Tierische Schönheit

Sachbuch | Heidi Koch, Hans-Jürgen Koch: Federn

Ein Bildband voller Schönheit und überraschend vielfältigen Formen und Farben. Sieht man in der Regel stets das ganze Lebewesen in prächtigem Federkleid, so präsentiert dieses exklusive Buch eben »nur« Federn. BARBARA WEGMANN kam aus dem Staunen nicht hinaus.

Eine langstielige eingerollte Vogelfeder.Vögel können fliegen, sie seien dem Himmel nah, so beschreiben die Autoren es zu Beginn: Der Mensch könne nicht fliegen und die Schönheit der Vögel mit ihrem oft einzigartigen Federkleid eben nur bewundern und verehren. »Diese Wesen waren dem Himmel nah, und damit den Schöpfern. Dafür stand die Feder. Sie symbolisierte die Beziehung zu einer außermenschlichen Wirklichkeit, fungierte als Mittlerin zwischen den Welten, zwischen Himmel und Erde, Diesseits und Jenseits, Menschen und Göttern.«

Federn betören, sie schmücken, sie dienten als Schreibwerkzeug, als Verschönerungen an Hüten und manche Menschen schmücken sich noch heute gern mit fremden Federn. Federn, so weiß man heute, sie zeichnen nicht nur fliegende Lebewesen aus; in Urzeiten, vor weit über 100 Millionen Jahren gab es schon ein Lebewesen mit so etwas wie Federn: »Es war ein typischer kleiner Raubsaurier … gerade einmal 70 cm groß, der auf zwei Beinen lief, kurze Ärmchen hatte, einen langen Schwanz und scharfe Zähne. Aber dieses Exemplar war mit einer Art Fusseln bedeckt, es war der erste Saurier, bei dem Federn nachgewiesen wurden.« Wie auch immer: »Federn schützen vor Verletzungen, wehren Sonnenstrahlen ab. Sie lassen den Regen abperlen und verhindern das Erfrieren im eisigen Wind.« Wie unendlich klug hat die Evolution das alles durchdacht.

Komplette Tiere in ihrem oft atemberaubenden Federkleid wird man in diesem Bildband nicht finden, dafür aber Federn von »Vögeln aus allen Ecken der Welt«, eine große Menge an Federn, eine schöner und faszinierender als die andere – grandiose Kunstwerke der Evolution, eine absolute Augenweide, ein Kaleidoskop an Farben, das prächtiger nicht sein könnte. Was für eine unglaubliche Pracht und was für eine verschwenderische Spielerei der Natur mit Farben und Formen.

Ihre Arbeit bezeichnen die beiden Autoren, sie Sozialarbeiterin, er Verhaltensforscher, als »Lebensform-Fotografie«. Bücher, Preise, Ausstellungen im In- und Ausland, Heide und Hans-Jürgen Koch sind absolute Profis. Der bemerkenswerte Bildband belegt es ein weiteres Mal.

Die Spannbreite der gezeigten Federn ist groß, Federn, die nicht ohne Grund ihre Leuchtkraft haben, ihre ausgefallenen Strukturen, Muster, Schattierungen und geradezu nach Aufmerksamkeit schreienden Farben. Klare Sache, das muss einen Hintergrund haben. Einer von Darwins fundamentalen Gedanken sei gewesen, so die Autoren, dass all diese männliche Federpracht entstand, weil Weibchen wählen. »Entweder sie mochten den bunten Kerl oder eben nicht- und paarten sich dann mit einem attraktiveren Partner.« Es sei offensichtlich: Sex sells, nur so sei die Vielfalt der Ornamente in die Welt gekommen. »Sie schmücken die über zehntausend Vogelspezies, die auf der Erde leben, und zwar jede nach ihrer eigenen Art.«

Die Texte begeben sich neben Forschung und Evolution in die Geschichte, in verschiedene Kulturen, in Sagen und Mythologie, in religiöse Gefilde. »Das Mythenuniversum ist voller gefiederter Protagonisten. Zu den bekanntesten zählen die Engel. In nahezu allen Religionen sind sie unverzichtbar … exklusives Kennzeichen: gefiederte Flügel.«

Allein schon mit seinen auf schwarzem Grund in höchster Perfektion fotografierten Federn ist das Buch eine Augenweide und ein Prachtband. Informative, teils unterhaltende, sehr breit gefächerte Texte bereichern und umspielen die Fotografien. Letztlich geben Weisheiten und Zitate rund um Fliegen und Federn und Schönheit und Evolution so manchen Denkanstoß: »Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.« Man könnte fast meinen, dass Antoine de Saint-Exupéry diesen Bildband gemeint haben könnte …

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Heidi Koch, Hans-Jürgen Koch: Federn
Meisterstücke der Evolution
Frederking & Thaler, München
224 Seiten, 45 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Die langen Schatten der Vergangenheit

Nächster Artikel

Das Schlimmste ist nicht die Einsamkeit

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

Mit allen Sinnen genießen

Sachbuch | Adolfine Nitschke: Räuchermomente im Jahreskreis

Wer den Begriff des Räucherns mit schmackhaftem Fisch verbindet, der liegt zwar schon ganz richtig, aber damit ist der Begriff längst noch nicht erschöpft: gerade jetzt in den dunkler werdenden Monaten ist das Räuchern beliebt und hat eine lange Tradition und Geschichte. Schon beim Blättern im Buch hat man Räucherduft schon fast in der Nase, meint BARBARA WEGMANN

No net hudla!

Kulturbuch | Adrienne Braun: Mittendrin und außen vor: Stuttgarts stille Ecken S21, öde Stadtautobahnen und überdimensionierte Shopping-Malls – die schwäbische Hauptstadt glänzt nicht unbedingt als Paradies der Kontemplation. Doch in ›Mittendrin und außen vor‹ blickt Adrienne Braun durch die Brille einer Kolumnistin auf ›Stuttgarts stille Ecken‹. Ja, die gibt es tatsächlich! Von INGEBORG JAISER

Wider die Ahnungslosigkeit

Menschen | Ulrike Scheffer / Sabine Würich: Operation Heimkehr 120.000 »Entsendungen« von deutschen Soldaten – Frauen und Männern – allein nach Afghanistan gab es von 2002 bis heute. Die Zahl der realen Personen ist kleiner: Viele waren mehrmals dort im Einsatz. Afghanistan war der erste der vielen Auslandseinsätze seit 1990, der auch offiziell Kriegseinsatz genannt wird. Er hat der Republik auch offiziell wieder Veteranen und Gefallene beschert – und Soldaten, die getötet haben. Und dann ist da noch die ›Operation Heimkehr‹, die Rückkehr in ein Land, das stolz auf den Bruch mit seinen eigenen militaristischen Traditionen ist. Von PIEKE BIERMANN

Vampire, kurz gefasst

Kulturbuch | Gunther Reinhardt: Vampire

In seinem Sachbuch ›Vampire‹ weiß Gunther Reinhardt davon zu berichten, dass in den Jahren 1732/33 zumindest zwölf Bücher und vier Dissertationen zum Thema »Vampirismus« verfasst worden sind. Und zwar nicht wie heute als Schauermärchen, sondern durchaus ernst gemeint. Pünktlich zu Halloween hat sich BASTIAN BUCHTALECK über die Blutsauger informiert.

Wein & Krieg

Kulturbuch | D./P. Kladstrup: Wein & Krieg

Don & Petie Kladstrup sind keine Dänen, sondern sympathisch-liebenswerte US-Amerikaner, die als Journalisten schon lange in Paris und der Normandie leben und über Wein schreiben, obwohl ihnen ja der Calvados näherliegen müsste. Von WOLFRAM SCHÜTTE