Crossover

Für Kinder | Spielen und Lesen

Als ich vor vielen Jahren für das titel-magazin zu schreiben begann, war es das ›Magazin für Literatur, Film und Crossover mit News und Rezensionen‹. Und es gibt ein paar Dinge, die man gut für Kids unter den Weihnachtsbaum legen könnte und die eigentlich genau in die Kategorie CROSSOVER passen. Weihnachtstipps von ANDREA WANNER, die irgendwas mit Lesen und Buch zu tun haben.

Magische BuchstabenZu den spannendsten Dingen im Leben gehört das Lesenlernen. Das ist manchmal mit Mühen verbunden, die lebenslang belohnt werden, wenn man die Magie der Buchstaben einmal verstanden hat. Und Magie hat auch das Duden-Leselernspiel zu tun. Für Zaubertränke muss man die passenden Zutaten finden. Dazu würfeln sich zwei bis vier Kinder, die die Buchstaben schon kennen, von dem Zauberkessel auf dem Spielplan die Wege entlang von Haus zu Haus und holen sich dort die Anfangsbuchstaben der jeweiligen Zutat. Von der kennt man zunächst nur einen Bestandteil: Kraut oder Quark oder Popel zum Beispiel. Wer den Anfangsbuchstaben aus dem passenden Haus – wie also hier ein K, ein Q oder ein P – ergattert hat, erfährt den zweiten Teil der Ingredienz: beispielsweise Wurm, Pilz oder Saft. Die beiden Zutatenteile werden aneinandergepuzzelt und wer auch den Anfangsbuchstaben der zweiten Karte erbeutet hat, der hat, was er oder sie für den magischen Trank braucht. Hier also Krautwurm, Quarkpilz und Popelsaft. Natürlich liegt es zusätzliche Regeln und Spielevariationen, je nach Lesevermögen. Der Charme liegt in den witzigen Wortkombinationen, die von Fischfurz bis Elfenhose reichen und Lust aufs Lesen und Schreiben machen.

WuschelWuschel im Rahmen des Themas Lesen vorzustellen: das ist ein besonderer Kraftakt, denn Wuschel gehört eindeutig in die Kategorie Kuscheltier. Ein rundes, knuffiges mit großen Knopfaugen und einem einer zusätzlichen Füllung im Po, die ihn satt sitzen lässt. Wuschel ist anschmiegsam, lässt sich werfen und fangen und wirkt tröstlich. Und er kommt in Begleitung eines kleinen, gereimten Bilderbuchs daher, das zum Spielen und Toben, Kugeln und Purzeln und Umarmen einlädt. Er ist – wie praktisch– maschinenwaschbar. Irgendwie steht er für gute Laune und erobert das Herz im Sturm.

Yuri-und-Vincent Die Frage danach, was ein Buch ist, scheint schnell beantwortet: bedrucktes, beschriebenes oder bemaltes Papier, die mit einer Bindung und einem Einband versehen sind. Und wenn wir die Geschichte von Yuri und Vincent anschauen, müssen wir umdenken. Fangen wir mit dem Formalen an. Für die packende Story von einem Papagei, der Angst vor dem Fliegen hat, und seinem Freund, einer Maus, muss man keine einzige Seite umblättern. Das Abenteuer ist sage und schreibe 14 Meter lang und kommt als Buchrolle daher. Schrift- oder Buchrollen haben eine lange Geschichte. Die ältesten stammen aus Ägypten und da schon aus dem 4. Jahrtausend vor Christus. Rollen waren die typische Buchform des Altertums, ehe sie durch Kodizes, dem Vorläufer unseres heutigen Buches verdrängt wurden. Und jetzt ist sie wieder da, die Buchrolle. Sie wird in einem Berliner Verlag gedruckt, der – nomen est omen – den Namen ROUND NOT SQUARE trägt. Und statt geblättert wird – klar – gerollt. Der Effekt, der dabei entsteht, ist ein bisschen wie Filmgucken. Aber man problemlos jederzeit anhalten. Und rückspulen. Der Verlag wirbt damit, dass die Rollen irgendwo zwischen klassischem Buch und Kunstdruck liegen. Schön ist das. Hat aber auch seinen Preis.

Das Wichtigste aber ist natürlich die Geschichte. Und die ist wirklich stark. Vincent ist ein hübscher Papagei mit leuchtend grünen Federn, der in einer Kiste lebt. Da versteckt er sich und gibt vor, ein Elefant zu sein. Klar, denn Elefanten können nicht fliegen und müssen es folglich auch nicht. Wie sich das Versteck aus Holz vor den Augen des Betrachters in einen Elefanten verwandelt, gehört zu den absoluten Höhepunkten! Und vor der Kiste wohnt Yuri, die Maus. Die beiden sind die besten Freunde, Yuri besucht Vincent täglich. Allerdings muss der sich immer mehr Ausreden einfallen lassen: wie er überhaupt in der Kiste Platz hat, warum Yuri ihn nicht besuchen kommen darf und warum er nicht seinen Rüssel benutzt, um an die Leckereien vor der Kiste zu gelangen. Klar, eine Sache der Unmöglichkeit für einen Papagei. Davon ahnt die Maus nichts. Und so spitzt sich die Lage zu. Paula Barbosa nutzt fantasievoll sämtliche Möglichkeiten des nahezu endlosen Papiers. Figuren und Text schlagen Purzelbäume, beschleunigen das Tempo oder nehmen Geschwindigkeit raus. Ein wunderschöner, ungewöhnlicher und bibliophiler Bilderbuchspaß.

BilderbuchUnd zu guter Letzt noch ein »richtiges« Buch. Zugegeben: Das ist ganz schön provozierend. Bücher nicht so zu behandeln wie wir – die Erwachsenen – denken, dass man sie behandeln sollte. Wie sehen meine Lieblingsbücher aus? Abgestoßen, fleckig, mitgenommen? Nein, garantiert nicht. Vor vielen Jahren habe ich eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht und ertrage es bis heute nicht, wenn jemand einem Buch absichtlich den Rücken bricht. Eselsohren zum Merken, wo man weiterlesen will. Ich bevorzuge Lesezeichen. Das kann auch eine Postkarte oder ein nicht mehr gebrauchter Einkaufszettel sein. Ja, ein bisschen Ehrfurcht gehört für mich dazu. Händewaschen, ehe ich einen Bildband anschaue. Immerhin keine weißen Handschuhe … Und dann das: Die Aufforderung an die Kleinen, ein Buch fertigzumachen. Es zu nicken, zu falten, durch die Luft zu werfen, reinzukritzeln…
Keri Smith, die mit Mann und Sohn als Künstlerin und freie Autorin in New York und auf dem Land in Kanada lebt, hatte diese verwegene Idee bereits vor Jahren. Und jetzt setzt sie sie für ein jüngeres Publikum als Bilderbuch um. »Dieses Buch hier wartet auf dich. Ja, auf dich! Es braucht dich dringend, ohne dich ist es nichts. Aber du kannst es zum Leben erwecken und zum Fliegen bringen. Ist ein Buch, das nicht benutzt wird, eigentlich überhaupt ein Buch?« Vielleicht weckt gerade dieser ungemein sinnliche und erlebnisbetonte Umgang mit einem Buch die Liebe zu Büchern? Mit einem Buch tanzen, daran riechen, es schweben lässt … Auf jeden Fall ist es ein wunderschön gemachtes Buch und es erfasst, dass es eine ganz besondere Beziehung zwischen dem Papier zwischen zwei Buchdeckeln und seinen Leserinnen und Lesern gibt.

Und ansonsten liefern wir an dieser Stelle ja Woche für Woche Buchtipps, die sich natürlich auch bestens als Weihnachtsgeschenk eignen.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Ursula Günster-Schöning: Die Stadt der magischen Buchstaben
Finde die Zutaten für den Zaubertrank
Leselernspiel ab 5 Jahren
Berlin: Duden Verlag 2020
19,95 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Mein Freund Wuschel
Kuscheltier mit Bilderbuch im Set aus der Reihe Lustige Tierparade
Text des Bilderbuchs von Kristina Schaefer, Illustrationen von Yvonne Semken
Münster: Spiegelburg 2020
ca. Ø 25 cm, aus Plüsch mit Polyesterfüllung
ca. 13 Euro, Ab 3 Jahren

Dominik Bollow: Yuri und Vincent
Ein Papagei will nicht fliegen
Illustriert von Paula Barbosa
Berlin: Round Not Square. Verlag für Buchrollen 2020
14 Meter lang, 29 Euro
Bilderbuchrolle ab 4 Jahren

Keri Smith: Mach dieses Bilderbuch fertig
(Wreck this Picture Book, 2020)
Aus dem Englischen von Ulrike Becker
München: Verlag Antje Kunstmann 2020
56 Seiten, 15 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
| Leseprobe
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Der Spion aus der Kälte

Nächster Artikel

WHY SHOULD I LOVE MYSELF

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Viele Fragen – und unerwartete Antworten

Kinderbuch | Stefanie Höfler: Mein Sommer mit Mucks

Eigentlich weiß Zonja (mit Z und eben nicht Sonja) schon genau, wie ihr Sommer aussehen wird. Sie wird ins Freibad gehen und Leute beobachten. Fragen stellen und den Dingen auf den Grund gehen ist genau ihr Ding. Aber dann wird dieser Sommer ganz anders. Von ANDREA WANNER

Auf der Suche nach…

Kinderbuch | Oren Lavie: Konrad Kröterich und die Suche nach der allerschönsten Umarmung

Zwischen Träumen und der Realität liegen oft unüberbrückbare Abgründe. Und kann das, was man sich in den schönsten Farben ausgemalt hat, schnell zum ganz großen Frust werden. Eine Erfahrung, die auch ein Kröterich machen muss. Hinreißend, findet ANDREA WANNER.

Ferienprogramm

Kinderbuch | Michele Weber Hurwitz: Wie ich die Welt in 65 Tagen besser machte Die Sommerferien gestalten sich für Nina nicht besonders spannend. Irgendwie ist alles anders, als es sein sollte – bis sie eine Idee hat. Spontan, ein bisschen verrückt und mit ungeahnten Folgen. Von ANDREA WANNER

Ungewöhnliche Shoppingtouren

Kinderbücher | Der Geräuschehändler / Albertas Wunschladen

Einkaufen gehört zu den alltäglichen Dingen. Wer aber die beiden Ladenbesitzer, Alberta und den Geräuschehändler kennenlernt, die ganz unterschiedliche Dinge offerieren, spürt den Reiz des Besonderen, der aus einem Einkauf ein unvergessliches Erlebnis macht. Von BARBARA WEGMANN und ANDREA WANNER

Er ist einfach zu lang

Kinderbuch | J.John/L.Smith: Roberta und Henry Das kennen wir alle: So oft sind wir nicht mit uns zufrieden: Die Haare sind zu glatt, zu dünn, zu kraus, die Lippen zu schmal oder zu dick. Der Hals ist zu scheckig, zu streckig oder zu halslos – so geht es Roberta und Henry. Ein wunderbares Bilderbuch, grandios übersetzt von Andreas Steinhöfel. SUSANNE MARSCHALL ist begeistert.