Dieses Bilderbuch ist ein Klassiker: 1988 erstmals erschienen, ist es bis heute ein bezauberndes Buch mit einer nicht minder bezaubernden Geschichte über den Kreislauf der Natur, die Jahreszeiten und kleinen Bewohner tief unten im Erdreich, wenn es oben stürmt und schneit. Von BARBARA WEGMANN
Das ist schon eine charmante kleine Gemeinschaft, die da unter der Erde in kleinen Gängen und winzigen Höhlen haust: ein Engerling, zwei Würmer, namens Schnurps und Knurps, dann Rottolo, ein Käfer und schließlich Ria, die Raupe. In der größten der kleinen Höhlen spielen die Freunde regelmäßig Karten, nicht gerade Rottolos Stärke.
Ȇber der Erde wirbelt der Sturm
Die Blätter von den Bäumen.
Es ist Herbst geworden.«
Der Winter zieht ein und die fünf Bewohner freuen sich schon jetzt auf den Frühling. Gegenseitig zeigen sie sich ihre Vorräte und Behausungen, die durch unterirdische Gänge miteinander verbunden sind. Die weitverzweigten Gänge der Würmer, die kleine Höhle des Käfers, Rias fast verwunschen schöne Wohnung und schließlich der Engerling, der es ganz spannend macht: »Auch ich habe einen Vorrat« sagt er den Freunden, »Aber er ist ein Geheimnis! Wenn alles andere aufgezehrt ist, wollen wir ihn gemeinsam essen.«
Die Tür zu seiner Vorratskammer ist mit einem Schlüssel verschlossen und der Schlüssel hängt an der Wand. Besonders Rottolo, der Käfer, wird nun sehr neugierig und hungrig und mag an nichts Anderes mehr denken.
An einem Abend kommt Ria, die Raupe nicht mehr zum Kartenspiel, sie träume vom Fliegen, erzählt der Käfer den Freunden, sie träume von »Farben und Luft«. Sie brauche nichts zu essen, sie brauche nur Träume, sagt er, etwas verwirrt.
Ob die Freunde sich nach einem harten Winter mit Eis und Schnee wiedersehen, im Frühjahr, über der Erde?
Es ist bei diesem Bilderbuch sehr schwer zu sagen, was einem besser gefällt, der Text oder die Bilder, beides ist stimmig und harmoniert, wie ein zweistimmiges Lied, dennoch: ich habe mich für die Illustrationen entschieden, denn sie eignen sich bestens, auch ohne den Text eine eigene Geschichte zu erfinden und zu erzählen. Die Fantasie erwacht, die Bilder sprechen eine so reiche Sprache.
Die Schweizer Grafikerin Kathi Bhend hat viele, viele Kinderbücher illustriert und ebenso viele Preise bekommen. Ihre Zeichnungen für diese Geschichte, schon ein Klassiker aus dem Jahr 1988, neu bearbeitet, sind so wunderschön, dass man sich gar nicht sattsehen kann. Bis ins allerkleinste Detail gibt es etwas zu entdecken, liebevoll und verspielt die »Einrichtungen« für die kleinen Höhlen. Rottolo, der mit einer Taschenlampe seine Vorräte für den Winter prüft, sogar ein Buch unter seinem Kissen liegen hat, der Engerling, mit Brille und dickem Schal um, es wird kalt in diesem Winter. Wie verzaubernd die versponnene Behausung der Raupe, lauter Fäden, lauter Knäuel mit neuen Fäden, was strickt sie nur?
Egal, wie alt, es macht riesig viel Freude das Buch zu entdecken, Sympathie und gute Laune bringt man spontan den kleinen Darstellern entgegen. Und man blättert garantiert wieder zurück, denn auf jeder Seite gibt es eine Menge kleiner Dinge und Geheimnisse aus der Natur zu entdecken.
Titelangaben
Eveline Hasler: Im Traum kann ich fliegen
Mit Illustrationen von Käthi Bhend
Überarbeitete Neuausgabe, 1988 erstmals erschienenen
Zürich: NordSüd Verlag 2020
32 Seiten, 15 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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