/

Leidenschaft trifft Coolness

Bühne | Show | Break the Tango

Es hieß zu Beginn, diese Tanzshow bräche alle Regeln. Nach »Flying Bach« und neben »Breaking Salsa« begeistert seit nunmehr zwei Jahren »Break the Tango« als neuartiges Crossover-Konzept das Publikum in Theatern weltweit. Der Siegeszug des Streetdance scheint unaufhaltsam.
ANNA NOAH testet, ob Tango und Breakdance wirklich zusammenpassen.

Tango wird Streetdance-tauglich

Der Tango-Weltmeister und Regisseur German Cornejo will sich anscheinend nicht nur von den üblichen Tangoshow-Formaten lösen, er möchte noch mehr – den Tango unsterblich machen. Das geht jedoch nur, wenn der Tanz zeitgemäß angepasst wird. Und das macht er in dieser Show greifbar. Vorbei sind die Zeiten, als Tango auf den Bällen der argentinischen Oberschicht ein freestyle-freies Dasein fristete. Heute heißt es: Tangovariationen für alle!

Break the Tango

In der einen Minute ist der Zuschauer fasziniert von der Präzision und Leichtigkeit des Tangos von Cornejo und seiner festen Partnerin Gisela Galeassi, in der nächsten Minute gibt es atemberaubende Breakdance-Action. Es ist alles bis aufs Genaueste aufeinander abgestimmt. Vom Macho-Tango-Spielchen über Ballettelemente bis hin zur feurigen Musik der Liveband, die mit dem Stimmvolumen von Gisela Lepio und Luciano Bassi das i-Tüpfelchen des Ensembles darstellen, wird nichts dem Zufall überlassen.
Die Musik wechselt spielend von Tango-Standards über Elektrotango zu Hits von Beyoncé und anderen, die von der Sängerin mit Begeisterung und viel Gefühl gesungen werden.

Akrobatik und Standards

Es gibt keinen roten Faden, Cornejo setzt auf die Wirkung der Tanzchoreografien. Was auffällt, sind einerseits die knappen Damenkostüme, je nach Szene auch mal mit längerem Rock, jedoch immer sexy. Im Gegensatz dazu tragen die Herren Jeans und Turnschuhe. Nicht sonderlich klassisch, aber durch den Streetdance-Einfluss verzeihbar. Fast alle Nummern zeigen trotzdem die ursprünglichen sexuellen Anspielungen des Tangos und unterstreichen diese gewisse Art erotisches Rollenspiel zwischen Mann und Frau.

Das andere Auffällige ist der Tanz selbst. Oftmals wirken die Tangotänzerinnen und Tänzer wie perfekte Computeranimationen. Jede Bewegung sitzt, alles passiert gleichzeitig und rasend schnell. Die Choreographie lässt wenig Zeit für verlängerte emotionale Elemente, was ein bisschen schade ist. Das hohe technische Können der Tänzer sorgt allerdings für viel Aufmerksamkeit im Publikum. In Sekundenbruchteilen gibt es im Tango Hebungen, schnelle Beinarbeit und Akrobatik – in einer Nummer sogar an einem Vertikalseil; im Streetdance wirbeln Körper um die eigene Achse, drehen sich auf dem Kopf und springen auf einem Arm.

Ein bisschen weniger Hektik gibt es nach der Pause. Die großartige Sängerin und der ebenso begabte Gitarrenspieler bekommen ihren eigenen Raum und sofort breitet sich ein besonderes Flair im Theater aus.

Der Elektro-Tango als Symbiose

Diese Show erscheint luxuriös als auch nüchtern. Mit einer eher nackten Bühne wird klar eine Aussage transportiert: Hier geht es um das Tanzen. Es gibt einige Gruppennummern, aber die Duette sind das Herzstück der Show. Jedes Paar erhält die Chance zu glänzen, jedes mit seiner eigenen Persönlichkeit. In der ersten Hälfte wird der ursprünglichen Tango mit dem neuen, sozialen Umfeld verschmolzen. Tänzer versammeln sich in einer provisorischen Bar, sie probieren Moves und flirten mit den Damen. In der zweiten Hälfte dann werden die Nummern noch mal schwungvoller – trotz der eher ruhigen Gesangseinlagen der Sänger.

Der Zuschauer sieht Schritte über Schritte, kleine Vierteldrehungen auf der Stelle, selbst die Kleider der Darsteller scheinen mitzuzittern – all das vereint mit eleganter Anmut.

Trotz des vorgelegten Tempos erscheint immer noch jede Szene harmonisch, vergleichbar mit dem unermüdlichen Ticken einer Uhr.
Beim Stillstand im letzten Bild einer jeden Nummer atmen alle kurz auf. Dann geht es weiter.

Break the tango

Genau so stellt man sich eine Tanzshow vor: mitreißende Tänzer und Talente auf höchstem Niveau. Und durch die ungewöhnliche Kombination der zwei Tanzstile ist »Break the Tango« nicht nur etwas für eingefleischte Tango-Fans.

Es könnte die ganze Nacht so weitergehen.

| ANNA NOAH
FOTOS: René Tanner

Showangaben
Break the Tango (CBZ)

Cast:
Haupttänzer/in
German Cornejo
Gisela Galeassi

Tangotänzer/innen:
Nicolas Schell Noelia Pizzo
Ezequiel Lopez Camila Alegre
Edgar Luizaga Pamela Pucheta
u.a.

Breakdancer:
Bboy Prince Henry – Henry Monsanto
Bboy Jonathan – Jonathan Anzalone
Bboy Hill – Gil Adan Hernandez Candelas
Bboy Issue – Kwangsuk Park
Bboy Cho – Joo Hyosung

Sängerin:
Gisela Lepio

Gitarre/Gesang:
Luciano Bassi
und Band

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Liebe, Verwicklungen und Umwege

Nächster Artikel

Reise ans Ende der Welt

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Wahrer Mut braucht kein Geschlecht

Bühne | Ben Hur im Theater das Zimmer Hamburg Die Drei Weisen kommen mit Gaben, um das Christkind zu beschenken. Sie bringen Gold und Weihrauch. Doch was ist mit dem vierten Darsteller, der auch gerne einer von ihnen wäre? Er nimmt es nicht ganz so ernst mit der Legende und treibt die Regie in den Wahnsinn. Und das ist nicht das einzige Detail, das das Heldenepos auf den Kopf stellt. Von MONA KAMPE

Please no unnecessary drama, baby!

Bühne | Im Porträt: Die Hamburger Regisseurin Denise Stellmann

Die Hamburger Jung-Regisseurin Denise Stellmann ist klein und süß – auf den ersten Blick. Denn sie spricht aus, was viele nicht einmal zu denken wagen. Ein Porträt über ein junges, (bühnen)reifes Leben voller Emotionen jenseits bekannter Künstlerklischees und -attitüden. Denn die Bühnenkunst soll in ihrer Vorstellung vor allem eins: Bewegen. Von MONA KAMPE

»Frühlingserwachen« im Herbst: »Spring Awakening«

Bühne | Spring Awakening

»Wedekind for future« – so ist die Überschrift im Programmheft. Das Stück selbst hat den Titel ›Spring Awakening – Eine Überschreibung von Katharina Stoll und Ensemble nach Frank Wedekind.‹ Im gut besuchten Studio des Badischen Staatstheaters feiert man die Uraufführung. Immer wieder ist zustimmendes oder verhaltenes Gelächter im Publikum zu hören. Das offene Ende lässt, je nach individueller Auffassung, verschiedene Rückschlüsse zu. Von JENNIFER WARZECHA

Spuren menschlicher Interaktion

Bühne | Theater: Mord auf dem Holodeck Eine Gratwanderung zwischen Experimentaltheater, politischer Diskussion und psychologischem Experiment zeigt das Pfefferberg Theater mit »Mord auf dem Holodeck«. Mit neuartiger Bühnentechnik darf das Publikum mit der Kommissarin mitfiebern, ist dabei allerdings schonungslos einem sozialkritischen Gedankenspiel ausgesetzt. Nils Corte und Anja Neumann verraten TITEL, wie die Produktion entstand. ANNA NOAH wünscht sich mehr Film-Noir-Sci-Fi-Crossover.

Weltmeister der Überraschungen

Bühne | Show: The Illusionists »The Illusionists« sind mit ihren neuen Stunts und Zaubertricks mit der »Direct from Broadway« – Show auf Europatour. Um eine Frage kommt man heutzutage nicht herum: »Will das Publikum derlei Shows wirklich noch sehen? Oder sind Magier völlig out?« Es wird immer schwieriger, Menschen von der Bühne herunter zum Staunen zu bringen. Die perfekte Illusion inszeniert sich schwer, wenn man eine Zielgruppe bedenkt, für das digitale Spezialeffekte im Kino oder auf dem heimischen Großbildschirm alltäglich geworden sind. ANNA NOAH prüft die magischen Momente auf Modernitäts-Tauglichkeit.