Kommt alles Gute wirklich von oben?

Roman | Antti Tuomainen: Klein Sibirien

»Ich fahre früh am Morgen auf einem Schneemobil eines Toten, in einem entlegenen Dorf im Osten Finnlands, ich blute heftig, meine Frau wurde entführt.« Halt, halt, das spulen wir jetzt noch einmal auf Anfang und folgen diesem so erfolgreichen finnischen Autor Antti Tuomainen in einen abgelegenen Ort, der urplötzliche Berühmtheit erreicht. BARBARA WEGMANN erzählt die ganze Geschichte – von Anfang an.

Klein Sibirien 978-3-498-00126-1 »Bremsen ist etwas für Amateure«, sagt sich der ehemalige, abgehalfterte Rennfahrer Timi Tarvainen, tritt das Gaspedal durch, und da passiert es: etwas schlägt mit Karacho in sein Auto ein.

»Ihm ist durchaus klar, dass im Wagendach ein riesiges Loch klafft. Auch der Beifahrersitz ist durchlöchert.« Ein Meteorit, 4 Kilo schwer, hat sich in seinem Wagen eingenistet. Milliarden von Kilometern habe er zurückgelegt, um »genau an diesem Ort zu landen«. Was für ein Ereignis in dem kleinen, verschlafenen 1280 Seelen Dorf Hurmevaara.

Eine so absurde, witzige und amüsante Geschichte kann sich nur jemand ausdenken mit viel Humor und dem Sinn für schräge Ereignisse. Und den hat der knapp 50jährige Finne, nicht nur im eigenen Land höchst erfolgreich. Schnörkellos schreibt er, kurze, klare Sätze, manchmal wie im Stakkato, mit schönen Beschreibungen, der hohen Kunst des literarischen Fabulierens gibt er sich nicht ab, kurz und knapp, präzise und plakativ, das ist schon eher sein Motto. Und das kommt bei der Krimigeschichte aus dem hohen Norden richtig gut.

Seine Art zu schreiben dürfte gerade den Stil der jungen Leserschaft treffen. Der »ziemlich coole Pfarrer« Joel Huhta wird auf 320 Seiten sozusagen zum Paten des Meteoriten, der im dörflichen Militärmuseum zunächst unter Bewachung steht, dann nach Helsinki gebracht und schließlich im Londoner Weltraumlaboratorium untersucht werden soll.

Ach ja, nicht vergessen sollte man die Kleinigkeit, dass der Wert dieses kleinen Himmelsgeschenks auf rund eine Million Euro geschätzt wird. Klare Sache, dass die Bewohner des Ortes ins »Meteoritenfieber« katapultiert werden und für die Bewohner natürlich Außerirdische und Ufos mit im Spiel sind. »Die Liste derjenigen, die dieses Ding haben wollen wird länger, je kürzer seine Verweildauer ist.«

Herrlich schräge Charaktere umspielen die Geschichte rund um die schwierige Frage nach dem 6. Gebot: »Du sollst nicht stehlen!« Aber natürlich sind die »Wege des Herrn unergründlich« und ganz in der Manier von Pater Brown wächst auch Joel über sich hinaus und versucht, die Oberhand zu behalten. Gar nicht so leicht, wird schließlich auch noch zu alledem seine geliebte Frau Krista entführt. Und da gibt es deutliche Worte: »Bleib weg vom Museum. Dies ist die letzte Warnung! Halte dich daran«.

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Antti Tuomainen: Klein Sibirien
Hamburg: Rowohlt Verlag 2020
320 Seiten, 20 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Kinder, nehmt euch ein Vorbild an den Erwachsenen!

Nächster Artikel

Fake News im Frankreich der Revolution

Weitere Artikel der Kategorie »Roman«

Unordnung und frühes Leid

Roman | Andrea Sawatzki: Ein allzu braves Mädchen Andrea Sawatzki war in ihrer Jugend Ein allzu braves Mädchen. So hat sie der Protagonistin ihres Debütromans nicht nur die schmale Statur und auffallend rotblonde Haare verliehen, sondern auch die Erfahrung kindlicher Überforderung. Die schließlich in einen tragischen Mordfall mündet. Von INGEBORG JAISER

Countryfiction und die Senfkanone

Indiebookday 2015 | Roman | Jonnie Schulz: Kein Zutritt für Hinterwäldler Biografien sind so eine Sache. Niemand vermag einzuschätzen, wie nah sich die subjektiven Schilderungen des eigenen Erlebens an der Wirklichkeit orientieren. Aber was bedeutet Wirklichkeit, wenn bereits der Klappentext des Buchs ›Kein Zutritt für Hinterwäldler. Die Geschichte der Butch Meier Band‹ eine immerhin 73 %ige Faktentreue verspricht. JÖRG FUCHS auf der Suche nach… ja, was eigentlich?

Eine Menschenjagd in der Neuen Welt

Roman | Robert Harris: Königsmörder

Am 30. Januar 1649 wurde König Karl I. aus dem Hause Stuart, nachdem er am Ende eines siebentägigen Prozesses zum Tode verurteilt worden war, in London öffentlich enthauptet. 59 Mitglieder des über ihn zu Gericht sitzenden High Court of Justice unterzeichneten das Urteil. Mit der Hinrichtung des 48-jährigen begann für England eine elf Jahre andauernde republikanische Phase, ehe Karls Sohn Karl II. 1860 die Monarchie restaurierte. In der Folgezeit blies man zur Jagd auf die 59 »Königsmörder«. Zwei von ihnen, Edward Whalley und William Goffe, hatten sich über den Atlantik nach Neuengland abgesetzt. Ihrem Schicksal spürt in einer raffinierten Mischung aus Geschichte und Fiktion der neue Roman von Robert Harris nach. Von DIETMAR JACOBSEN

»Willkommen im Reich des digitalen Volkszorns!«

Roman | Johannes Groschupf: Berlin Prepper Was geschieht mit all dem Meinungsmüll, der via Kommentarfunktion rund um die Uhr auf die Online-Seiten unserer Nachrichtenorgane gespült wird? All jene Pöbeleien, Beleidigungen und Hasstiraden – wer nimmt sich ihrer an? Walter Noack arbeitet als Online-Redakteur bei einer großen Tageszeitung und ist mit dafür verantwortlich, dass gelöscht wird, was nicht in die Öffentlichkeit gelangen soll. Täglich entfernt er Abertausende Wortmeldungen von Menschen, die voller Hass in einer Welt leben, auf deren Lauf sie keinen Einfluss mehr zu haben glauben. Aber bleibt da nichts zurück in einem Menschen von all dem wortgewordenen Gift? Von

Sieben Storys über ein Gefühl

Roman | Jo Nesbø: Eifersucht

Eine Frau wartet auf den Killer, den sie selbst bezahlt hat. Ein Osloer Müllmann stößt auf die Spuren eines Mordes, den er begangen hat, an den er sich aber nicht erinnern kann. Ein bekannter Schriftsteller erfindet sich ein alternatives Leben. Ein Kommissar aus Athen versucht auf der griechischen Insel Kalymnos, hinter das Geheimnis zweier Brüder zu kommen. Die sieben Geschichten des norwegischen Bestseller-Autors Jo Nesbø drehen sich samt und sonders um das Gefühl, welches der für Nesbø untypisch schmale Band im Titel trägt: Eifersucht. Von DIETMAR JACOBSEN