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Pilgern durch Europa

Kulturbuch | Die schönsten Pilgerrouten Europas

Man muss nicht gläubig sein, um zu pilgern, aber man sollte auf jeden Fall die Ruhe suchen wollen, die Natur, die innere Stimme. Mit Pilgerrouten verbindet man meist spontan den berühmten Jakobsweg, aber: es gibt viele weitere Routen in ganz Europa, Routen, die man zu Fuß, pilgernd eben, entdecken kann. BARBARA WEGMANN hat sich einige Strecken, zumindest im Buch, angeschaut.

Pilgerrouten Europa Der »Pilger« kommt aus dem Lateinischen und das Wort heißt soviel wie: In der Fremde sein, ein Pilgersmann eben. Pilgern, das heißt nicht nur wandern. Pilgern hat ein Ziel, da ist ein besonderer Ort, ein »religiöses Zentrum«, eine Kirche oder ein Tempel. Ein Ziel, das man nach mehrtägigem Fußmarsch erreicht. Nach Strapazen, nach einer Fülle von Eindrücken. In allen Religionen hat das Pilgern einen festen Platz, da gibt es Routen und Mythen, Geschichten und Begegnungen. Und die Pilger sind mittlerweile schon längst nicht immer religiöse Menschen. »Das mehrtägige Wandern nur mit dem Nötigsten im Gepäck verspricht eine intensive Reise zu sich selbst und zu Antworten auf große Lebensfragen, die gerade im aktuellen Zeitalter der Hektik, des Arbeitsstresses und des Leistungsdrucks viel zu oft zur Seite geschoben werden.«

Ein geschmackvoller Bildband kann bestens auf den Geschmack bringen, vorbereiten und eine Vielzahl von Wegen präsentieren, die für das Projekt »Pilgern« infrage kämen. 30 Routen werden hier auf mehr als 250 Seiten vorgestellt, quer durch Europa. Mehrtägige Routen oder auch Wege, die erst nach Wochen ihr Ziel finden. Leichte Strecken oder auch jene, für die man tatsächlich richtig fit sein sollte.

Gleich durch 4 Länder führt der Martinusweg, 172 Kilometer lang, mit geplanten 10 Tagen Wanderung, die Etappen liegen zwischen 13 und 26 Kilometern täglich. Trier, Luxemburg-Stadt, Arlon, Etalle, bis hin nach Mouson, Deutschland, Luxemburg, Belgien und Frankreich. Auf den Spuren des Heiligen Martin von Tours.

Viele nützliche Informationen zu den Routen runden das Porträt jeweils ab: ist der Weg »pilgertouristisch« gut erschlossen? Welche Wanderzeit wäre die beste? Wie gestalten sich die Anforderungen auf der Strecke? Was muss man unbedingt mitnehmen? Da wäre eine Sache absolut unerlässlich: Blasenpflaster. Hochwertige Wanderschuhe sollten es natürlich auch sein, der für die Statur passende Rucksack und: die »geistige Vorbereitung« so heißt es, ist wichtig. »Man sollte sich damit auseinandersetzen, was es bedeutet, sich auf diese Reise zu begeben- eine Reise, bei der es eventuell auch um die persönliche Beziehung zu Gott geht.« Oder auch zu sich selbst, füge ich einfach mal hinzu.

Pilgerwege, die durch Litauen, Russland und Polen führen, oder England, Schottland und Irland, der Paulusweg in Griechenland oder der Pilgerweg der Heiligen Birgitta von Schweden in Deutschland. Von Sassnitz bis Roseburg, 372 Kilometer, drei Wochen mindestens. »Ob die Heilige Birgitta von Schweden tatsächlich 1341 auf dieser Strecke gepilgert ist, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Sicher ist: Sie hat sich damals auf den Weg von Skandinavien nach Santiago de Compostela gemacht und ist dabei nach Stralsund übergesetzt.«

Und immer wieder sind es Landschaften, die so abseits gelegen sind, die für die Strapazen der Wanderungen entschädigen, schattige Kirchen, die zu Ruhe, Gebet und Einkehr einladen, immer wieder findet man auf den Etappen bedeutungsvolle historische Besonderheiten, wunderschöne alte Kleinstädte, Schlösser und Seen. »Den europäischen Kontinent per Pedes erkunden«, ein bemerkenswert schönes Buch, das als Einladung gesehen werden kann. Es ist ein Kaleidoskop der Möglichkeiten für all jene, die sich beginnen, mit dem Gedanken des Pilgerns zu befassen. Mitnehmen kann man das dicke Buch nicht, aber es verlockt dazu, für den einen oder anderen Weg sich weiterführendes Material anzusehen, wer weiß, vielleicht ja wenigstens einmal einen kleinen Teilabschnitt zu erwandern, ein erster Schritt.

In der österreichischen Umgangssprache ist ein Pilger übrigens auch ein Pülcher, was soviel wie »Gauner« oder »Betrüger« heißt. Das kam wohl daher, dass sich in früheren Zeiten so mancher Ganove als frommer Pilger ausgab und am nächsten Morgen vergaß, »das Übernachtungsgeld zu bezahlen.« Na, in früheren Zeiten eben …

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Die schönsten Pilgerrouten Europas
Traditionsreiche Pilgerwege, entschleunigende Landschaften
München: Kunth Verlag 2020
264 Seiten, 34,95 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

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