»Wenn ich nicht mit dir an den Nordpol reisen darf, dann sterbe ich…!« So feurige Worte einer Frau für einen Mann, der als Erster Grönland durchquert und Ende des 19. Jahrhunderts dem Nordpol so nahe sein wird, wie kein anderer Forscher dieser Zeit. Fridtjof Nansen, Ozeanograph, Polarforscher und später Friedensnobelpreisträger. Und wer war diese Frau? Eva Sars, eine damals bekannte norwegische Opernsängerin. Nun, mitgefahren ist sie nicht, aber gestorben ist sie auch erst Jahre später. Es ist eine dieser neun wunderbar zu lesenden Geschichten zwischen Pol und Herz, von denen BARBARA WEGMANN begeistert ist.
Da stellt man sich doch so richtige Männer vor: Entdecker, Reisende, Forscher, die vor keinen Unbequemlichkeiten, Widrigkeiten und Unvorhergesehenem zurückschrecken, die Neuland entdecken, Rekorde im ewigen Eis aufstellen und zu Helden werden. Männer, die auf dem Weg zu Ruhm und Entdecker-Ehre keinen Platz für Frauen, Familie, Kinder in ihrem Leben haben, so denkt man. Von wegen. Archive und viel engagierte Recherche ergeben da etwas ganz Anderes. Diese Geschichten von Polarforschern, Seefahrern, Fischern und ihren Frauen, es sind Zeugnisse von leidenschaftlicher Liebe, versammelt in diesem kleinen Büchlein: Eine »unbändige Begeisterung für raue, eisige Landschaften« und gleichzeitig für »große zwischenmenschliche Leidenschaft«. Da müsste eigentlich schon damals die Gletscherschmelze eingesetzt haben …
Aber in der Tat: Mithilfe verschiedenster Dokumente, Briefe, Interviews, Bücher, Zeitungen, Tagebücher, wird auf gut 200 Seiten eine so ganz andere Seite jener Männer porträtiert und lebendig, die stets im Hintergrund schlummerte. Nehmen wir den amerikanischen Polarforscher Robert Peary, 1891 auf dem Weg nach Grönland, wohin es Forscher dieser Zeit so magisch zieht. Es ist zwar nicht seine erste Expedition, aber die erste gemeinsam mit seiner Frau Josephine. »Robert ist der Meinung, dass weibliche Begleitung für die ›physische und psychische Gesundheit sowie Aufrechterhaltung exzellenter Männlichkeit unumgänglich ist‹« Das bleibt nicht ohne Folgen: Auf einer nächsten Expedition wird auch die »Expeditionshebamme« mitfahren, und Josephine wird »ihr erstes Kind in der Arktis zur Welt bringen.
Die Frauen hinter diesen Polar-Vernarrten sind starke Frauen, oftmals sammeln sie zu Hause Geld für die kostspieligen Expeditionen ihrer Männer, nicht selten ziehen sie die Kinder alleine groß, manche begleiten ihre Männer, viel Einsamkeit zeichnet das Leben. Oft liegen Jahre der Trennung zwischen einem Wiedersehen, oft bedeutet es für die Frau monatelange strapaziöse Reisen in eine Region ohne jeden Luxus und Sicherheit. Vielleicht ja auch, um ihre Männer etwas im Blick zu behalten, so wie Josephine, die Peary hinterherfährt. »Ihre Liebe zu ihm sitzt so unendlich tief, sie würde ihm bis ans Ende der Welt folgen.« Peary jedoch war schon weitergereist, »… es gibt etwas Größeres, Mächtigeres als mich, und ich kann nicht widerstehen, mich dieser Arbeit hinzugeben.« Josephine trifft auf eine junge Inuitfrau, und die kennt »den weißen Mann, der hier immer nur kurz vorbeikommt und weiter in den Norden will« gut. Robert Peary. 1906 wird der Polarforscher, der behauptete den Nordpol erreicht zu haben »in Grönland genauso viele Kinder haben wie in Amerika«.
Es waren große Männer, auch Roald Amundsen oder Robert Falcon Scott. Ihrem Heimatland Ruhm und Ehre zu bringen, in die Geschichte der Polarforschung einzugehen, das waren ihre Anliegen, für die sie oft Haus und Hof und vor allem ihre Frauen alleine ließen. Auch bei dem Wettrennen zum Nordpol, das bekanntlich Amundsen gewann. Scott hatte sein gesamtes Zimmer im Überwinterungslager, wie es heißt, mit Bildern von Kathleen, seiner Frau, geschmückt. Die beiden sollten sich aber nicht wiedersehen. Scott und seine Mitstreiter sterben bei der Rückkehr zum Basislager.
Es ist die Fülle der Quellen, die das Buch attraktiv und sehr kurzweilig macht, so viele Tagebucheinträge, so viele Briefe, Publikationen und Zeitungsartikel, dazu Karten und alte Fotografien. Die beiden norwegischen Autoren betten darin ihre neun Liebesgeschichten und Schicksale ein. Ein Lesebändchen gibt dem liebevoll aufgemachten Buch das i-Tüpfelchen.
Titelangaben
Sigri Sandberg / Anders Bache: Polarliebe
Leidenschaftliche Briefe und Geschichten aus dem ewigen Eis
Mare Verlag
208 Seiten, 28 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Leseprobe