Kleine Quasselstrippe

Kinderbuch | Janie Bynum: Das Plapperküken

Klein, gelb, flauschig und unglaublich niedlich ist so ein Küken. Aber manchmal auch ziemlich nervig. ANDREA WANNER war sehr amüsiert.

PlapperkuekenDer Schnabel von Plapperküken steht einfach nie still. Ununterbrochen erzählt und piept es, keine Sekunde gibt es Ruhe. »Ich hab jetzt keine Zeit für Plaudereien«, wehrt Mama Huhn ab und schickt das Küken zu Papa. »Mach, dass es aufhört«, seufzt die große Schwester beim Essen. Und das kleine Flauschbällchen plaudert ungerührt weiter.

Ausdauer hat das Küken. Nicht nur beim Reden, sondern wie sich zeigt, auch bei anderen Dingen. Denn als es dann schließlich allein unterwegs ist, stößt es beim Buddeln auf ein riesengroßes Ei. Jetzt hat es eine Aufgabe, denn es muss das Ei beschützen, es arm halten und ihm alles berichten, was auf dem Hof passiert. Dass das Ei keinen Mucks von sich gibt, ist ihm egal. Und siehe da, der Einsatz lohnt sich.

Als Erwachsene mag man sich ertappt fühlen, wenn man auf diese Familie blickt. Mutter, Vater und zwei Kinder. Die Große ist aus dem Gröbsten draußen, während das Kleine allen ein Ohr abschwätzt. Immer ein offenes Ohr zu haben: keine leichte Aufgabe, wenn es von morgens bis abends gefordert wird. Janie Bynum erzählt mit viel Sympathie für alle Beteiligten. Sich dem Charme des kleinen Wesens zu entziehen, gelingt nicht. Sein ewiges »Piep, Piep, Piep«, das sich als Text in großer Schrift über die Seiten ergießt, kann einen schon zu Verzweiflung treiben, oder? Und während alle anderen Hühnerwesen in einer vernünftigen Sprache reden, die wir verstehen, wiederholt das Küken sich in seinem einsilbigen Gepiepe in unterschiedlichen Modulationen.

Bei den Illustrationen, pastellige Bilder im Aquarellstil, die digital nachbearbeitet wurden, hat sich Janie Bynum viele witzige Details einfallen lassen von den wimmelnden Würmern in den Frühstücksschälchen der Familie über die Nachahmung der väterlichen Krähhaltung bis zum rosa-weiß-gepunkteten Stoffelefanten als ständigem Kuscheltierbegleiter des Kükens. Es lohnt sich, genau hinzuschauen und immer wieder neue Kleinigkeiten zu entdecken.

Es ist eine kluge Botschaft hinter dieser auf den ersten Blick so simpel wirkenden Geschichte: lernt zuhören. Jedem. Auch den Kleinen. Wie gut, dass unser kleiner Held durch unermüdliche Anstrengungen am Ende doch noch jemanden findet, der genau das tut.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Janie Bynum: Das Plapperküken
(Chick Chat, 2021). Aus dem Englischen von Elisa Martins
Zürich: NordSüd 2021
40 Seiten. 15 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Österreich ist eine Geisteskrankheit

Nächster Artikel

Vampir-Klassiker in neuer Aufmachung

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Ein zärtliches Gutenachtbuch

Kinderbuch | Marianne Dubuc: Leise durch die Nacht

Zugegeben: es gibt Bücher, auf die freut man sich noch vor dem Erscheinen besonders. Und wenn man sie dann in Händen hält, weiß man warum. Die Geschichten von Marianne Dubuc gehören auf jeden Fall dazu, findet ANDREA WANNER.

Zuckersüß und mächtig spannend

Kinderbuch | Lisa Graff: Eine Messerspitze voll Magie Zauberei und Kindergeschichten sind altehrwürdige Partnerinnen und kommen deswegen nicht selten auch in Ehren ergraut daher. Alles andere als behäbig aber ist der Kinderroman von Lisa Graff ›Eine Messerspitze voll Magie‹. Eine Handvoll originelle Ideen, kühne Verwicklungen, ein Dutzend schräger Figuren und ausführliche Kuchenrezepte zum Nachbacken garantieren zuckersüße und mächtig spannende Lektüre. Von MAGALI HEISSLER

Die schönste Zeit im Jahr

Kinderbuch | Raphaël Baud: Herr Nashorn macht Urlaub Das Leben ist geprägt von Verpflichtungen, Terminen, Aufgaben. All dem entkommt man eigentlich nur im Urlaub. Bei Zootieren ist das angeblich nicht anders. Von ANDREA WANNER

Grundsätzliches

Kinderbuch | Brigitte Endres: Vom Küken, das wissen wollte, wer seine Mama ist Ein Küken, frisch geschlüpft aus einem Ei, Piepst beim Anblick des ersten Lebewesens, das ihm zu Gesicht kommt, ganz selbstverständlich »Mama«. Nun handelt es sich dabei allerdings um eine Schnecke, die eher zufällig des Wegs gekrochen kommt und die das Küken sofort korrigiert. ANDREA WANNER folgt dem Weg des flauschigen kleinen Dings.

Konsumkritik

Kinderbuch | Saskia Hula: Ein Hauptgewinn ist immer drin Werbung ist so eine Sache. Da werden einem die tollsten Dinge vorgegaukelt, da wird Bedarf geweckt, der vorher nicht da war. Da soll man sich für alles Mögliche interessieren, an das man nie im Leben gedacht hätte. Und manchmal ist das ungeheuer geschickt verpackt, weiß auch ANDREA WANNER.