Tocotronic-Drummer Arne Zank besinnt sich auf seine Illustrationsfertigkeiten – und kehrt mit ›Die Vögel‹ zu seiner Comic-Vergangenheit zurück. Zunächst auf Instagram veröffentlicht, liegen ›Die Vögel‹ nun in Buchform vor – und schießen echt den Vogel ab. Findet CHRISTIAN NEUBERT
Arne Zank ist der Schlagzeuger von Tocotronic – und hat vor Kurzem im ›Ventil Verlag‹ einen Comic herausgebracht: ›Die Vögel‹. Dass das nach Hitchcock klingt, ist fast zu vernachlässigen, denn – noch mal: Der Comic ist von Arne Zank, dem Tocotronic-Trommler. Diese Info haftet hartnäckig an dem quadratischen Band mit dem Krakel-Cover. Sie geht der Lektüre als Vorschusslorbeeren voraus, schwebt als Damoklesschwert über ihr – und ist dann doch schnell vergessen. Sehr schnell. Was am Tempo liegt, das ›Die Vögel› vorlegen: Sie jagen mit einem derartigen Karacho durch die Seiten, dass es nur so kracht.
Der Comic ist der Flügelschlag eines Kolibris unter den Räuberpistolen. Er startet gleich auf der ersten Seite durch, im ersten Panel, mit einem Banküberfall. »Gib Geld!«, sagt der Räuber, ein gelber Vogel mit Pistole im rechten Flügel. Die Person am Schalter, die die Kohle rüberwachsen lässt, könnte ein Nager sein. Zumindest ist sie kein Vogel wie die allermeisten anderen Figuren, an die der Verbrechervogel im Laufe der Story gerät.
Konzertgänger, ein Knastkoch, Krabbenfischer, ein Trucker, ein Landwirt, allesamt Vögel. Bis auf einige Nutztiere des Letzteren: Neben Hühnern hält er Pferde und Schweine. Sogar Arne Zank selbst ist ein Vogel: Er hat sich als gefiederter falscher Chefarzt in den Band gemogelt. Seine erschwindelten akademischen Weihen hat er sogar in die Autorenangaben geschmuggelt. Ha, ein Teufelskerl, dieser Arne Zank, der im wahren Säugetierleben ja Studienabbrecher ist.
Vogelwild
Dass er sein Illustrationsstudium für seine Band-Karriere aufgegeben hat: danke! Dass er sich nun, in und zwischen den Lockdowns, auf seinen Bock aufs Zeichnen zurückbesonnen hat: auch dafür vielen Dank! Denn so viel guten und gut gelaunten DIY-Comic-Spaß wie in ›Die Vögel‹ gab es lange nicht. Der Band wurde zuerst übrigens auf Instagram veröffentlicht, nach und nach, im festen Rhythmus. Diese Praxis ist nicht unbeliebt, bestimmt lohnt da generell ein Blick.
›Die Vögel‹ ist ein gezeichnetes Road Movie auf der Flucht, ein »einfach-mal-drauf-los«-Comic in »mal-sehen-was-passiert«-Manier. Gestaltet mit krakeligen Strichen, die irgendwie Vögel vor monochrom gefärbten Hintergründen ergeben, birgt er alles, was packt: Drive, Drama, Spannung, Suspense, Spaß, Romantik, Action und den besten Vogel-Rap seit Die Krähen, Open Mic Eagle oder Pigeon John. Er hangelt sich von Höhepunkt zu Höhepunkt und wird von irren Einfällen und absurder Komik zusammengehalten, während alles den Rahmen zu sprengen droht. Zeit verliert er dabei nie: Der Comic ist auch in seinen lethargischen und planlosen Momenten schnell und atemlos wie ein eineinhalbminütiger Punkrocksong.
Birds not dead
Als Bezugsgrößen für das temporeiche Krakel-Spektakel könnte man gut und gerne Lewis Trondheim bemühen, Fil, Max de Radigués´ Bastard und die experimentellen Frühwerke von Chester Brown und Daniel Clowes. Damit die Nerds zufrieden sind, sich bestätigt fühlen oder was zu meckern haben. Das auktoriale Schlaumeiertum befriedet ist. Und natürlich, weil der Comic von Arne Zank ist, dem Tocotronic-Drummer.
Im Gegensatz zum gleichnamigen Hitchcock-Film kommen »Die Vögel« bei Zank übrigens nicht aus dem Nichts: Unter demselben Titel schuf er für die Kölner ›StadtRevue‹ zwischen 1997 und 2001 eine kleine Comic-Strip-Reihe. Die 36 Episoden sind dem Band als Bonusmaterial angehängt, Stichwort: frühe Vögel. Den Wurm indes fangen die neuen Vögel. Sie schießen den Vogel ab, echt wahr.
Titelangaben
Arne Zank: Die Vögel – fliegen hoch!
Mainz: Ventil Verlag 2021
128 Seiten, 20 Euro
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