In der Chemie hat es die Ordnungszahl 79, es ist säurebeständig, es korrodiert nicht, gilt als Symbol der Unvergänglichkeit, der Macht und des Wohlstands. Für diese Nummer 79 wurde gemordet, es wurde geklaut und geraubt, viele Verbrechen ranken sich um diese Nummer 79, die eigentlich nur eines so richtig kann: Sie glänzt – und das seit Tausenden von Jahren. Sie glänzt, was das Zeug hält. BARBARA WEGMANN ist in einem fantastischen Buch auf Spurensuche gegangen.
Sie mögen Thriller, Krimis, Geschichten von Verbrechen? Oder vielleicht auch hochspannende Tatsachenberichte? Dann ist dieses Buch das absolut Richtige für Sie. Versiert, fesselnd, mit ganz viel Wissen, Geschichten und Fakten jonglierend, begibt sich Urs Willmann in den mitreißenden ›Goldrausch‹. Als Redakteur der Wochenzeitung ›Die Zeit‹ zeigt er in diesem Buch, was sein journalistisches Herz besonders bewegt: Die Archäologie. Klingt zunächst verstaubt, vielleicht etwas dröge und trocken – wenn aber aufregende Geschichten, alte Kriminalfälle ausgegraben werden, wenn Historie lebendig wird, wenn ein Buch fast genauso glänzt wie sein Inhalt, dann ist das schon eine bemerkenswerte Lektüre!
»Vor rund 7000 Jahren taucht das Edelmetall erstmals als Hinterlassenschaft des Menschen auf.« In einem Gräberfeld aus der Kupfersteinzeit werden 1972 Tausende Grabbeilagen gefunden. »Es ist der älteste Goldschatz der Welt«. Schon früh, so Willmer, seien Gold und Macht, sowie Gold und Verbrechen eine enge Beziehung eingegangen. Wer damals Gold hatte, oder gewinnen, verarbeiten und damit Handel treiben konnte, habe sich automatisch quasi an die Spitze der Gesellschaft gesetzt. »Mit dem Gold brachte die aufstrebende Elite ihren Status zur Geltung. Sie schmiedete ein neues Gesellschaftssystem, mit Gold als Machtfaktor.«
Aber das Buch beginnt mit etwas viel Aktuellerem. »Die natürliche Gier, die avaritia, hat dafür gesorgt, dass die Geschichte eines der schönsten Elemente nicht nur eine erfreuliche ist. Sondern auch die beispielloser Verbrechen.« Den 8. Oktober 2019 wird man in Trier nicht vergessen: Drei Männer, zwei sind noch heute unbekannt, versuchen in der Nacht, den »weltweit größten Goldschatz der römischen Kaiserzeit« aus dem Museum Trier zu stehlen. Auf genau 2518 »goldgelb glänzende Scheiben mit den Porträts einstiger römischer Potentaten« haben die Diebe es abgesehen.
Wie ein roter Faden zieht sich dieser spektakulärere Raub, der bis heute nicht vollständig aufgeklärt ist durch das Buch. Plakativ, spannend wie bei ›XY-Ungelöst‹ oder sachlich informativ im Nachrichtenstil, aber auch erzählend, mitreißend und schillernd wie das Edelmetall selbst, spielt das Buch förmlich mit seinem Thema. Und stellt dabei auch klar, was für eine politische Macht Gold hat, dessen Wert schon immer in Krisenzeiten stieg. »Mit dem Gold brachte die aufstrebende Elite ihren Status zur Geltung. Sie schmiedete ein neues Gesellschaftssystem, mit Gold als Machtfaktor.« So kostete der Goldsarg Tutanchamuns etwa »35000 Monatslöhne eines damaligen Arbeitnehmers«. Ach ja, nicht zu vergessen, die goldene Totenmaske des jungen Pharaos: Sie wog 11 Kilogramm.
Unterhaltsam und bestens rundum recherchiert macht Willmann uns allen beruhigend klar, dass wir eigentlich gar nicht anders können, als Gold zu schätzen, zu bewundern und von seinem Funkeln fasziniert zu sein. »Die Evolution ist schuld« so die wissenschaftliche These. Egal, ob es die Discokugel sei, das Lametta am Weihnachtsbaum oder die Sterne am Himmel, Menschen ließen sich blenden und faszinieren von Glänzendem und Poliertem. Studien von Psychologen belegen dies. Der Mensch reagiere nicht nur dann euphorisch, wenn er in der Wüste verdurstend den Glanz einer Fata Morgana entdecke. Sondern genauso, sobald ein Haufen Klunker ihn blende. Das galt sicher auch für die Diebe der einzigartigen, 100 Kilo schweren Goldmünze, der »Big Maple Leaf«: Täter gefasst, Münze verschwunden, vermutlich für immer.
Willmanns präsentiert ein begeisterndes Kaleidoskop: eine wahrhaftig üppige Recherche rund um Gold und dessen berauschende Wirkung, quer durch die Weltgeschichte und deren dunkelste Kapitel, garniert mit Raub, Verbrechen und Verbrechern, abenteuerlichen und überraschenden Details aus allen Bereichen, in denen Gold eine Rolle spielte und spielt. Egal ob als Münze, Barren, Nugget oder Schmuck, die Ordnungszahl 79 hat »seit der Bronzezeit ihren materiellen Wert nie verloren«.
Das Buch ist – versprochen- ein sehr erhellendes, spannendes und kurzweiliges Lesevergnügen!
Titelangaben
Urs Willmann: Goldrausch
Eine Kriminalgeschichte
Darmstadt: Wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 2022
224 Seiten, 28 Euro
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