Die Hamburger Jung-Regisseurin Denise Stellmann ist klein und süß – auf den ersten Blick. Denn sie spricht aus, was viele nicht einmal zu denken wagen. Ein Porträt über ein junges, (bühnen)reifes Leben voller Emotionen jenseits bekannter Künstlerklischees und -attitüden. Denn die Bühnenkunst soll in ihrer Vorstellung vor allem eins: Bewegen. Von MONA KAMPE
»Ach, süß!« Wenn Menschen Denise Stellmann geschäftlich begegnen, sehen sie vor allem die quirlige, kleine Frau mit den langen, schwarzen Locken und dem jugendlichen Gesicht. Sie wirkt sympathisch und zutraulich auf sie, doch zutrauen tun sie ihr auf den ersten Eindruck wenig. So geschehen etwa bei Vorstellungsterminen für Fortbildungskurse in den Segmenten Schauspiel und Tanz in Hamburger Kliniken.Nach den ersten Sätzen, spätestens nach der ersten Probestunde, wird ihnen jedoch schnell klar: Die kann ja richtig was! Vor ihnen steht eine erwachsene Geschäftsfrau, die genau weiß, was sie will. Das Konzept der 31 Jahre jungen Hamburgerin belebt Alltag, Körper und Seele und das, obwohl sie keine professionelle Ausbildung im klinischen oder pädagogischen Bereich genossen hat. Es ist an sich schlicht: Menschen wollen fühlen.
Die Bühne braucht Emotionen
Denise Stellmann arbeitet gerne mit ihnen. Darum ist sie neben ihrer Tätigkeit als selbstständige Regisseurin und Autorin auch als Trainerin engagiert, um Menschen mit exotischen Bewegungskursen in Salsa und Merengue sowie Schauspielskills zu mehr Selbstbewusstsein und starken Auftritten im Berufs- und Privatleben zu motivieren. Und natürlich, weil es sich nicht nur von Spielzeit zu Spielzeit leben lässt. Der Weg ist in öffentlichen Institutionen jedoch oft steinig, denn vor allem hier muss man sich kontinuierlich durch Fortbildungszertifikate und Professionalität beweisen.
Doch der kreative Lockenkopf, der 2006 sein Bühnendarstellerdiplom in Tanz, Schauspiel und Gesang an der Stage School Hamburg absolvierte, lässt sich nicht entmutigen: Sein Brot und Wasser sind die Emotionen und Inspirationen, die direkt aus seinem Herzen kommen. Sie steht hinter dem, was sie tut und fühlt – das verleiht ihren Bühnenproduktionen Empathie und Authentizität.
Zuschauer können sich mit Szenarien, Charakteren und Gedankengängen identifizieren – jeder hat schon einmal gedacht, was sie offen ausspricht. So etwa ihre Protagonistin Isabella in ihrem aktuellen Stück ›Lovesickness … noch 389 Tage dann bin ich drüber weg‹ – ein herrlich herzzerreißender, herzhaft amüsanter Monolog über die uns allen sicher bekannten Trauerphasen nach einer ungewollten Trennung, welches im September bereits in die vierte Spielzeit am First Stage Theater Hamburg geht. »Ich glaube, die muss nie groß«, hat sich bestimmt jede Frau schon einmal still und leise beim Anblick der neuen Liebe ihres Ex-Partners murmeln hören, für die sie von ihm verlassen wurde.
Ihre Figuren und Geschichten sind fiktiv, jedoch aus dem Alltäglichen inspiriert und gefühlvoll auf die Bühne transferiert. Doch kommt dieses Konzept auch beim jungen Publikum an?Stage meets Movie – Filmszenen begeistern junge Menschen fürs Theater
Jein – denn junge Menschen gehen heute vorwiegend ins Kino, weniger ins Theater. Alle reden über Filme, nur eine Handvoll über Inszenierungen. Hier dominieren etablierte Klischees, die alle Altersgruppen die Bühne differenzierter betrachten lässt: Schauspieler sind Freaks, sie schreien auf der Bühne herum und haben eine Vorliebe zum Nacktsein bzw. zur expressiven Darstellung von Sexualität. Oder kontrastiv: Die spielen ja nur Shakespeare in ermüdender, altmodischer Sprache, die sowieso niemand versteht!
Denise Stellmann verbindet das populäre Medium Film mit dem klassischen Theater und damit zwei ihrer persönlichen Leidenschaften in ihrem Konzept ›Stage meets Movie‹. Sie nutzt Einspieler und Kameratechnik, um ihren Darstellern mehr Entfaltungsraum und erweiterte Perspektiven zu geben. Oft spielt in ihren Filmelementen auch die musikalische Untermalung eine essenzielle Rolle, denn sie verbindet diese mit den Bühnenemotionen.
Emotionalität, Offenheit und Authentizität verbunden mit modernen Medien ist das Erlebnis, das vor allem junge Menschen wieder neugierig auf die Bühne machen soll. Gefühle ja – aber bitte kein unnötiges Drama!
Please no unnecessary drama, baby!
»Ich möchte Emotionen wecken, Menschen bewegen. Ich möchte, dass das Gezeigte etwas mit ihnen macht – sie zum Nachdenken anregt oder berührt. Sie sollen etwas mitnehmen – und wenn es nur ein schöner Abend ist. Ich setze meine Künstler und Zuschauer keinem unnötigen Drama aus. Ich zeige das, was gezeigt werden muss – um die Geschichte zu erzählen oder zu fühlen. Dazu sind expressive Nacktheit sowie Sexszenen oder zusätzliche Tragik nicht notwendig«, so Denise Stellmann über ihre Produktionen.
Sie ist auch Dramaturgin – beweist etwa ihr Stück ›Nilah‹, in dem sich die Protagonistin nach einer wahren Begebenheit prostituiert und aufgrund ihrer Unnahbarkeit eine womöglich große Liebe verliert. Doch diese Tragik ist wichtig, um ihre Charaktere zu verstehen. Auf ruhige, gedankenintensive, berührende Momente folgen jedoch stets heitere Szenen. »Ich schreibe auch gerne Dramen – wenn jemand stirbt, stirbt er und ich setze das auf der Bühne um, weil es für die Geschichte bedeutend ist. Jedoch stets dezent. Es wäre kriegerisch, der Story noch weitere Tragik zu verleihen und das Publikum dieser auszusetzen.« Die Jung-Regisseurin möchte ihren Zuschauern positive, bestärkende Lebensgefühle mitgeben, wenn sie ihre Kreationen in die reale Welt verlassen. Folglich hier die kleine Korrektur: Tragik spielt in ihrem Schaffen eine essenzielle Rolle – das unnötige Drama erhält jedoch keinen Einzug auf die Bühne!
So hält es Denise Stellmann auch in ihrem eigenen Leben. Sich in der Hamburger Theaterszene einen Namen zu machen, ist kein leichtes Unterfangen – vor allem wenn man die harte Arbeit dem Netzwerken und Künstlertreffs vorzieht. Sie war schon ganz unten und hat sich mit Herzblut an ihren kreativen Konzeptionen und viel Schweiß in die vierte Spielzeit gekämpft. Ihre Idee findet Anklang – wenn auch mit Zeit und Geduld.
»Meine Zeit wird kommen!«
»Ein Agent, der sich mit meinem ersten Buchkonzept befasste, hat mir einmal gesagt: »Deine Zeit wird kommen, Denise! Du brauchst noch ein wenig Zeit, um zu wachsen und Geduld.« Ich glaube daran. Mein Wunsch ist es, dass jemand auf mich zukommt und Lust hat, mit mir gemeinsam zu produzieren, weil er etwas im Kopf hat, das genau zu dem passt, was ich mache und weil er genau weiß, dass ich das am besten mache – egal, ob Medium Film oder Bühne«, wünscht sich die Hamburgerin beim Blick in die eigene Zukunft. Die engagierte Jung-Regisseurin möchte sich einen eigenen Wiedererkennungswert schaffen.Ihr ganz großer Kindheitstraum ist jedoch ein ganz anderer: Eine ›Goldene Kamera‹ für ihre Arbeit in Empfang zu nehmen und sich bei allen Menschen, die auf ihrer Liste stehen zu bedanken. Auf dieser Liste stehen nicht nur Familienmitglieder und Freunde, sondern vor allem Menschen wie der namenlose Mitarbeiter beim Finanzamt, der bei der Gründung ihres Labels ›Stellmann Production‹ Humanität gezeigt und ihr außergewöhnlich schnell ihre Steuernummer ausgestellt hat, und der Agent mit den motivierenden Worten, die sie auf ihrem Weg inspiriert und beeinflusst haben.
Quirliges Mädchen vs. reflektierende Geschäftsfrau
Ähnlich wie in Goethes ››Faust‹ begegnen Menschen zwei ganz diametrale Denise Stellmanns: Das quirlige, jugendliche Mädchen, das an seinen Träumen festhält, weil sie es motivieren und ihm die Kraft geben, weiterzumachen und die reife, reflektierende Geschäftsfrau, die sie sein muss, um sich in ihrem Metier zu behaupten und voranzukommen. Eben die kleine Träumerin, jetzt die knallharte Realistin – beide vereint die beständige Neugierde und der Durst nach Ideen und Wachstum, die sie selbst und ihr Schaffen reifen lassen.
Denise Stellmann sieht, schreibt und inszeniert mit vollem Herzen. Ihre Produktionen sind manchmal herzzerreißend, manchmal laden sie zum herzhaften Lachen ein. Eines tun sie aber immer: Sie gehen ans Herz – so auch ihr neues Stück, ein auf wahren Begebenheiten beruhendes Drama, das wir im kommenden Jahr auf Hamburger Bühnen begrüßen dürfen. Wer schon jetzt eine Prise Stellmann schnuppern möchte, kann noch bis Ende September die amüsante Seite des Liebeskummers in ›Lovesickness‹ am First Stage Theater Hamburg erleben.
Reinschauen
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