Bühne | Comedy: Cavequeen
Sven wacht nach seiner eigenen Geburtstagsfeier ziemlich verwirrt im Vorgarten auf – splitternackt. Quasi fast scheintot. Doch sein eifersüchtiger Freund Bruno lässt ihn lieber in der Kälte zittern, statt ihn ins Haus zu lassen. Geschickt lenkt der Entertainer sein Publikum und erklärt den »in-den-Vorgarten-Gaffern« (Zuschauern) Klischees von Homosexuellen, die – oh Wunder – alle wahrer zu sein scheinen, als man auf den ersten Blick denken könnte. ANNA NOAH staunt über Svens ausdrucksstarke Art, das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
Evolutionärer Witz oder Segen?
Der Filmriss des Vorabends will nicht weichen, Bruno zickt und Svens beste Freundin Heike ist gerade auf megawichtiger Shoppingtour. Da hat sie natürlich absolut keinen Nerv auf Svens Probleme. So wird er gezwungen, einmal mehr darüber nachzudenken, ob schwul sein nun ein evolutionärer Witz ist oder doch mehr einen Segen für die Menschheit darstellt.
Nach dem Studium führte ihn sein Weg auf das Theaterschiff Bremen und ans Bremer Theater am Goetheplatz. Daneben ist er auch immer wieder im Fernsehen und Kino zu sehen.
Er wirkte bei Serien wie ›Alarm für Cobra 11‹ mit und war u. a. in der Thomas Mann-Verfilmung ›Die Buddenbrooks‹ auf der Kinoleinwand zu erleben.
Seit Februar 2015ist Tim Koller landesweit als »Cavequeen« zu sehen.
Dazu muss Sven einem schwulen Urahn aus der Steinzeit begegnen. Perfekt manikürte Fellhände hat sie, die »Cavequeen«! Eine gravierende Erfahrung für den Nackedei im Zeitungsoverall, denn der homosexuelle Höhlenmensch wirft weitere Fragen auf: Gab es Sex unter Männern schon immer? Ist eine schwule Beziehung anders als die der Heteros?
In typischer »Caveqman«-Manier lässt Sven sein Publikum mit viel Charme an seinem Leben teilhaben. Erinnerungen werden wach – zum Beispiel an sein relativ nichtsagend verlaufendes Outing (die Mutter hat es eh schon gewusst), an schräg-steile Erlebnisse in Homo-Bars oder an der Erkenntnis, dass Jesus garantiert Homotendenzen gehabt hat.
Er erklärt außerdem, warum Fußball eigentlich ein homosexuelles Spiel sein müsste – Stichwort Strafstoß – und was eine Sling ist.
Immer Trouble mit den Heteros
Während seiner Bemühungen, Bruno zum Öffnen der Tür zu bewegen, findet der Darsteller Tim Koller – mit wachsender Begeisterung des Publikums – Wege, Fragen auf interessante Art und Weise zu stellen. Wer schon immer mal wissen wollte, ob schwule Soldaten den Weltfrieden sichern könnten oder wieso jeder Homo mindestens eine beste Freundin, die in Fachkreisen nur als Gabi bezeichnet wird, besitzt, der ist in dieser Comedy goldrichtig.
Das Publikum lernt, dass schon damals die »Urschwuppe aus der Ursuppe« als Vermittler zwischen Mann und Frau fungierte sowie auf die Kinder aufpasste, während andere jagten und sammelten. Auch im Tierreich gibt es von jeher gleichgeschlechtliche Liebe. Seien es schwule Pinguine, die gemeinsam Fake-Eier aus Stein ausbrüten oder die Bonobo-Affen, bei denen sämtliche Spannungen im Rudel durch Sex abgebaut werden.
Jeder bekommt sein Fett ab, ob missionierende Sektenanhänger oder der Teufel höchstpersönlich.
Am Ende stellt sich heraus, dass sich zwei Schwule gar nicht mal so sehr von heterosexuellen Paaren unterscheiden. Gemeinsames Autofahren wird auf beiden Seiten schnell zur Generalprobe der Beziehung. Romantik erstickt in Sockenbergen.
Auch sexuelle Vorlieben kommen nicht zu kurz, es wird kein Blatt vor den Mund genommen. Sven spricht locker über anale Penetration, Leder-Outfits und Slings – Liebesschaukeln im Sado/Maso – Bereich.
Peinlich? Könnte man denken. Jedoch nicht für Sven. Gekonnt mixt er prekäre Themen mit den philosophischen Theorien.
Alles Stiletto, oder?
Tim Koller schafft es mit viel Witz, das Publikum zum Lachen zu bringen. Doch der Darsteller kann noch mehr. Ob wehleidiger Vierziger oder ausufernde Mutter, er punktet auf der Bühne mit Mimik und Vielseitigkeit. Die glamourösen Gesangseinlagen zu Gloria Gaynors »I will survive« und »I am what I am« geben zusammen mit den Stilettos dem Image des homosexuellen Svens den letzten Schliff.
Manchmal wirkt der Darsteller übermotiviert – zum Beispiel wenn er das Publikum aktiv ins Geschehen mit einbezieht. So soll sich ein Mann letztendlich sogar zum anderen Ufer bekehren lassen.
Ein paar Überlegungen zu Jesus und seinen Jüngern bewegen sich an der Grenze zur Geschmacklosigkeit. Glücklicherweise ist das eine Ausnahme in einem wirklich lustigen Programm mit trefflich überzogenen Rollenwechseln.
»I am what I am« nimmt der Gast gedanklich mit nach Hause. Und da steckt garantiert eine geheime Botschaft drin.
Alles in allem ist »Cavequeen« ein würdiges Pendant zur bereits vorhandenen »Caveman«-Reihe.
| ANNA NOAH
FOTOS: OLIVER FANTITSCH
Showangaben
Cavewoman (Theater Mogul)
Darsteller: Sven – Tim Koller
Regie: Corny Littmann
Buch: Mirko Bott, Mark Needham und Heiko Wohlgemuth