Ein Junge soll auf einen frechen kleinen Hund aufpassen. Das gelingt ihm nur mäßig und endet unerwartet. Endlich gibt es Chris van Allsburgs Klassiker aus dem Jahr 1979 in einer deutschen Ausgabe, freut sich ANDREA WANNER.
Der amerikanische Schriftsteller und Illustrator hat ein ganz besonders Geschick beim Ausloten von Abgründen und Geheimnissen. Dabei ist die Geschichte schlicht und schnörkellos. Frau Hester hat einen Hund und eine Cousine. Und weil Fritz, der Hund, die Cousine bereits sechs Mal gebissen hat, bittet sie verständlicherweise um einen Besuch ohne Hund. Also vertraut Frau Hester ihr Haustier Alan Mitz an.
Der Vormittag geht reibungslos vorüber und es gelingt dem Jungen, den Wildfang im Haus seines Frauchens soweit im Zaum zu halten. Nach einem Mittagsschläfchen und einem Biss in die Nase machen sich die beiden auf eine Spazierrunde. Und da geschieht das Schreckliche. Sie kommen an ein von einer Mauer umgrenztes Grundstück. »ALLERSTRENGSTES HUNDEVERBOT« steht da – und Alan ist klar, dass sie einen weiten Bogen um das Areal machen müssen. Aber er hat die Rechnung ohne Fritz gemacht, der nichts anderes zu tun hat, als sich von der Leine zu befreien und direkt in das verbotene Terrain zu laufen.
Und Alan? Dem bleibt nichts anderes, als Fritz hinterherzulaufen und die Bekanntschaft von Abdul Gasazi, der nicht nur ein Hundehasser, sondern auch ein mächtiger Zauberer ist, zu machen.
Mit feinen Strichen, alles in Schwarz-Weiß, gelingt es Chris van Allsburg eine Welt entstehen lassen, die auf der einen Seite ganz alltäglich wirkt und auf der anderen voller Geheimnisse steckt. In den dunklen Schatten scheint etwas zu lauern, die zu Figuren geschnittenen Büsche und Sträucher wirken merkwürdig lebendig, die Wolken am Himmel lauern bedrohlich und die Tür in Abdul Gasazis Wohnzimmer, wo er lässig am Kamin lässt und kleine Rauchkringel aus seiner Zigarre pafft, führt in ein unergründliches Dunkel. Was passiert wirklich? Was ist überbordende Fantasie und eine Fehldeutung von Dingen? Und was ist doch ein geheimnisvolles Zauberwerk, das sich allen Erklärungsversuchen entzieht? Es gibt kleine Hinweise, aber sind es mehr als Indizien?
Die New York Times schwärmt beim Erscheinen des Bilderbuches: »Dies ist ohne Frage eines der besten – und originellsten – Bilderbücher der letzten Jahre.« Und was für 1979 galt, gilt für heute noch genauso. Van Allsburg spielt mit Perspektive und Raum, mit Licht und Schatten, mit der Naivität seiner Figuren und seiner Leserinnen und Leser. »The idea of the extraordinary happening in the context of the ordinary is what’s fascinating to me«, verrät er auf seiner Homepage. Und am besten überlässt man sich der Magie dieser Zweideutigkeit und taucht ab in die geheimnisvolle Welt des Zaubergartens.
Titelangaben
Chris van Allsburg: Der Garten des Abdul Gasazi
(The Garden of Abdul Gasazi, 1979)
Aus dem Englischen von Mirko Dürlinger
Berlin: Kraus Verlag 2022
32 Seiten, 17,90 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander