Es gibt Titel, die einen sofort ansprechen und die Fantasie im Kopf ankurbeln. Eine Spinne, die Klavier spielt. Hört man da nicht sofort leise, sanfte, hohe Töne, die nach Spinnenarmen und – beinen klingen, die über die weißen und schwarzen Tasten huschen? ANDREA WANNER freute sich auf das Bilderbuch.
»Kannst du hören, was du siehst?« lautet die Frage auf dem Klappentext, über die man vielleicht nachdenken müsste, gäbe es nicht die Bilder, die sofort die Ohren spitzen lassen. Auf dem Cover ist das die besagte Spinne, die allerdings nicht auf der Klaviatur unterwegs ist, sondern ganz brav auf einem Hocker sitzt, zwei Spinnenbeinchen betätigen sogar die Pedale. Die Töne spritzen als in allen Farben funkelnde kleine Teile durch die Gegend. Klar, wer sechs Arme zur Verfügung hat, kann schon Unwahrscheinliches aus dem Instrument hervorbringen.
Innen folgt eine kurze Anleitung. Wer Bilder sieht, kann im Gehirn das passende Geräusch dazu erzeugen. Und damit es da nicht steckenbleibt, lässt man es einfach raus. So der Vorschlag, der meint: »Dieses Buch liest du am besten laut.« Nur: Zu lesen gibt es gar nichts. Nur zu sehen. Und was man sieht, muss man in Laute und Töne übersetzen. Klingt kompliziert? Ist es kein bisschen!
Das erste Bild zeigt einen Reiter auf einem Pferd vor einer Gebirgslandschaft. Er grinst, das Pferd trägt ihn. Schnell? Na ja, nicht so sehr. Das ist eher ein trab – trab – trab, das man da hören kann. Auf dem nächsten Bild hat einer einen Tischtennisschläger in der Hand und lässt einen Ball darauf hüpfen. Plong, plong, plong vielleicht. Und dann wird es schwierig. Welches Geräusch machen die Schirmchen einer Pusteblume beim Davonfliegen? Ssssss? Oder schsccht? Das muss man ausprobieren. Am besten nicht alleine, sondern zusammen mit anderen. Das sind echte Herausforderungen, wenn man einen wie wild im Kreis rennenden Tausendfüßler mit dem passenden Klang versehen soll. Oder das Geräusch, das man hört, wenn man einen Schlitten über den Schnee zieht. Oder wenn die Waschmaschine schleudert – und es einem schon von dem Bild ganz schwindelig wird.
Benjamin Gottwald hat mit viel Schwung, Kreativität und bunten Stiften ein tatsächlich 160 Seiten starkes Bilderbuch geschaffen, das einfach die Lust am Mitmachen weckt. Witziges, Absurdes, Alltägliches, Verrücktes: Er sammelt Situationen, bringt sie auf den Punkt und überlässt es den Leserinnen und Lesern sie zu vertonen. Den Hamburger Bilderbuchpreis hat er dafür schon bekommen.
Also, frisch ans Werk. Was hört man, wenn man einen Stein übers Wasser flippern lässt? Und was, wenn man ein Buch mit Schwung zuklappt? Aber wetten, dass man darauf bei diesem Buch lange warten muss!
Titelangaben
Benjamin Gottwald: Spinne spielt Klavier
Geräusche zum Mitmachen
Hamburg: Carlsen 2022
160 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
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