Bühne | Show: The Illusionists
»The Illusionists« sind mit ihren neuen Stunts und Zaubertricks mit der »Direct from Broadway« – Show auf Europatour. Um eine Frage kommt man heutzutage nicht herum: »Will das Publikum derlei Shows wirklich noch sehen? Oder sind Magier völlig out?« Es wird immer schwieriger, Menschen von der Bühne herunter zum Staunen zu bringen. Die perfekte Illusion inszeniert sich schwer, wenn man eine Zielgruppe bedenkt, für das digitale Spezialeffekte im Kino oder auf dem heimischen Großbildschirm alltäglich geworden sind.
ANNA NOAH prüft die magischen Momente auf Modernitäts-Tauglichkeit.
Großmutter wäre pikiert
»Direct from Broadway« hat mit den Zaubershows früherer Jahrzehnte nichts mehr zu tun.
Es gibt einige klassische Elemente, wie das Zersägen einer Person in zwei Hälften oder das Durchbohren des Magiers mit dem Stoßdegen. Trotzdem ist das Flair anders – und das nicht nur durch den ablenkenden LED-Screen. Die zwei zersägten Körperhälften bewegen sich, als wären sie noch vereint, um nur ein groteskes Beispiel zu nennen.
Ein besonders alter und gewagter Trick ist Houdinis Entfesselungsnummer unter Wasser. Manchmal ist schwer nachzuvollziehen, warum Menschen dabei zusehen, wie andere potenziell schädliche Dinge tun. Houdinis Wasserfoltertrick entsetzt und begeistert gleichermaßen, besonders weil man Andrew Basso ohne Vorhänge sah. Der Besucher musste, genau wie der Künstler, tief durchatmen und dann 2:43 Minuten dabei zusehen, wie er in aller Ruhe Handschellen, Vorhängeschlösser und Fußfesseln mit einer Sicherheitsnadel kopfüber unter Wasser öffnete und sich schließlich befreite.
Besondere Talente
Jeder der Illusionisten hat ein besonderes Talent, diese werden vom Regisseur zusammen mit dem Kreativdirektor maximiert und ins beste Licht gerückt. Den Anfang macht Luis de Matos, der als Moderator fungiert, die anderen Illusionisten vorstellt und natürlich auch eigene Tricks auf Lager hat. Er besitzt jedoch vor allem eine wichtige Fähigkeit: die Menge mit seinem Charme zu verzaubern.
Die folgenden drei Illusionisten dürften nach der Show besonders im Gedächtnis bleiben:
Der Manipulator, Yu Ho-Jin wurde 2014 als aufstrebender Star in der Welt der Magie von der Academy of Magical Arts zum »Magier des Jahres« ernannt und gewann als erster Asiat den Grand Prix der Fédération Internationale des Sociétés Magiques, auch bekannt als »Olympiade der Magie«.
Der Entfesselungskünstler Andrew Basso. Basso ist Italiens Starmagier. Er betrachtet Houdini als seinen Helden und entwickelte sich schnell zu einem der beliebtesten Illusionisten der Welt. Er ist der einzige Zauberer, der Houdinis berühmte Wasserfolterzelle ohne Vorhang aufführt.
Der Erfinder, Kevin James ist bekannt für kreativ-ungewöhnlichen Illusionen. Mit Kühnheit hat er einige der berühmtesten Illusionen des letzten Jahrhunderts geschaffen und an diese sogar an andere Magierkollegen verkauft.
Buntes Magie-Potpourri
Jeder Zuschauer bekam am Einlass einen Briefumschlag. Das Kuvert wurde erst während der Show auf Anweisung von Luis de Matos. Alle Besucher durften danach an einer Live-Performance teilnehmen, die trotz einiger Wahlmöglichkeiten mit einer interessanten Überraschung endete. An dieser Stelle sei jedoch nicht mehr verraten.
Yu Ho-Jin wirkt gelassen und entspannt und mit nur einem Handgriff verwandelt er seinen weißen Schal in ein Kartenspiel. Er manipuliert es danach mit großer Geschicklichkeit – Karten wechseln die Farbe, werden leer, erscheinen und verschwinden.
In einer anderen Variante verdeckt er je eine Münze mit einer Karte, um dann beim Aufdecken zwei oder mehrere Münzen vorzufinden.
Kevin James erweckt eine Puppe, die er Stück für Stück zusammenbaut, innerhalb eines Lidschlags zum Leben oder zerteilt mit der Kettensäge einen Assistenten, um ihn danach mit dem Tacker wieder zusammenzusetzen. Natürlich absolut unblutig. Skurril und zeitgleich lustig.
Manchmal kommt bei ihm aber auch eine Prise Poesie durch: Mit einem Mädchen aus dem Publikum zerknüllt er ein Papiertaschentuch und lässt es erst durch die Luft tanzen, um später daraus eine Papierblume zu formen. Nach einem Feuerstoß wird diese zu einer echten Rose. Zum Finale lässt er es aus bloßen Händen schneien und hüllt den ganzen Veranstaltungsort in ein weißes Flockengestöber.
Die Tradition der Magie
»The Illusionists« sehen sich selbst in der Tradition der größten Magier der Geschichte. Es gelingt ihnen, dem Genre eine neue Qualität zu verleihen, indem sie ihre Zauberei mit zeitgemäßem Screen und anderer moderner Technik, wie Laserstrahlen, verbinden.
Für diejenigen, die der englischen Sprache nicht mächtig waren, übersetzte Volker Piesczek – besonders unterhaltsam war hier auch das Zusammenspiel von Moderator Luis de Matos und dem Übersetzer. An manchen Stellen erschien die Show allerdings mit zu viel rhetorischer Komik über die Natur der Illusion ausgestattet.
Publikumsinteraktionen waren das A und O, etwa beim berühmten Wechsel-den-Ort-Spiel mit Eheringen. Viele wurden ausgewählt und auf die Bühne geholt, um zu überprüfen, ob die Requisiten echt sind oder um an Tricks teilzunehmen.
Kleinere Mankos stellten einerseits die Musik dar, denn trotz Liveband erschienen die Töne eher donnernd statt spannungsgeladen, manchmal geradezu gehetzt. Außerdem gab es neben den sieben Magiern Assistentinnen. Diese versuchten, bedrohlich oder sexy oder alles gleichzeitig zu erscheinen, was manchmal ein bisschen desillusionierend wirkte.
Ansonsten hatten »The Illusionists« wirklich gute Acts, die auch mit den digitalen Spezialeffekten aus Kinofilmen mithalten können.
| ANNA NOAH
| FOTOS: JOAN MARCUS
Showangaben
The Illusionists
Cast:
Andrew Basso – der Entfesselungskünstler
Luis de Matos – der Meistermagier
Kevin James – der Erfinder
Sos & Victoria – die Verwandlungskünstler
Yu Ho-Jin – der Manipulator
James More – der Täuscher
ENZO – der Unvergessliche