Wenn schon das Buch ein Genuss ist…

Sachbuch | Bernadette Wörndl: Wald- Kochbuch

Vier Frauen, jede mit ganz eigener Kreativität und Talent haben an dem Buch mitgewirkt und gewidmet hat Bernadette Wörndl – für Rezepte und Foodstyling verantwortlich- das Buch ihren Großeltern, die ihr, wie sie schreibt, schon als Kind mit viel Vertrauen die wilde Freiheit im Wald zum Geschenk gemacht hätten. Und die Leidenschaft für alles, was der Wald an kulinarisch Nutzbarem bietet, die spiegelt sich wider in einem außerordentlich liebevoll aufgemachten Buch. BARBARA WEGMANN hat sich auf den kulinarischen Waldspaziergang begeben.

Ich gebe ehrlich zu: dass man aus Tannen- und Fichtenzipfel derart Vieles in der Küche zaubern kann, das wusste ich nicht, bis meine Tochter mir neulich Tannenwipfelsalz schenkte. »Tannen- und Fichtenwipfel enthalten wertvolle ätherische Öle, Vitamin C und haben eine antiseptische Wirkung. All das hilft auf natürliche Weise bei Husten und Erkältungen.« Ob Sirup, Honig, Eis, Essig, Öl oder Butter, allem gibt das zarte Grün ein ganz herrliches Waldaroma. Zeitpunkt für die Ernte, die stets das Wohl der Bäume im Auge behalten sollte, sind etwa drei bis vier Wochen im Mai.

Ob bei Getränken, Brotaufstrichen, Gewürzen, bei Vorspeisen, Haupt- oder Nachspeisen oder in dekorativen Vorratsgläsern – die Schätze aus dem Wald verzaubern und erregen Aufmerksamkeit und Interesse, denn: Es sind ganz sicher ausgefallene Nuancen, Düfte und Geschmacksreize, die da aufgetischt werden. Waldmeister, Holunderbeeren, Heidelbeeren, Nüsse, Bärlauch, Pilze, Sauerklee, Gundelrebe, Veilchen oder Brombeeren, Löwenzahn oder Brennnessel, Wiesensalbei und Buchenkeimlinge, all das kann Reh, Ente, Fisch, Eis, Pudding oder Bowle eine ganz eigene Note geben.

Da ist eine Rehkeule eben längst nicht mehr »nur« eine Rehkeule: »Wer den Duft des Waldes in die Küche holen möchte, ist mit diesem Hingucker genau richtig. Und das Beste daran: die Keule gart beinahe von ganz allein, während man gemütlich im Wald baden kann.« Rehkeule im Waldbett nennt sich das Rezept und äußerst dekorativ und verflixt lecker liegt die knusprige Keule auf Buchen- Fichten- und Brombeerzweigen. Auge und Geruchssinn essen hier kräftig mit, versprochen.

Wer einmal mit dem Sammeln in der Natur beginnt, der achtet auf Qualität, und genau darauf, so sagt Bernadette Wörndl, müsse man unbedingt auch bei Produkten achten, die man nicht sammle, züchten oder jagen könne. »Entscheiden wir uns, mit wenigen, aber sehr wertvollen und guten Zutaten zu kochen, werden wir immer mit gutem Geschmack belohnt.«

184 im doppelten Sinne geschmackvolle Seiten, die nicht nur für den eigenen Gebrauch, sondern auch als Geschenkbuch bestens geeignet sind. Ein wirklich nicht alltägliches Kochbuch. Informativ und alle Sinne anregend entführt es in Natur und Wald, nimmt mit durch alle vier Jahreszeiten. Spuren und ein Quäntchen wertvoller Waldernte geben einem Gericht den letzten Pfiff, Informationen zu Haltbarkeit, Inhaltsstoffen und Erntezeiten, Merkmalen und Vorkommen der Naturschätze sorgen für eine sichere Hand beim Sammeln in der Natur.

Aber da ist noch etwas Anderes, das von diesem Kochbuch ausstrahlt und angesprochen wird. Gut verstehen kann ich, dass die Autorin das Buch ihren Großeltern gewidmet hat: Unsere Vorfahren hatten noch Eingemachtes im Keller, wussten, wo man zu welchen Zeiten des Jahres Naturfrüchte ernten konnte. Und dieses Wissen gaben sie weiter. Auch ohne moderne Küchen und Thermomix kochten unsere Großeltern gesunde und schmackhafte Gerichte, die regional waren, die für schlechte Zeiten länger haltbar gemacht wurden, die das beinhalteten, was Wald, Boden und Feld hergaben, natürlich und alles andere als überdüngt.

»Eingelegtes und Gesammeltes in die Gerichte einfließen zu lassen, macht Erinnerungen greifbar.« Schreibt die Autorin, das stimmt. Waldbaden, das sei, so schreibt Bernadette Wörndl, eine gute Gelegenheit für eine kurze Reise in die Vergangenheit und die Erlaubnis, einfach im Wald sein zu dürfen. »Wie damals, als wir noch Kinder waren.«

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Bernadette Wörndl: Wald- Kochbuch
Sammeln- erleben- entdecken- genießen
Hölker Verlag
184 Seiten, 32 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Geile Gefälligkeiten gefällig?

Nächster Artikel

Eldin

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

Fremde Welten

Sachbuch | Sy Montgomery: Rendezvous mit einem Oktopus Auf diversen Wegen gehen wir auf die Natur zu und lernen zu respektieren, dass Tiere ein Leben nach eigenen Regeln führen. Zwar wird von einer selbst ernannten Avantgarde bereits das Anthropozän ausgerufen, doch das dürfte allzu ambitioniert sein. Genau. Was wir früher schlicht als großmäulig bezeichneten, nennen wir heute ambitioniert. Von WOLF SENFF

Deutschland, Europa und die Welt

Gesellschaft | Ulrich Beck: Das deutsche Europa

Ein offenkundiger Widerspruch treibt mehrere Autoren zurzeit um: der Widerspruch zwischen dem von maßgeblichen Politikern gewollten Europa und der zunehmenden Skepsis in großen Teilen der Bevölkerung. Ulrich Beck liefert mit seinem Essay Das deutsche Europa, erschienen in der edition suhrkamp digital, die sozialdemokratische Antwort, meint THOMAS ROTHSCHILD

Die Mücke und die Weltgeschichte

Sachbuch | Timothy C. Winegard: Die Mücke

»Es dämmert bereits, und für die Stechmücke ist nun Abendessenszeit.« In diesen schönen, ersten Sommertagen sind sie wieder da, abends, wenn man gemütlich im Garten sitzen will, oder nachts, wenn man einschlafen will und jene kleinen Tierchen sich unüberhörbar dem Kopfkissen nähern: Mücken. Dass man über dieses Thema ein derart umfangreiches Buch schreiben kann, das erstaunt, fasziniert zunächst und macht ziemlich neugierig, zumindest BARBARA WEGMANN.

Dämmerzustand, dauerhaft

Gesellschaft | Sebastian Friedrich: Lexikon der Leistungsgesellschaft Sie verwechseln da etwas, liebe Frau Merkel. Die Atmosphäre von behäbigem Wohlgefühl und gesättigter Gemächlichkeit ist nicht das, was politisch erstrebenswert wäre. Politik soll mutig sein, unbequem sein, sie will miserable Zustände verändern, sie will die Dinge beim Namen nennen. Von WOLF SENFF

Kampf um Troja

Kulturbuch | Eberhard Zangger: Die Luwier und der Trojanische Krieg Wer nach Tikal oder sagen wir nach Angkor Vat verreist und sich über Land und Leute informiert, dem wird nicht entgehen, dass überall ein starkes Interesse daran besteht, die eigene Kultur und die eigene Geschichte zu sortieren. Von WOLF SENFF