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»I will follow me«

Bühne | ›Ladies first‹ am Badischen Staatstheater

Erst ein paar Tage sind die Feierlichkeiten rund um den Internationalen Frauentag vorbei. »100 Jahre Frauenwahlrecht« neben 70 Jahren Grundrechten in Deutschland sind ein Grund zum Feiern. Das dachte sich auch Otto A. Thoß, welcher zuständig für das Ensemble der Oper ist. Er inszenierte ›Ladies first. Ein musikalischer Abend mit 56 Frauen‹, einer Produktion von Volkstheater und Jungem Staatstheater Karlsruhe, am Badischen Staatstheater. JENNIFER WARZECHA war dabei

Die 56 Damen des Badischen Staatsopernchores sowie aus dem Projektchor Karlsruhe singen in der 1. und 2. Sopran-Stimme sowie in der 1. und 2. Alt-Stimme und tanzen in bunten Kleidern (Kostüme: Aleksandra Kica). Dabei begegnen sie dem Publikum teilweise als damen- oder mädchenhaft, teilweise als elegant oder sportlich gekleidete Ladies. Besonders der zweite Teil des rund zweistündigen Programms beeindruckt das Publikum. Es spendet begeisterten Applaus und fordert zwei Zugaben der Darstellerinnen ein.

›Ladies first‹ am Badischen Staatstheater

Mit ›I will follow me‹, einer Abwandlung des Liedes ›I will follow him‹ aus dem Film ›Sister Act‹ (1992) von Marc Shaiman (geboren im Jahr 1959), unter der Textbearbeitung von Musiktheaterdramaturgin Deborah Maier, verabschieden sich die Sängerinnen und Tänzerinnen vom Publikum. Jedoch nur zunächst. Im bis auf den letzten Platz besetzten Stuhl des Theaters lassen der tosende Applaus, johlende Begeisterungsrufe und angesichts des Blumenstraußes für den einzigen Mann, Pianist Marius Zachmann (zuständig für die musikalische Leitung, Choreinstudierung und Klavier), entzückte Blicke der Damen und Herren die Damen noch nicht so schnell gehen.

Erst nach der Wiederholung von ›I will follow me‹ und ›Big Spender‹ aus dem Musical ›Sweet Charity‹ (1966) von Cy Coleman (1929-2004) leert sich der Saal. Neben den bereits genannten Liedern fallen besonders die Interpretation der Lieder ›Eine Frau in meinen Jahren‹ (1952) von Zarah Leander (1907-1981), das ›Heidenröslein D257‹ (1815) von Franz Schubert (1797-1828), mit dem Text von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), nebst dem modernen ›Hefe‹ (2006) von Thea Eichholz (geboren 1966) auf.

Die Alltagsrealität humorvoll aufs Korn genommen

So singt Erstere davon, dass sie in ihrem reifen Alter nicht mehr auf einen Mann hereinfalle und ihr Herz bei sich trüge. Gleichzeitig singt sie am Ende, mit verschmitztem Gesicht davon, dass sie bei einem Mann, der ihr gefällt, die »größte Dummheit« mache. Diese passiert dem Heidenröslein, wenn auch sowohl Lied, als auch Kleid der Sängerin auf den ersten Blick prüde und harmlos erscheinen. So handelt der Text nicht umsonst von den Stellen »Knabe sprach: ›Ich breche dich, Röslein auf der Heiden.‹ Röslein sprach: »Ich steche dich, dass du ewig denkst an mich, und ich will’s nicht leiden.« Das im Heidenröslein ausgedrückte junge Mädchen bzw. die Frau leidet unter dem, wie ein Mann, mit dem sie in Beziehung steht, mit ihr umgeht. Doch »Röslein wehrte sich und stach, half ihm doch kein Weh und Ach, musst‘ es eben leiden.«

Auch die gesellschaftliche Debatte kommt nicht zu kurz

Humorvoll dagegen ging es in ›Hefe‹ zu, innerhalb dessen sich die Damen klangvoll über die Speckröllchen amüsieren, die so ziemlich jede Frau plagen. Denn »In jeder Frau steckt ein Stück Hefe. Das kleine Luder tut, als ob es schliefe. Doch plötzlich kommt die Zeit, Frauen seid bereit, dann geht die Hefe auf. So ist unser Lebenslauf! In jeder Frau steckt ein Stück Hefe.« Schließlich kann das gar nicht sein, denn »Ich hab die Schokolade doch nur angeguckt, am Big Mac hab ich bloß einmal gerochen! Das Maoam hab ich doch wieder ausgespuckt. Das Sahnekörnchen ist von selbst in meinen Mund gekrochen!«

›Ladies first‹ am Badischen Staatstheater

Auch gesellschaftliche Debatten fehlen nicht, die zwischen der Schauspielerin Viola Müller und ihrer Mitstreiterin, der Opernsängerin, diskutiert werden. Die »me too«-Debatte fehlt dabei genauso wenig wie die Frage, ob die Darstellung der Frauen in der RTL-Staffel ›Der Bachelor‹ nicht zu überholt sei, hecheln die Kandidatinnen dem genannten Bachelor teils willenlos hinterher. Vor der »me too«-Debatte, stellt Viola Müller, fest, habe ein I-Phone besseren Schutz genossen als der Körper einer Frau. Dies habe der Gang der Debatte geändert, wenn auch diese sicherlich noch längst nicht abgeschlossen sei.

Wie geht es im Alltag von Frauen heute zu?

Humorvoll im Umgang mit Klischees ging es bei der Interpretation des Schlagers ›Das bisschen Haushalt‹ (1977) von Johanna von Koczian (geboren 1933) zu. Die Rolle der Frau als Hausfrau, neben dem arbeitenden Mann, der diese Arbeit nicht als solche akzeptiert und respektiert, kommen zur Sprache und beschreiben damit Beispiele der Differenzen zwischen den Geschlechtern, die trotz des Frauentages weiterhin bestehen. Auch sie sind nur ein Ausschnitt aus dem Material, dass alle Damen vorher einreichen konnten und aus dem schließlich das Stück entstand, neben Teilen großer Opernchöre aus Stücken Verdis, Solo- Nummern und vergleichbaren Konstellationen.

Wahr oder falsch?

So kommen große und kleine Anforderungen, die Alltag und Gesellschaft an die Frauen stellen; diese da sind gut auszusehen, Karriere zu machen und unterhaltsam zu sein; humorvoll und insgesamt ausdrucksstark auf die Bühne. Der zweite Teil überzeugt mehr als der erste. In diesem kommen die Frauen nicht so ganz als vom Mann unabhängig herüber. Klischeemäßig tanzen sie teils im rosafarbenen, teils im lila Kleid umher. Immer wieder messen sie sich mit ihren Freundinnen daran, wer schöner ist oder wer bei einem Mann besser ankommt. Da darf der Zuschauer darüber entscheiden, ob hier humorvoll ein Klischee aufs Korn genommen oder ein Abbild dessen, was der Feminismus immer noch nicht mit sich bringt, abgebildet wird. Insgesamt sympathisch, launig und unterhaltend!

| JENNIFER WARZECHA
| Abbildungen: FELIX GRÜNSCHLOẞ

Titelangaben
LADIES FIRST
Ein musikalischer Abend mit 56 Frauen
am Badischen Stattstheater Karlsruhe

MUSIKALISCHE LEITUNG: Ulrich Wagner, Marius Zachmann
REGIE: Otto A. Thoß
BÜHNE: Anne Horny
KOSTÜME: Alexandra Kica LICHT Matthias Haag
DRAMATURGIE: Deborah Maier
MUSIKALISCHE ARRANGEMENTS: Andres Reukauf
THEATERPÄDAGOGIK: Anna Müller
MIT Karlsruherinnen, Damen des BADISCHEN STAATSOPERNCHORES, Viola Müller, Christina Niessen

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