Zeit für den Showdown!

Comic | J.Mechner, L.Pham & A.Puvilland: Der Schatz der Tempelritter – Drittes Buch: Der Gral (Templar)

›Der Gral‹ ist der dritte und letzte Band des historischen Abenteuerkrimis ›Der Schatz der Tempelritter‹. Hier geht es nun genau so zur Sache, wie BORIS KUNZ sich das vom ersten Band an erhofft hat.

mechner-pham-puvilland-der-schatz-der-tempelritter-3Nach einem langen Vorlauf ist es nun so weit: Die Truppe rund um den ehemaligen Tempelritter Martin will endlich ihren Plan in die Tat umsetzen, den Schatz ihres Ordens zu stehlen. Dabei geht es um viel mehr als um Geldgier: Es geht darum, die Pläne des intriganten Kanzlers Nogaret zu durchkreuzen, eines gefährlichen politischen Strippenziehers, der den Orden der Templer zerschlagen und unter dem Vorwurf der Blasphemie vor Gericht gezerrt hat, um letztendlich mit deren Gold die Kriegskassen des Königs zu füllen. Doch noch weiß Nogaret nicht, wo der Schatz versteckt ist: In den Katakomben von Paris? Unter einer Zisterne? Wand an Wand mit Nogarets eigenem Weinkeller? Und wie birgt man nun eine ganze Schiffsladung Gold, Schmuck und Juwelen direkt unter den Augen des Erzfeindes, ohne dass dieser von dem Coup etwas bemerkt? Der Plan von Martin erfordert auf jeden Fall gute Nerven, unempfindliche Nasen sowie ein zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch nicht selbstverständliches Vertrauen in physikalische Gesetze.

Die politische Ebene der Geschichte, die im zweiten Band vor allem das Verhältnis von König, Kirche und Inquisition beleuchtet hat, ist nun zu Ende erzählt. Jordan Mechner konzentriert sich ganz auf den Heist, auf den der Leser nun auch lange gewartet hat. Er setzt dabei mehr auf Suspense als auf filmreife Action und besinnt sich damit auch auf die Stärken seiner Erzählung – und die seiner Zeichner. Aber auch die Liebesgeschichte zwischen Martin und Isabelle de Chalancon kommt nicht zu kurz und bringt noch einmal Dramatik und Humor in die Erzählung. Denn mit dem Frauenschwarm Bernard hat sich Martin auch noch einen Konkurrenten um seine Herzensdame in die eigene Truppe geholt. Schwierigkeiten und Verwicklungen während der Schatzräuberei sind also vorprogrammiert.

Ein Feuerwerk ohne Hokuspokus

Nachdem der Comic in den ersten beiden Bänden noch ein wenig zwischen Action-Feuerwerk und akkuratem Historiendrama geschwankt hat, hat der dritte Band genau die richtige Balance gefunden: Die Geschichte ist unterhaltsam und einfallsreich ohne unglaubwürdig zu werden, bedient Historizität ebenso wie die Erwartung von Lesern, die mit dem Schlagwort ›Ocean’s Eleven‹ im Mittelalter geködert worden sind. Nun merkt man Jordan Mechner seine Erfahrungen als Drehbuchautor an, der im dritten Akt noch einmal sein ganzes Können unter Beweis stellt: Der dritte Band liest sich wie Hollywoodkino – nicht obwohl, sondern weil er am Ende vor allem auf Stimmung und Dramatik setzt.

Die vordergründig cartoonhaften Zeichnungen von LeUyen Pham und Alex Puvilland sorgen für flüssige Lesbarkeit, weil sie es schaffen, Mittelalter-Flair herzustellen, ohne mit opulenter Ausstattung zu sehr auf sich selbst zu verweisen. Gerade im Finale tragen die Zeichnungen – mithilfe der gelungenen Farbgebung von Hilary Sycamore und Alex Campbell – wesentlich zur Intensität der Erzählung bei, indem sie durch stimmungsvolle Darstellung von Abenddämmerung, Sonnenuntergang, Mondnacht und Morgengrauen das Vergehen der Zeit spürbar machen, das für die Geschichte eine wesentliche Rolle spielt.

Nur wer sich bei dem Titel ›Der Gral‹ nun doch noch ein christliches Erbauungsmysterium erhofft, muss enttäuscht werden. Es ist eher die Comicreihe selbst, die hier zu ihrem eigenen Gral gefunden hat, denn der dritte Band hält alles, was die Serie von Anfang an versprochen hat: Ein genialer Heist, der sich in eine Verfolgungsjagd und schließlich zu einem furiosen, emotionalen Finale steigert. Spannend bis zum Schluss, gewürzt mit einem guten Schuss Romantik und Humor – von dem es gelegentlich noch etwas mehr hätte sein dürfen. Und sogar ein klein wenig Mystery bleibt am Ende für die Verschwörungstheoretiker übrig.

| BORIS KUNZ

Titelangaben
Jordan Mechner (Text), LeUyen Pham & Alex Puvilland (Zeichnungen): Der Schatz der Tempelritter – Drittes Buch: Der Gral (Templar)
Aus dem Englischen von Jan-Frederik Bandel
Hamburg: Carlsen Verlag 2016
192 Seiten, 19,99 €
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Rezension zu Band 1 in TITEL kulturmagazin
| Rezension zu Band 2 in TITEL kulturmagazin
| Homepage zum Comic

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Roald Dahl zum 100.

Nächster Artikel

Please no unnecessary drama, baby!

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Sich selbst finden im Angesicht der Homophobie

Comic | Julius Thesing: You don’t look gay

Julius Thesings Comic- und Jugend-Buch ›You don't look gay‹, das fast vollständig in einem auffälligen Rosaton gehalten ist, erinnert in leicht zugänglicher Art daran, dass Homosexuellenfeindlichkeit auch in westlichen und europäischen Ländern nach wie vor ein Problem ist – sei es im Alltag oder in der Politik. Außerdem zeigt Thesings Comic beispielhaft, wie ein Coming-out-Prozess abläuft, und macht anderen Mut. Von FLORIAN BIRNMEYER

Bürgerkrieg als Kammerspiel

Comic | Zeina Abirached: Das Spiel der Schwalben Zeina Abirached blickt zurück in ihre Kindheit – und entwirft mit Das Spiel der Schwalben ein autobiographisches Kammerspiel, eingebettet in den Libanesischen Bürgerkrieg. Von CHRISTIAN NEUBERT

Blaugefächerte Erinnerungen

Comic | Andrea Serio: Rhapsodie in Blau

Andrea Serio zeichnet eine Graphic Novel über den Faschismus in Italien und den Zweiten Weltkrieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die in leisen Tönen daherkommt. In blauen und braunen Farben komponiert er eine ›Rhapsodie in Blau‹, angelehnt an George Gershwins ›Rhapsody in Blue‹, die die Protagonisten auf der Flucht von Italien nach Amerika und zuletzt als US-Soldaten wieder zurück nach Europa führt. Dabei erleben wir Weltgeschichte am persönlichen Beispiel. Von FLORIAN BIRNMEYER

Wie ein guter Blues

Comic | Julie Maroh: Blau ist eine warme Farbe ›Blau ist eine warme Farbe‹ ist eine fein gewobene, mit autobiographischen Elementen spielende Liebesgeschichte zwischen Coming Out und Coming Of Age: Julie Maroh überzeugt direkt mit ihrem Comic-Debüt. Von CHRISTIAN NEUBERT

Tauchgang ohne Tiefgang

Comic | Supiot/Beuzelin: Der Narwal Der zynische Profitaucher Robert Narwal schwimmt, schnorchelt, prügelt und meckert sich durch ein Comicalbum voller Abenteuer – oder durch Geschichten, die eines bilden: einen Comic, der trotz vieler Qualitäten von Liebhabern des frankobelgischen Abenteuercomics mit Vorsicht zu genießen ist. BORIS KUNZ ist ein solcher.