/

Das Gefühl ist der Auslöser

Sachbuch | Steffen Rothammel: Das Gefühl ist der Auslöser

Da sieht man ein tolles Motiv, und dann beginnt beim Anfänger das Nachdenken: welche Einstellungen, ist das Licht ok, läuft das Motiv nicht etwa weg. Es gibt so Vieles zu bedenken. Das Handwerkszeug zu haben, das ist natürlich irgendwie ein MUSS, irgendwann aber dürfen sich Bauchgefühl und Einfühlungsvermögen so richtig entfalten. Und letztlich darf dann »das Gefühl zum Auslöser« werden. BARBARA WEGMANN hat in dem Buch geblättert.

Manchmal ist es nur ein einziger Moment

Das Gefühl ist der AuslöserEigentlich ist es wie in der Musik, erst wenn ich die Tonleitern im Schlaf beherrsche, werden irgendwann Gefühl und Seele auch einziehen und aus einem einfachen Musikstück einen Musikgenuss machen.

Eines der zutiefst beeindruckendsten Bilder, das ich kenne und mit dem Wort Empathie verbinde, das ist die junge Vietnamesin, die ohne jede Habe, aus tiefster Seele schreiend nach einem Napalmangriff mit Anderen flüchtet. Ein Bild, das ich nie vergessen werde. Das Gefühl für dieses Leid, die Empathie des ausgezeichneten Fotojournalisten müssen gerade in dieser Situation fast übermenschlich gewesen sein. Ein Extrem, ja. Ein Ausnahmebild, ja.

Aber die Aussage, die der Fotograf in das Bild – möglicherweise ganz unbewusst – hineinlegt hat, ist enorm. Und das ist es eben: Gefühle, die man selbst empfindet, in ein Bild hineinzulegen. Ein Bild als Kommunikationsmittel, ein Bild, das von mir selbst, meinen Empfindungen und dem Motiv erzählt, das ich vor der Kamera sehe. Ein Ausnahmemoment, ein magischer Moment. »Die Aussagekraft oder die Magie eines Moments zu erkennen, ist das, was das Individuelle Ihrer Bilder ausmachen wird.«

Denn Bilder, die »die Magie eines Moments« enthalten, sie sind »nicht reproduzierbar«, also ganz persönlich. Und das Prinzip ist immer dasselbe, egal ob es eine Momentaufnahme ist, eine fotografische Geschichte, die sie entstehen lassen, ob Sie in der Natur fotografieren oder Porträts anfertigen.

Das Lehrbuch ist sehr einfühlsam geschrieben, detailliert und klar, einfach und verständlich präsentieren sich die Kapitel. Gute Anleitungen, viele Anregungen, und durchgehend bebildert, u.a. Fotografien aus Marokko, Kuba und Schottland.

Steffen Rothammel, der aus den bayerischen Alpen stammt, zog es früh in die weite Welt, zu anderen Kulturen, die Kamera wurde für ihn »Werkzeug und Kommunikationsmittel«. Preise hat er bekommen, viele Auszeichnungen, seine Fotografien wurden in den berühmtesten Magazinen veröffentlicht.

Viele seiner hier veröffentlichten Bilder sind in der Tat sehr schön, besonders bei den Landschaftsaufnahmen spürt man Empathie und das, was der Fotograf wohl empfunden haben muss und was er in seinem Buch nahebringen will. Das empfinde ich bei den vielen Porträtaufnahmen leider nicht in dem Maße, tolle Bilder, ohne Zweifel, aber mir erscheinen sie oft eher abgebildet und nicht erlebt.

Von daher stehen manche Bilder für mich im Gegensatz zu dem wirklich guten und lehrreichen Text. Und auf jeden Fall behalten sollte man diesen Grundsatz: »Ohne Fotografie ist der Moment für immer verloren, so, als ob es ihn nie gegeben hätte.«

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Steffen Rothammel: Das Gefühl ist der Auslöser
Wie Sie mit Empathie und Intuition ausdrucksstarke Bilder fotografieren
dpunkt.Verlag 2019
158 Seiten, 29, 90 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Heavy-Metal aus dem Schützengraben

Nächster Artikel

Tailored Cuts And All Encores: New Record Reviews

Weitere Artikel der Kategorie »Kulturbuch«

Küsse tauschen

Kulturbuch | Henry F. Urban: Die Entdeckung Berlins Für die einen ist Berlin das Letzte, ein charakterloses Gemisch, für andere ein freiheitlicher Magnet, eine Human-Werkstatt. Je nach Sympathie mal bloß Behauptstadt, mal Überhauptstadt. Wer meint, Berlin-Hype und Berlin-Bashing seien etwas Neues, wird von einem wiederentdeckten Berlin-Buch eines fröhlichen Besseren belehrt. Von PIEKE BIERMANN

Schule des Sehens

Kulturbuch | Hanns-Josef Ortheil: Kunstmomente

Er zählt zu den erfolgreichsten und produktivsten Schriftstellern Deutschlands, hat bislang über 70 Bücher publiziert, unzählige (teilweise noch unveröffentlichte) Texte der unterschiedlichsten Gattungen verfasst: Romane, Reiseerzählungen, Sachbücher, Essays, Dramen, Drehbücher, Libretti und nicht zuletzt tägliche Notate und literarische Skizzen. Hanns-Josef Ortheils Schaffensdrang – oftmals durch inspirierende ›Kunstmomente‹ angeregt und beflügelt – erscheint unermesslich. Doch welche visuellen Eindrücke haben ihn geprägt? Von INGEBORG JAISER

Schule für eine neue Zeit

Kulturbuch | Alma, Jamila, Lara-Luna: Wie wir Schule machen. Lernen, wie es uns gefällt ›Das Schulsystem muss reformiert werden‹, ist ein oft gehörter Ausspruch, bei dem alle nicken und für dessen Umsetzung überraschenderweise auch viel getan wird. 2008 startete ein Pilotprojekt des Berliner Senats zur sogenannten Gemeinschaftsschule, ein neues System des gemeinsamen Lernens bei individueller Förderung, mit Lerninhalten, die neben der kognitiven auch z.B. die Schulung von emotionaler Intelligenz umfassen. Das alles, um Kinder von heute auf die Herausforderungen vorzubereiten, die das 21. Jahrhundert ihnen stellt. Drei Schülerinnen – Alma de Zárate, Jamila Tressel, Lara-Luna Ehrenschneider – erzählen in Zusammenarbeit

»Guter Nazi, böser Nazi?«

Menschen | Manfred Wieninger: Die Banalität des Guten Das Böse hat Konjunktur. Die Jahrestage von Erstem und Zweitem Weltkrieg sorgen für einen steten Schub an Darstellungen von Abgründigem. Warum blicken wir so selten auf diejenigen, die sich in dieser Zeit ein Minimum an Menschlichkeit bewahrt haben? Ist Gutes zu tun einfach zu banal – oder in einer Zeit des Opportunismus viel zu schwierig? Das fragt sich Biografieforscher JÖRG FUCHS angesichts der Lektüre von Manfred Wieningers Buch ›Die Banalität des Guten‹.

Spielarten der Gewalt, Deutungen der Gewalt

Kulturbuch | Der Gewalt ins Auge sehen. Mittelweg 36 – Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung Gewalt in den verschiedensten Formen scheint uns zu umgeben. Jugendgewalt gegen Gleichaltrige, Polizeikugeln für junge Farbige in den USA, Gewaltkriminalität, rassistische Übergriffe auf Einwanderer, offener Krieg in der Ukraine, in Syrien, im Jemen und wer weiß wo in Afrika, terroristische Anschläge, strukturelle Gewalt (Galtung, H. Marcuse) in zunehmend ungerechter werdenden neoliberalen Gesellschaften. Der neue Themenband ›Der Gewalt ins Auge sehen‹ der ›Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung‹ (HIS) stellt Facetten des Phänomens vor. Von PETER BLASTENBREI