Der Igel ermittelt wieder

Jugendbuch | Jean-Claude Mourlevat: Jefferson tut, was er kann

2020 erschien ›Jefferson‹, die erste Geschichte in der der junge Igel in einem Mordfall, bei dem sein Friseur ums Leben kam, ermitteln musste. Schließlich ging es darum, die eigene Unschuld zu beweisen. Jetzt hat Jefferson einen neuen Fall, freut sich ANDREA WANNER.

Eigentlich ist Jefferson sehr mit seinem Geografiestudium und der anstehenden Zwischenprüfung beschäftigt, als sein Freund, Schwein Gilbert, mit einer beunruhigenden Nachricht auftaucht: Die Häsin Simone, (die in Band 1 bei der Reise ins Menschenreich dabei war) ist weg und hat einen merkwürdigen Brief hinterlassen. Jefferson und Gilbert sind beunruhigt, stellen mit dem Wildschwein Walter Schmitt, das einen etwas merkwürdigen Humor hat, und dem Dachs Herrn Hild, einem emeritierten Professor alter Sprachen, ein kleines Expeditionsteam zusammen und machen sich auf die Suche nach dem Verbleib von Simone.

Auf den ersten Blick wirkt die Tierwelt von Mourlevat sehr menschlich, auf den zweiten erkennt man, wie ernst er Tiere nimmt. »Richtige« Menschen tauchen auch auf und leben auf Augenhöhe mit den tierischen Artgenossen. Jefferson, gerade mal 70 Zentimeter groß und mit kurzen Beinen – unter denen er etwas leidet – ist ein sympathischer Held, klug, hilfsbereit und durchaus mutig. Sein Gespür für Dinge, die irgendwie verkehrt sind, bringt ihn immer wieder auf neue Spuren – die manchmal auch ins Nichts oder auf falsche Fährten führen.

Mourlevat erzählt das mit viel Humor, einem klugen Blick für Details und psychologischem Geschick. So ist der zweite Fall auch weniger ein Kriminalfall als vielmehr eine Studie darüber, wie psychisch labile und gesundheitlich angeschlagene Lebewesen ausgenutzt und reingelegt werden können. Die Grenzen zwischen dem Menschen- und Tierreich sind dabei fließend: Geldgierige Profiteure, Betrüger und Fieslinge gibt es hier wie dort. Und hilfsbereite, empathische Zeitgenossen existieren auch auf beiden Seiten.

Die Schwarz-Weiß-Illustrationen von Antoine Ronzon, mit denen auch bereits der erste Band ausgestattet waren, bringen ein bisschen Film-Noir-Stimmung in die Geschichte, die neben amüsanten Szenen durchaus auch deprimierende und grausame Stellen enthält. Jean-Claude Mourlevat wurde 2021 mit dem Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis ausgezeichnet, der manchmal auch als der Nobelpreis für Kinder- und Jugendliteratur bezeichnet wird. Er ist ein Meister seines Fachs und wer Jefferson in Aktion erlebt, seine subtilen Ermittlungen verfolgt und ihn durch dieses Abenteuer begleitet, versteht warum.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Jean-Claude Mourlevat: Jefferson tut, was er kann
(Jefferson fait son mieux, 2022)
Aus dem Französischen von Edmund Jacoby
Mit Bildern von Antoine Ronzon
Berlin: Verlagshaus Jacoby & Stuart
256 Seiten, 15 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Lockdown im Slough House

Nächster Artikel

Von Mäusen, Menschen, Comics und Meisterwerken

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Alles andere als sicher

Jugendbuch | Patrycja Spychalski: Auf eine wie dich habe ich lange gewartet Liebesgeschichten in Jugendbüchern waren lange Zeit Geschichten von einem Paar, das aus einem Mädchen und einem Jungen besteht. Inzwischen hat sich der Blick etwas erweitert und es gibt auch Geschichten, in denen das Paar aus zwei Mädchen oder zwei Jungen besteht. Was sich nicht geändert hat, ist die Grundüberzeugung, dass junge Menschen genau wissen, ob sie sich zum eigenen oder zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen. Ist das wirklich so sicher? Patrycja Spychalski stellt in ihrem fünften Roman genau diese Frage. Von MAGALI HEISSLER

True-Crime-Podcast

Jugendbuch | Courtney Summer: Sadie Manche werden auf der Schattenseite des Lebens geboren. So wie Sadie, Tochter einer drogenabhängigen Mutter, die Sadie und ihre jüngere Schwester Mattie im Stich lässt. So hat Sadie nur ein Ziel im Leben: sich im Mattie zu kümmern und dafür zu sorgen, dass es ihr gut geht. Von ANDREA WANNER

Die größten Wunder

Jugendbücher | Rosemary Sutcliff: Tristans Liebe / Rodney Bennett: Adlerjunge Von Wundern zu lesen ist in Zeiten, in denen Fantasygeschichten en masse kursieren, kein Wunder. Über den Künsten von Hexen, Magiern, Fabelwesen vergisst man jedoch leicht, was die Quelle der eigentlichen Wunder ist. Die Gefühle von Menschen nämlich. Von MAGALI HEISSLER

Das Leben spielt sich anderswo ab

Liv Marit Weberg: Zum Glück bemerkt mich niemand … dachte ich Schüchtern sein ist eine Sache. Sich überhaupt nicht in die Welt und unter Menschen trauen, ist eine andere. Wie weit das gehen kann, erzählt Anne Lise. Von ANDREA WANNER

Gänsehaut für laue Sommerabende

Jugendbuch | Felix Scheinberger (Hg.): Schaurigschöne Spukgeschichten für schwarze Nächte Die Hochzeit der klassischen Gespenstergeschichte liegt lange zurück, das Genre ist in Vergessenheit geraten. Entstanden vor allem im 19. Jahrhundert u.a. aus dem Zweifel an einer durch Wissenschaft immer eindeutiger erklärbaren und mit moderner Technik beherrschbaren Welt, scheinen diese Gründe heute überwunden. Der Horror wiederum ist längst durch Splatter ersetzt. Dass klassische Spukgeschichten zu Unrecht vergessen sind, beweist Felix Scheinberger mit seiner aufregend komponierten Anthologie ›Schaurigschöne Spukgeschichten für schwarze Nächte‹, die für reichlich Gänsehaut an lauen Sommerabenden sorgen kann. Von MAGALI HEISSLER