer Bewunderer Questers – und hat als Comicautor natürlich reichlich Zeit, für ihn mal eben durch die Welt zu jetten.
Die assoziative Kreuzworträtselchronik macht zunächst viel Spaß in ihrer spielerischen Sprunghaftigkeit, wie es eben auch ihr Titel verspricht.
Die beiden finden dabei allerlei Kurioses. Ihr zutage gefördertes Kulturgeschichtenkonvolut weiß von visionären Kreuzworträtselredakteuren zu berichten, von wahrer Kreuzworträtselmanie und dem Kreuzworträtsel als Ware. Die Relevanz des Kreuzworträtsels zementieren sie anhand seiner gesellschaftlichen Wirkmacht: Als Truman Capote einst ein Kreuzworträtsel, in dem er vorkam, aus Zeitungen ausschnitt, um es mit seinen Freunden zu teilen, gab es garantiert viele Likes. Weniger gut kam allerdings Kreuzworträtselautor Leonard Sidney Dawe an – ausgerechnet beim Militärgeheimdienst, der ihn für einen Hochverräter hielt: Hat er per Kreuzworträtsel militärische Code-Wörter für die Landung in der Normandie anno 1944 preisgegeben?
Ungeahntes Potential
Ein plötzlicher Attentatsversuch auf Pippo Quester mit einer selbst gebauten Pistole wirft neben den schicksalhaften Ereignissen der Kreuzworträtselhistorie weitere Rätsel auf. In ›Fun‹ stecken Rätsel hinter den Rätseln. Ihre Fragen stellen sie in den einzelnen Kästchen, die zusammen das große Ganze ergeben. Was das ist? Das fragenumwobene Gitternetz eines Kreuzworträtsels etwa?
Kreuzworträtselkästchen füllt man aus, indem man seinen Blick über die Seite schweifen lässt, hier und da Rätsel löst, wodurch sich einem mehr und mehr Antworten erschließen – bis man das Rätsel in seiner Gesamtheit knackt. So inszeniert sich auch ›Fun‹.
Das klingt nach einem Kunstgriff. So richtig knacken will der allerdings nicht. ›Fun‹ macht viele thematische Kisten auf in seinen vorwiegend schwarz-weißen Kästchen. Die Bezüge, Verweise und Assoziationen verlieren sich allerdings eher in zeitgeschichtliche Illustrationen, die in den waag- und senkrechten Bilderreihen optische Akzente setzen, als dass sie zur Erhellung der Story beitragen – und eventuell auch dorthin das Licht bringen, wo das Kreuzworträtseln dunkel und leer bleibt: In seinen schwarzen Kästen.
Verschwendetes Potential?
Comics, in deren schwarzen Kästen sich Welten erschließen: Die gibt es. ›Fun‹ gehört nicht zu ihnen. Die assoziative Kreuzworträtselchronik macht zunächst viel Spaß in ihrer spielerischen Sprunghaftigkeit, wie es eben auch ihr Titel verspricht. Sie verliert sich allerdings zunehmend im Beliebigen, Willkürlichen, weit Hergeholten. Schade.
Gerade die ersten Seiten des Comics vermitteln noch mit Spannung das Gefühl, sie würden etwas Raffinierteres und Tiefgründigeres zwischen den naturalistischen Bildern und fein gezogenen Linien und Kästchen bergen. Etwas, das vielleicht so etwas wie ein Kreuzwortkrimicomicrätsel hätte sein können. Man meint fast, hier wurde eine große Chance vertan.
Titelangaben
Paolo Bacilieri: Fun
Aus dem Italienischen von Benjamin Clay
Berlin: Avant Verlag 2018
296 Seiten. 30 Euro
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