Das Leben lieben

Kinderbuch | Erwin Moser: Billi, die Baummaus

Nein, Wandermäuse gibt es nicht wirklich. Baummäuse schon. Die leben alle in Afrika – südlich der Sahara. Total egal, welche Art es wirklich gibt. Wenn Erwin Moser von Billi erzählt, ist die eine der lebendigsten Mäuse, die sich ANDREA WANNER nur vorstellen kann.

Billi die BaummausVorsicht: Wenn es um Erwin Moser geht, bin ich total voreingenommen. Wenn Moser erzählt, entsteht eine ganz eigene Welt, die bevölkert ist von Elefanten, Katzen, Bibern, Uhus, Siebenschläfern und immer wieder Mäusen. Eine Welt, von deren Zauber und Magie so lakonisch und nebenbei erzählt wird, dass man sich sofort zu Hause fühlt und jedes Wort glaubt.

So eine Welt ist die von Billi, einem Mäusemädchen, das mit ihrem Bündel an einem Stecken unterwegs ist, um ein neues Zuhause zu suchen. Sie findet es in einem hohlen Baum. Dort macht sie es sich gemütlich und aus der Wandermaus wird eine Baummaus.

Wir begleiten die vier Jahreszeiten mit je sechs Bildergeschichten, die mit sechs Bildchen eine Doppelseite einnehmen: vierundzwanzig kurze Episoden, die von Löwenzahnpost im Frühling, einem Ausflug auf die Blumeninsel im Sommer, der Freundschaft zu Glühwürmchen im Herbst und einer Schneespinne im Winter erzählen. Und natürlich von noch viel mehr Abenteuern, für die eigentlich immer Kleinigkeiten der Auslöser sind: Zwei Vogelfedern nutzt Billi für Flugversuche (die allerdings schiefgehen, schließlich ist sie keine Fledermaus. Sie löst die Sache mit den Federn dann anders.); eine leere Zündholzschachtel, die als Boot dient und mit der Billi die Schilfmäuse besucht; einen halbe Nussschale, die sich in den perfekten Schlitten verwandelt. Liebenswerte kleine Begebenheit mit ganz eigenem Charme, die viel über Freundschaft, Kreativität, Nähe, Hilfsbereitschaft und Mut erzählen.

Moser hatte die Idee zu Billi bereits 1982: Ihre ersten Abenteuer erschien damals in dem Album ›Mein Baumhaus‹. Zwanzig Jahre später wollte er daraus die Vier-Jahreszeiten-Reihe machen und begann mit ersten Skizzen. In diesem Jahr er erhielt er die Diagnose ALS, eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, die ihn schon bald am gewohnten Weiterarbeiten hinderte. Gemeinsam mit seiner Frau Ruth fand er schließlich doch einen Weg, gemeinsam das Begonnene zu Ende zu bringen. Nicht nur die Billi-Story, sondern noch viele wunderbare Bücher.

Moser ist 2017 in Wien gestorben, Ruth Moser schreibt: »Sein ausdrücklicher Wunsch war es, dass ich ›Billi, die Baummaus‹ erst nach seinem Tod als ein besonderes Vermächtnis an seinen Verlag geben soll. Billi, die Baummaus, eine abenteuerlustige, witzige und liebenswerte Maus, die das Leben liebt, so wie er es geliebt hat!«

Das spürt man auf jedem einzelnen Bild. Und meine ganz persönliche Hochachtung vor diesem Künstler und Autoren ist noch ein Stückchen gewachsen. Er hat uns Heldinnen und Helden hinterlassen, Geschichten und Abenteuer erdacht, Gefahren und Rettungen beschrieben, die zum Besten und Liebenswertesten in der Kinderliteratur gehören.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Erwin Moser: Billi, die Baummaus
Streifzüge eines mutigen Mäusemädchens
Weinheim: Beltz & Gelberg 2020
64 Seiten, 14,95 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Falsche Signale

Nächster Artikel

Opa ist ein weicher Felsen

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Zukunft als Geschenk

Kinderbuch | Davide Cali / Maurizio A. C. Quarello: Kleiner Inuit und der weise Elch Wie wohl jedes Kind stellt Kleiner Inuit viele Fragen, doch nicht alle Fragen sind leicht zu beantworten. Um herauszufinden, ob auch er ein großer Jäger werden wird, begibt sich Kleiner Inuit auf eine abenteuerliche Reise durchs ewige Eis und – verbotenerweise – über den großen See. JOHANNES BROERMANN hat ihn begleitet.

Verlusterfahrung

Kinderbücher | Als die Namen verloren gingen / Eissterne im Sommer Krisen sind immer gute Themen, längst auch in Büchern für sehr junges Publikum. Der Mannheimer Kunstanstifter Verlag hat sich für zwei Neuerscheinungen etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um von Verlustängsten, Verlusten – und Hoffnung zu erzählen. Von MAGALI HEIẞLER

Wenn man Unordnung vermisst

Kinderbuch | Jule Wellerdiek: Holgers Haus

Manchmal sind Freundschaften so eine Sache. Wer kann sich schon vorstellen, dass ein Stein und ein Fuchs Freunde sind? Nicht nur das, sie teilen auch noch ihr Zuhause. Aber wie das bei Wohngemeinschaften so ist, da kanns auch mal ordentlich rappeln im Karton. BARBARA WEGMANN hat die ungewöhnliche WG in diesem Buch besucht.

So eine Schweinerei!

Kinderbuch | Ian Falconer: Olivia in Venedig Mitten in der schönsten Osterzeit, bei Hasenhochkonjunktur, lässt Ian Falconer eine Horde Schweine los. Ausgerechnet auf Venedig. Die Stadt der Gondeln, der Brücken und Tauben. Im Land von Gelati und Pizza. Wenn Olivia in Venedig ist, dann kann eigentlich nur eine riesengroße Schweinerei herauskommen. Darauf braucht VIOLA STOCKER erstmal ein … Na? Richtig, ein Gelato!

Staffellauf

Kinderbuch | Christine Knödler (Hrsg.): Das Schaf im himmelblauen Morgenmantel Was wird aus zwei Pinguinen, die an einer Bushaltestelle auf den Bus warten, der sie – ja, wohin eigentlich – bringen soll? Träumen kann man ja mal. Vom Meer. Vom Land, wo die Zitronen brühen. Von einem Fest mit Tanz. Aber wo die Geschichte hinführt … ANDREA WANNER ließ sich mitnehmen – von Bild zu Wort zu Bild zu Wort zu Bild.