/

Inklusion bedeutet Akzeptanz von Vielfalt

Bilderbuch | H. Klein, M. Osberghaus: Alle behindert!

Ein Buch, auf dem steht »Wer das liest, ist behindert! Ja, Du auch!«? Wow! Das ist mal eine Aussage. ANDRA WANNER freut sich an diesem Gedanken.

Alle behindertSophia leidet an Spina Bifida. Übersetzt heißt das »offener Rücken« und es bedeutet eine angeborene Querschnittslähmung. Ronda ist blind, Luca-Toni hat einen Herzfehler und Grethy ist gehörlos. Klar: behindert!

Das Wort, das, wir so salopp verwenden, wenn jemand infolge einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung beeinträchtigt ist. Und was man eigentlich nicht mehr sagt. »Menschen mit Unterstützungsbedarf« heißt es politisch korrekt. Und Unterstützungsbedarf – haben wir den nicht alle auf dem einen oder anderen Gebiet?

Horst Klein und Monika Osberghaus machen das sehr anschaulich deutlich. Einfach, indem sie noch ganz andere Fälle von Behinderung zeigen. Paul zum Beispiel ist ein Mitläufer, einer, der versucht möglichst unauffällig und ohne eigene Meinung durchs Leben zu kommen.

Vanessa ist eine Tussi, eine, die von allen angehimmelt werden will und total schnell beleidigt ist. Alfredo ist ein Essensnörgler (davon gibt es jede Menge!) und Ella ist hochbegabt. Dick sein oder schüchtern, stottern oder im Rollstuhl sitzen: Das sind alles Einschränkungen.

Und 25 davon werden in diesem Buch genauer unter die Lupe genommen. Quasi vorurteilsfrei gibt es jeweils stellvertretend eine Person und einen Steckbrief. Unter »mag gerne« und »mag weniger« finden sich Dinge, die nichts oder nur sehr wenig mit der jeweiligen »Behinderung« zu tun haben.

Die jeweiligen »Spitznamen« sind durchaus aufschlussreich und nicht immer nett. »Schlappi« für einen Jungen mit Muskelschwäche oder »Kellerkind« für jemanden mit Bildschirmsucht. Spannend auch die Fragen »Wo kommt das her?« und »Geht das wieder weg?« Ja, ein Angeber kann das vielleicht irgendwann ablegen, jemand mit Trisomie 21 nicht.

Für jedes Kind gibt es eine Seite. Bunt und fröhlich gestaltet, mit einem »Geheimnis« am unteren Bildrand, das man nur lesen kann, wenn man das Buch auf den Kopf dreht. Wir sind alle anders – so bringt das Buch auf den Punkt, was im Leben manchen immer noch schwerfällt. Zu akzeptieren, dass Unterschiede dazugehören und dass kein Mensch sie permanent bewerten muss und entscheiden, was geht und was nicht.

Es ist ein Buch, das in jede Familie gehört, in jede Kita. Eines, das man ernst nehmen sollte. Weil es tatsächlich bedeutet, auch alle Menschen ernst zu nehmen, jenseits aller Einschränkungen. Toleranz bedeutet, allen Raum zu lassen, alle als Menschen ernst zu nehmen – mit dem was sie können und mit dem, was sie eben nicht hinkriegen. Und dann kann jede und jeder den Fragebogen am Ende des Buchs ausfüllen, um der eigenen Behinderung auf die Spur zu kommen.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Horst Klein und Monika Osberghaus: Alle behindert!
25 spannende und bekannte Beeinträchtigungen in Wort und Bild
Leipzig: Klett Kinderbuch 2019
40 Seiten. 14 Seiten
Bilderbuch ab 5 – und für alle!
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Risse und Brüche

Nächster Artikel

Altern ist nichts für Feiglinge

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Wie ein Fisch auf dem Trockenen

Jugendbuch | Nat Luurtsema: Lou und ihr Männerballett Wasser ist das Element von Lou und ihr Traum seit langer Zeit der gleiche: sie will schwimmen und es gemeinsam mit ihrer besten Freundin Hannah in das Hochleistungstrainingslager schaffen und von dort in die Nationalmannschaft. Aber wie das eben so mit Träumen ist: sie können platzen. Von ANDREA WANNER

Freundschaft, Freundschaft, über alles?

Jugendbuch | Martin Gülich: Ich bin hier nur der Kumpel Befreundet sein ist schön. Allerdings sollte Freundschaft ehrlich sein. Hintergedanken sollte es nicht geben, jedoch gewisse Grenzen dafür, wie weit man im Namen der Freundschaft geht. Wenn es Hintergedanken gibt und Grenzen fehlen, kann das Ganze für Publikum bedenklich werden. Wie Martin Gülichs neuer Jugendroman über Finn und die geheimnisvolle Carla. Von MAGALI HEISSLER

Steife Finger

Jugendbuch | Claudia Schreiber: Solo für Clara Ein besonderes Talent zu haben, ist großartig. Es ausüben zu können ohne mehr Grenzen, als das Gegebene einer setzt, fast ein Wunder. Aber alles hat zwei Seiten, der einen Freud ist bekanntlich anderer Leid. Daraus könnte man eine großartige Geschichte machen. Allerdings darf man sie nicht mit so steifen Fingern schreiben, wie Claudia Schreiber es hier in ›Solo für Clara‹ tut. Von MAGALI HEISSLER

Schwere Entscheidungen

Jugendbuch | Clare Furniss: Morgen ist heute schon vorbei Hattie kann es auch nach dem 4. Test noch nicht glauben: sie ist schwanger. Von Reuben, der doch eigentlich nur ihr bester Freund ist. Wie soll und kann es weitergehen? Von ANDREA WANNER