WHY SHOULD I LOVE MYSELF

Musik | Interview mit TheMora

Das Album ›Love‹ verbindet nicht nur verschiedene Musikstile, sondern auch Ideen, Konzepte und Handlungsstränge. Die perfekte Gelegenheit, sich nicht mit schwungvollen Interpretationen selbst bloßzustellen, sondern einfach den Künstler an das Mic zu lassen! MARC HOINKIS funkt TheMora an, der ihm einen Blick hinter die Kulissen gewährt.

MARC HOINKIS: Moin Moin! Schön, dass du Zeit für mich hast! Weißt du eigentlich, was das gute an solchen Telefoninterviews ist? Ich kann hier einfach in Unterhose sitzen und Kuchen essen, während wir quatschen.
TheMora: Ja man, Jogginghose- und Kaffee-Zeit am Sonntag ist extrem entspannt.

TheMora

Durch den Lockdown bin ich irgendwie in repetitive Muster verfallen, da gehört Kuchen in Unterhose essen irgendwie dazu.
Apropos: Ich habe dein Album als eine Art Kreislauf wahrgenommen, da sich Anfang und Ende so wunderbar verknüpfen lassen. Aber auch deine Texte erzählen von Dingen, die dafür prädestiniert sind, sich zu wiederholen. Hast du Erfahrung mit wiederkehrenden Situationen gemacht?

Dieser Gedanke geht eigentlich eher auf meine erste EP zurück, die mehr eine Zusammenstellung aus Songs war. Da ging es noch darum, Songs zu schreiben und mich auszuprobieren, das war mein Ziel. Ich denke, das hört man auch. Außerdem war die Stimmung viel dunkler. Was ich jetzt mit meiner zweiten Scheibe versucht habe, ist einen Teil von etwas Größerem zu erschaffen. Größer als fünf oder sechs Songs, größer als ein Album. Der Anfang der EP nimmt ja auch einen Teil des vorherigen Albums auf, so wird das vergangene und das zukünftige, was vielleicht noch kommt, zusammengebracht. Somit ist sie der Hauptteil, aber gleichzeitig auch eine Art Übergang, da es nicht nur die Teile zusammenfügt, sondern da in diesem Album auch etwas stirbt und etwas Neues hinzukommt. Für mich ist es so, als hätte ich mit zwei Story-Lines gearbeitet. Die eine Story endet beim Song ›Love‹ und bei ›Myself‹ sind wir schon über den Berg und wissen, wo wir sind. Im Outro startet dann etwas Neues, soviel kann ich schon verraten.

Also hast du es wirklich eher als Durchgang zur nächsten Geschichte gedacht?
Das ist quasi mein ›Empire Strikes Back‹. Ich war immer großer Fan von George Lucas, das hat mich sehr beeinflusst. Da finde ich es sehr cool, dass man mehr hat, als nur einen Film, nämlich eine Trilogie. Auch ›Trilogy‹ von The Weekend hat mich sehr beeinflusst, das waren seine ersten drei Mixtapes. Auch wenn es darin nur um ein Thema geht, war es trotzdem Evolution und Einheit.
Ich wollte etwas schaffen, das auf mehreren Ebenen funktioniert. ›Why‹ ist ein guter Song, um das zu beschreiben: Man hat diese kurze Stille zwischen den beiden Tracks. Man hat sozusagen etwas Internes und etwas Externes, das höre ich bei vielen Songs. ›Should I‹ ist die Evolution eines Gedanken. Und so geht das weiter, man arbeitet sich durch. Der Freestyle im Intro bezeichnet, wie es sein sollte. Was oft gezeigt wird: das oberflächliche »Gute-Welt«-Bild.
Irgendwann merkt man, dass es nicht so einfach ist, zu diesem Punkt zu kommen. Bei ›Myself‹ ist man dann an einem ganz anderen Punkt und hat ’nen anderen Lösungsansatz und merkt, dass die Lösung nicht die vorgegebene ist.
Für mich ist das Album eine Erfahrung, ich könnte da jetzt keinen Track als Single auswählen oder im Radio spielen. Es ist einfach komplett zusammenhängend. Das habe ich von Kendrick Lamar mitgenommen. Bei ›To Pimp a Butterfly‹ zum Beispiel gehst du als anderer Mensch heraus, wie du hereingegangen bist. Es verändert dich, während du es hörst, weil du dir dabei Fragen stellst. Ich finde es sehr interessant, wenn Musik das schafft. Ich finde es interessanter, etwas zu haben, das ein Fragezeichen anstatt eines Ausrufezeichens erzeugt.

Das hast du auch geschafft. Vom Sound her ist dein Album ja wirklich eine gute Mischung aus alten und neuen Einflüssen. Wer oder was hat dich im Entstehungsprozess inspiriert?
Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem ich viele verschiedene Dinge mitbekommen habe. Die erste Band, die ich gehört habe, waren die Eagles. Danach kam Van Halen, später durch meine Mom Disco und meinen kleinen Bruder Hip Hop, Rap und R’n’B. Für mich gibt es nur gute und schlechte Musik. Ich habe aber tatsächlich noch nicht so viel schlechte Musik gehört. Manchmal habe ich zwar etwas Zeit gebraucht, aber bisher konnte ich an fast allem Gefallen finden. In letzter Zeit war es viel ASAP Rocky, viel Van Halen. Das hört man wohl in dem Solo von ›Should I‹. Der Song »Love« ist stark von Lenny Kravitz beeinflusst. Bei ›Myself‹ war es extrem viel J-Zay, vor allem vom rhyme-scheme. Bei ›Why‹ war es viel Scissor, aber auch Ariana Grande. Intro und Outro waren stark von Kendrick, J. Cole und The Weekend beeinflusst.

Hast du eigentlich Samples benutzt?
Nein, das ist alles von mir. Als ich herausgefunden habe, dass Kendrick Lamar Samples verwendet, war das natürlich in Ordnung für mich, aber da war auf einmal weniger Connection. Deswegen möchte ich denen, die sich diese EP anhören, 100 Prozent von meinem Produkt geben. Dass diese Musik nicht irgendetwas Cooles aus den Siebzigern wieder bringt, sondern alles komplett neu ist. Ich möchte lieber Teil von etwas Neuem sein, als Teil von etwas Altem.

Wie ist denn so deine Herangehensweise?
Das wechselt immer. Ich experimentiere auch noch ein bisschen, aber meistens habe ich verschiedene Phasen. Die erste Phase beginnt mit dem Schreiben der Texte, denn diese sind mir besonders wichtig. Es gibt so viele coole Songs, wo die Texte nicht gut sind, grade im Rock Genre. Da gibt es einfach viele Texte, die nicht viel aussagen. Ich mache dann täglich Beats und irgendwann kommt der Punkt, an dem ich merke, dass ich etwas mache, das zu einem Text passt, und die Stimmung dieselbe ist. Sobald dieser Moment da ist, bekomme ich es dann nicht mehr aus dem Kopf. Dann wird daraus ein fetter Song.
Ich mache dann das Arrangement und nehme es auf. Dann kommt die Mixing-Phase – und dann die Mastering-Phase. Das geht auch manchmal ineinander über, aber für mich ist eine Album-Aufnahme immer ein Schnappschuss, deswegen versuche ich, nach der Aufnahme so wenig wie möglich daran zu ändern.

Ist dir dabei irgendetwas schwergefallen?
Was mir besonders schwer fällt, ist, vor das Mic zu treten und die Wahrheit zu sagen. Ich will nicht darüber sprechen, dass ich 10 Lambos und Bitches habe. Nein, das wäre einfach und auch nicht die Wahrheit. Es ist viel schwieriger vor dem Mic zu sagen, wie ich mich wirklich fühle, aber das finde ich auch viel interessanter. Gesang ist für mich auch ein schwieriges Thema, weil ich noch nicht so lange singe. Ich weiß nicht, wie weit ich gehen kann, aber ich weiß, was mir gefällt. Ich habe auch niemandem vorher etwas von dem Album gezeigt. Das war für mich der Vorteil, dass ich alles so machen konnte, wie es mir gefallen hat, das gab mir eine große künstlerische Freiheit.
Ich finde schade, dass viele Leute fragen: Bist du Rapper oder Sänger? Ich will beides sein. Das ist aus einem Moment entstanden, als Kendrick Lamar und The Weekend bei Vevo diesen Gig hatten wo sie ›Sidewalks‹ gespielt haben. Da gibt es einen sehr coolen Rap Part und einen Gesangs Part, den ich auch echt cool finde. Da habe ich mir gesagt: Warum soll ich nicht beides sein können?

Was mir eher leicht fällt, ist das Arrangement. Das macht mir auch am meisten Spaß, wenn ich ’nen neuen Beat habe. Vielleicht Gitarre darüber spielen oder nicht … Man findet einfach interessante Richtungen, in die das gehen kann. Da bin ich stark von den damaligen Eagles beeinflusst, weil die so viele verschiedene Gitarren Parts hatten. Und so viele coole Licks in fast jedem Song. Außerdem John Williams, der die ›Star Wars‹-Scores geschrieben hat, in denen so viel passiert.

Welches Equipment benutzt du eigentlich?
Ich habe eine Gibson Les Paul, eine Explorer und eine Martin 00-15 von ’nem sehr guten Freund. Auf der Martin habe ich eigentlich alles geschrieben, was ich bisher aufgenommen habe. Ich arbeite aber viel »in the Box«, denn ich denke, dass Gear dich nicht besser macht. Die ganzen Gitarren sind mir auf meiner Arbeit irgendwie über den Weg gelaufen oder haben mich gefunden. Für mich ist aber die Idee das Wichtigste. Du brauchst kein Multimillionen-Dollar Studio, du musst einfach nur deine Idee raus bringen. Ich habe immer diesen Rock Aspekt dabei, dass ich versuche, meine Limitierungen zu meinem Vorteil zu nutzen.
Meine Vocals nehme ich mit einem AKG C214 auf, die Gitarren spiele ich meist direkt ins Interface. Ich benutze für die Gitarren selten einen Amp oder ein Mic. Für das, was ich vorhabe, reicht das so. Ich spiele alles über Logic Pro 10 ein. Das Herz ist mein altes MacBook. Das ist total fucked up, aber ich werde es benutzen, bis es stirbt!

Und du hast alles alleine gemacht?
Im Outro-Part haben mir zwei gute Freunde den Gefallen getan, meine Vision zum Leben zu erwecken. Von denen kann man vielleicht auf der nächsten Platte mehr hören. Ansonsten habe ich alles selber gemacht.

Respekt! Wie lange hast du denn daran gearbeitet?
Aktiv daran gearbeitet habe ich seit Januar, Februar dieses Jahres. Durch den Lockdown hatte ich natürlich auch mehr Zeit dafür und ich hatte dadurch den Vorteil, mir die Zeit nehmen zu können und auszuatmen.

TheMora

Das Ergebnis kann sich definitiv sehen – beziehungsweise hören lassen! Vielen Dank für deine Zeit. Meine abschließende Frage an dich: Welche drei Alben würdest du mit auf die Lockdown-Insel nehmen?
Damn von Kendrick Lamar, Led Zeppelin IV und Hotel California von den Eagles.

Gute Wahl. Dann mal reingehauen und bis bald!

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