Comic | Internationaler Comic Salon Erlangen 2014: Geschichte des Max und Moritz-Preises
Seit 1984 wird alle zwei Jahre auf dem Comic Salon in Erlangen der Max und Moritz-Preis verliehen. CHRISTOPHER FRANZ blickt zurück auf einige der Preisträger, Anekdoten und Skandale der letzten 30 Jahre und 15 oder 16 – so genau weiß man das nicht – Preisverleihungen.
Eine Preisverleihung hat immer einen nicht zu unterschätzenden Werbeeffekt. Nicht nur für die geehrten Werke und Personen, sondern auch für den Verleiher oder Stifter eines Preises sowie die Veranstaltung, auf der er vergeben wird. Dass auch auf dem erstmals 1984 stattfindenden Comic Salon eine derartige Ehrung vorgenommen werden sollte, gehört da schon zum guten Ton. Nicht zuletzt hat es aber auch mit Legitimation und Daseinsberechtigung gegenüber den Geldgebern zu tun, hier: der öffentlichen Hand.Im Vordergrund steht natürlich eine gute Absicht: Beim Max und Moritz-Preis ist es die Würdigung der Arbeit herausragender Künstler, die Bestärkung verdienstvoller Verlagsarbeit und die Intensivierung der Auseinandersetzung mit grafischer Literatur, wie Comics mittlerweile genannt werden. Als Stifter der von der Stadt Erlangen verliehenen Ehrung tritt seit 1984 das Unternehmen Bulls Pressedienst in Erscheinung, das unter anderem Comicstrips in seinem Angebot hat.
Die Namensgebung des Preises, und damit die Würdigung Wilhelm Buschs, einem der Ahnherren des Comics, scheinen dabei naheliegend. Sie war jedoch nicht die erste Wahl der Initiatoren. Namen wie Fliegender Robert oder Struwwelpeter waren ebenso im Gespräch. Die Preisträger werden durch eine mehrköpfige, in der personellen Zusammensetzung variierende Jury gewählt. Neben einem Vertreter des Preisstifters und der Stadt Erlangen besteht diese aus Comic-Fachmännern und zumindest seit 1996 auch einer Fachfrau. Ihre Entscheidung treffen sie aus einer Liste von Nominierungen, deren Grundlage die Einsendungen der Verlage bildet. Zugelassen sind alle Veröffentlichungen der vergangenen zwei Jahre.
Neben einer Urkunde und dem Max und Moritz-Taler erhält jeder Preisträger ebenso das heißbegehrte Max und Moritz-Brot. Mit einer Preissumme war lange Jahre nur der Preis für den Besten deutschen Comic-Künstler dotiert.
Im Laufe der Zeit hat sich der Max und Moritz-Preis zu der bedeutendsten im deutschen Sprachraum vergebenen Comic-Auszeichnung entwickelt. Deshalb wird er gerne auch als der deutsche »Comic-Oscar« bezeichnet, was zwar seinem Anspruch an Publizität und Wirkung gerecht wird, nicht jedoch seinem künstlerischen Stellenwert. Die Tageszeitung ›Die Welt‹ nannte ihn da schon mal passender »Büchner-Preis der Comic-Szene«. Das versteht dann halt nur nicht jeder.
In diesem kurzen Streifzug durch die Geschichte des Max und Moritz-Preises, der bei Weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Objektivität erheben möchte – immerhin gibt es schon weit über 100 Preisträger – sollen ein paar Höhepunkte der letzten 30 Jahre genannt werden. Dabei spielt die Chronologie, obwohl es die Zwischenüberschriften vermuten lassen, nur eine untergeordnete Rolle.
1984-1992: Preise für den StifterDie Preisverleihung fand 1984 noch nicht im barocken Markgrafentheater der Hugenottenstadt, wo sie seit 1986 ihre feste und würdige Heimstätte gefunden hat (mit Ausnahme 1990, damals im Kulturzentrum E-Werk). Sie wurde vor den Toren Erlangens auf dem fränkischen Barockschlösschen Atzelsberg ausgetragen. Im Programmheft war die Veranstaltung mit dem wenig netten Vermerk »Nur für geladene Gäste« versehen. Nominierungen gab es keine, vielmehr wurden die Geehrten schon im Vorfeld bekannt gegeben. Die Preisträger in den damals drei Kategorien waren Dik Browne für seinen Comicstrip ›Hägar‹, Chris Scheuer als bester deutschsprachiger Comic-Künstler und die Edition ComicArt des Carlsen Verlages in der Kategorie beste deutschsprachige Comic-Publikation.
Somit wurde schon bei der ersten Verleihung die Tradition begründet, dass sich die Jury in dieser Kategorie nicht auf einen spezifischen Comic als Preisträger festlegen konnte. 1986 und 1990 gab es jeweils vier Gewinner. In der diesbezüglichen Pressemitteilung wurde als Begründung angeführt, dass damit »nicht zuletzt auch die Bandbreite heutiger Comic-Produktionen« gewürdigt werden sollte. 1992 und 1994 waren es sogar jeweils fünf. Abhilfe wurde erst 1996 geschaffen, indem man diese Kategorie in mehrere Unterkategorien, wie Eigenproduktion oder Comic für Kinder aufdröselte. In der Unterkategorie Lizenzproduktion gab es dann aber doch gleich wieder zwei Gewinner.
Der Max und Moritz-Preis, so beschrieb es ein Comic-Journalist, der 1990 bis 1993 selbst Jurymitglied war, »polarisierte von Anfang an, nie waren die Entscheidungen unumstritten. Allerdings setzt der Preis zumeist Qualitätsmaßstäbe und war ein Bollwerk wider die Diktatur des Marktes und den Terror der Ökonomie.« 1988 gewann zum Beispiel mit Franziska Becker relativ früh für eine derart von Männern dominierte Szene eine Frau den Preis für den besten deutschsprachigen Comic-Künstler und eben nicht ein Zeichner, wie zum Beispiel Brösel, der mit seinem Werner außerordentliche Popularität genoss – er war nicht mal nominiert.Ansonsten bleibt die Preisvergabe auf dem 3. Comic Salon nicht zuletzt aufgrund einer anschließenden breiten Debatte in der Comic-Fachpresse – in der Zeitschrift ›Comic Forum‹ war von einer »hochnotpeinlichen« Preisvergabe zu lesen – in schlechter Erinnerung. Den Vogel abgeschossen hat aber das Jurymitglied Achim Schnurrer, der in einer Kolumne im Magazin ›U-Comix‹ harsche Kritik an den Entscheidungen übte. Die wiederholte Verleihung des Comic-Strip-Preises an einen durch den Stifter vertriebenen Comic hatte natürlich einen schalen Beigeschmack, besonders wenn man weiß, dass die Jury den Preis viel lieber dem nicht durch Bulls vertriebenen Strip ›Calvin & Hobbes‹ von Bill Waterson gegeben hätte und davon nur Abstand nahm, weil er noch nicht in Deutschland erschienen war (1990 wurde die Vergabe nachgeholt). Dass aber der Preisträger in der Kategorie Beste deutschsprachige Comic-Publikation, Cosey mit ›Auf der Suche nach Peter Pan‹, nicht würdig wäre, da dessen Verleger ebenfalls Mitglied in der Jury war und der Preis somit in zwei von drei Fällen »von der rechten in die linke Hosentasche geschoben wurde«, ist weit übertrieben. Für alle Seiten ist jedoch erfreulich, dass Schnurrer nicht seinen Gelüsten nachgegangen ist und – sagen wir es diplomatisch – seinen Darm von der Empore des Theaters auf die Bühne entleert hat.
Angesprochen werden sollte aber dennoch die zumindest in den ersten Jahren problematische Zusammenstellung der Nominierungslisten. Die Grundlagen hierfür bildeten und bilden noch heute die Einsendungen der Verlage und Fachleute. Freilich ist hier die Eigennennung möglich, Auswüchse wie die Bewerbung quasi der kompletten Produktion wirft jedoch kein gutes Licht auf das Denken der Verleger. Heute wird da, so scheint es, zum Glück mehr Zurückhaltung geübt.
1990 wurde zum ersten Mal ein Spezialpreis der Jury vergeben. Ihn erhielt Art Spiegelman für seine mittlerweile zu einem Klassiker des Mediums gewordene autobiografische Holocaust-Tragödie ›Maus‹. In seiner Dankesrede, die von den Anwesenden als »harter Vortrag« empfunden wurde, und die wohl als die beste in der Geschichte des Salons eingehen wird, beschrieb Spiegelman sein Unbehagen, als »Maus« (Jude) einen Preis von lauter »Katzen« (Deutschen) verliehen zu bekommen. Sinngemäß fährt er fort, sein Vater hätte nie einen Preis von den Deutschen bekommen, ja nicht einmal ein Stück Brot in Form von Max und Moritz oder sonst wie. Ferner hätte sein Vater ihm verboten deutsche Produkte zu kaufen, woran er sich aber nicht hielt und jahrelang mit einem deutschen Rotring gezeichnet hätte. Heute wisse er aber, dass sein Vater recht gehabt hatte: Mit Rotring gezeichnete Comics seien unpersönlich und kühl. Daher zeichne er jetzt nur mehr mit einer Feder – von Pelikan.
1993(4)-2002: Der vergessene Preis
Wohl die skurrilste Geschichte ist die der Preisverleihung des Jahres 1993. Nicht zuletzt, da sie in den »offiziellen Annalen« des Comic Salons (gemeint ist seine Internetseite) nicht vorkommt. Schließlich fand 1993 ja auch kein Comic Salon statt, zumindest nicht in Erlangen. In Hamburg jedoch schon. Im hohen Norden versuchte man nämlich eine weitere Comic-Großveranstaltung, die alternierend mit Erlangen stattfinden sollte, zu etablieren. Offensichtlich hatte man mit dieser Idee aber keinen Erfolg. Einen Max und Moritz-Preis gab es aber doch. Gestiftet von Bulls Pressedienst und gewählt von der Jury, die auch den Erlanger Preis bestimmt. Zumindest bis 1996 zählte man die Hamburger Verleihung noch zum Kanon, danach wurde sie, ohne dass ein Grund offensichtlich wäre, nicht mehr erwähnt. Aus heutiger Sicht scheint das eine Marginalie zu sein. Ärgerlich, wenn nicht sogar unverschämt ist dies aber für die damaligen Preisträger, zu denen neben Walter Moers, doppelter Preisträger sowohl für die beste Comic-Eigenproduktion (›Es ist ein Arschloch, Maria!‹) als auch als Comic-Künstler, auch Lorenzo Mattotti und, für sein Lebenswerk geehrt, Carl Barks zählen.
1994 erhielt Eckart Sackmann den Spezialpreis der Jury für seinen Ausstellungskatalog ›Mecki – Einer für alle‹. Sackmann, der sich um den Comic in Deutschland in hohem Maße verdient gemacht hat und durchaus als streitbare Verleger und Forscher gilt, berichtet in der zum 25jährigen Bestehen seines Verlags comicplus+ erschienenen Chronik, dass das damals noch im Anschluss an die Preisverleihung aufgetragene Buffet für Vegetarier wenig ergiebig war (sogar der Kartoffelsalat war – wie in Franken üblich – mit Speck). Aus seiner bei der Dankesrede geäußerten Mitteilung, dass der frühere ›Mecki‹-Zeichner Reinhold Escher wenige Wochen vor dem Salon gestorben war, dichtete eine Erlanger Regionalzeitung, Sackmann selbst wäre verstorben. Er erfreut sich noch heute bester Gesundheit.Gerade der Spezialpreis ist dafür bekannt, überraschende und ungewöhnliche Träger zu generieren. Neben Spiegelman und Sackmann wurde er unter anderem an den langjährigen Erlanger Bürgermeister und Förderer des Comic Salons Dietmar Hahlweg (1996) wie auch an den Mitgründer und Leiter desselbigen, Karl Manfred Fischer (2002), verliehen. Neben außergewöhnlichen und sich einer Einteilung in Kategorien entziehenden Werken wurden auch besondere Leistungen prämiert. Diese hatten einen relativ langen Preistext zur Folge, wie beispielsweise 2006 »Ralf König für seine künstlerische Stellungnahme im Streit um die Mohammed-Karikaturen« oder 2012 »Rossi Schreiber für ihre Pionierarbeit und ein großes Abenteuer als Comic-Verlegerin«.
Einen mittelgroßen Eklat gab es 1998, als während der Preis-Gala mitgeteilt wurde, dass die Jury keines der vier in der Kategorie Sekundärliteratur nominierten Werke, darunter Bücher von Andreas C. Knigge und Eckart Sackmann, als preiswürdig erachtete und deshalb auf eine Prämierung verzichten würde. Das war natürlich nicht nur für die Jury, sondern besonders für die derart Bloßgestellten äußerst blamabel und hinterließ einen schlechten Schein auf die restliche Leistung des Auswahlgremiums. Die Preisvergabe für ein herausragendes Lebenswerk an Robert Crumb geht jedoch völlig in Ordnung.
2004-2012: Die Macht des Publikums
Sowohl der Salon wie auch die Preisverleihung standen ganz im Zeichen von ›Asterix und Obelix‹. Immerhin war der überlebende Teil des Schöpferduos, Albert Uderzo, Stargast und erhielt den Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk. Deshalb war auch die Bühne des Markgrafentheaters als Asterix-Festbankett hergerichtet, allerdings ohne dass – soweit bekannt – ein Laudator gefesselt und im Bühnenhaus aufgeknüpft wurde. Den Preis in der Kategorie, die in diesem Jahr Bester auf Deutsch erschienener Comic-Strip genannt wurde, erhielt Volker Reiche für seinen in der FAZ erschienenen ›Strizz‹. In seiner Dankesrede – nach Meinung der Anwesenden eine der besten der Galageschichte – nahm er nicht nur sich, sondern auch die Jury aufs Korn und vermeldete, sich den Preis für sein Lebenswerk erst mit 80 Jahren 2024 abzuholen. Tatsächlich durfte er sich schon 2006, in seinem 62. Lebensjahr, über den Preis als bester deutschsprachiger Comic-Künstler freuen.
Im gleichen Jahr wurde erstmals ein Preis für den besten Manga vergeben, der aber nach einer weiteren Verleihung zwei Jahre später wieder abgeschafft wurde. So waren die einzigen beiden Ausgezeichneten in dieser Kategorie Keiji Nakazawa mit seiner autobiografischen Geschichte ›Barfuß durch Hiroshima‹ und Jiro Taniguchi für ›Vertraute Fremde‹. Der Comic-Salon und die Max und Moritz-Preis-Jury tun sich eben schwer mit den Comics aus Fernost. Nicht, dass sie es nicht versucht hätten, Mangas in das Programm einzubinden, doch zumindest in den ersten Jahren des Manga-Booms fehlte den Unternehmungen die nötige Bereitschaft, Mangas und Manga-Leser auf gleicher Ebene wie dem europäischen Comic zu begegnen. Das eine führte zum anderen und mittlerweile ist Erlangen nicht mehr der erste Anlaufpunkt für die deutsche Manga-Szene. Durch das in den letzten Jahren vermehrte Erscheinen von Comics deutscher Zeichner im Stile der Mangas und der Professionalisierung dieser Zeichner(innen)szene besteht aber die Möglichkeit, verpasste Chancen wieder gut zu machen und ein Werk aus diesem Bereich auszuzeichnen. Sofern die Qualität stimmt.2008 wurde die Preisverleihung vom angestammten Samstagstermin um einen Tag auf Freitag vorverlegt. Diese längst überfällige und von allen Seiten begrüßte Maßnahme ermöglicht es den Preisträgern, sich einen Tag länger feiern zu lassen, und den Verlegern, mit den Auszeichnungen zu werben. Natürlich funktioniert das nur, wenn man als Preisträger auch anwesend ist, was im Falle des für sein Lebenswerk prämierten, aber äußerst öffentlichkeitsscheuen Alan Moore – wie zu erwarten war – eben nicht der Fall war.
2010 wurde der seit Langem geäußerten Forderung nach der Einführung eines Max und Moritz-Publikumspreises Folge geleistet. Jedoch tat man sich mit den Modalitäten, die zur Findung des Preises aufgestellt werden mussten, nicht gerade leicht. Die Möglichkeit, aus allen in Deutschland veröffentlichten Comics denjenigen zu prämieren, der durch das Publikum am häufigsten genannt wurde, scheint wenig praktikabel. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in regelmäßigem Wechsel nur Donald Duck und Asterix den Preis teilen würden, war einfach zu groß. Die Wahlmöglichkeit des Publikums aber nur auf die Liste, der schon vorab von der Jury festgelegten Nominierten zu begrenzen, ist ebenso unpraktikabel (obwohl 2010 so praktiziert): Den Liebling des deutschen Comic-Publikums auf diese Weise zu finden, geht einfach an der Realität vorbei. Nach einigem Hin und Her gibt es nun ein mehrstufiges, im Internet stattfindendes Auswahlverfahren, das sich über einige Monate erstreckt. Den Querelen um den Publikumspreis zum Trotz durften sich die bisherigen zwei Gewinnerinnen, 2010 Ulli Lust für ›Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens‹ und 2012 Daniela Winkler mit ›Grablicht‹, über die große Unterstützung durch ihre Fans gefreut haben.
2014 wird der Max und Moritz-Preis am 20. Juni in insgesamt neun Kategorien vergeben. Den Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk erhält der schon mehrfach geehrte Ralf König. Über ihn wie auch die übrigen Gewinner folgt ein Bericht in der Woche nach dem Salon.
| CHRISTOPHER FRANZ
Einige Comics haben aber einfach schlicht weg einen Platz in der eigenen Hall of Fame verdient.
Für mich ganz klar: The Walking Dead
:D
Also ich finde die Idee gut.
Danke für den Artikel.Weiter so!
Gruß, Anita