Ein Bildband voller Schönheit und überraschend vielfältigen Formen und Farben. Sieht man in der Regel stets das ganze Lebewesen in prächtigem Federkleid, so präsentiert dieses exklusive Buch eben »nur« Federn. BARBARA WEGMANN kam aus dem Staunen nicht hinaus.
Vögel können fliegen, sie seien dem Himmel nah, so beschreiben die Autoren es zu Beginn: Der Mensch könne nicht fliegen und die Schönheit der Vögel mit ihrem oft einzigartigen Federkleid eben nur bewundern und verehren. »Diese Wesen waren dem Himmel nah, und damit den Schöpfern. Dafür stand die Feder. Sie symbolisierte die Beziehung zu einer außermenschlichen Wirklichkeit, fungierte als Mittlerin zwischen den Welten, zwischen Himmel und Erde, Diesseits und Jenseits, Menschen und Göttern.«
Federn betören, sie schmücken, sie dienten als Schreibwerkzeug, als Verschönerungen an Hüten und manche Menschen schmücken sich noch heute gern mit fremden Federn. Federn, so weiß man heute, sie zeichnen nicht nur fliegende Lebewesen aus; in Urzeiten, vor weit über 100 Millionen Jahren gab es schon ein Lebewesen mit so etwas wie Federn: »Es war ein typischer kleiner Raubsaurier … gerade einmal 70 cm groß, der auf zwei Beinen lief, kurze Ärmchen hatte, einen langen Schwanz und scharfe Zähne. Aber dieses Exemplar war mit einer Art Fusseln bedeckt, es war der erste Saurier, bei dem Federn nachgewiesen wurden.« Wie auch immer: »Federn schützen vor Verletzungen, wehren Sonnenstrahlen ab. Sie lassen den Regen abperlen und verhindern das Erfrieren im eisigen Wind.« Wie unendlich klug hat die Evolution das alles durchdacht.
Komplette Tiere in ihrem oft atemberaubenden Federkleid wird man in diesem Bildband nicht finden, dafür aber Federn von »Vögeln aus allen Ecken der Welt«, eine große Menge an Federn, eine schöner und faszinierender als die andere – grandiose Kunstwerke der Evolution, eine absolute Augenweide, ein Kaleidoskop an Farben, das prächtiger nicht sein könnte. Was für eine unglaubliche Pracht und was für eine verschwenderische Spielerei der Natur mit Farben und Formen.
Ihre Arbeit bezeichnen die beiden Autoren, sie Sozialarbeiterin, er Verhaltensforscher, als »Lebensform-Fotografie«. Bücher, Preise, Ausstellungen im In- und Ausland, Heide und Hans-Jürgen Koch sind absolute Profis. Der bemerkenswerte Bildband belegt es ein weiteres Mal.
Die Spannbreite der gezeigten Federn ist groß, Federn, die nicht ohne Grund ihre Leuchtkraft haben, ihre ausgefallenen Strukturen, Muster, Schattierungen und geradezu nach Aufmerksamkeit schreienden Farben. Klare Sache, das muss einen Hintergrund haben. Einer von Darwins fundamentalen Gedanken sei gewesen, so die Autoren, dass all diese männliche Federpracht entstand, weil Weibchen wählen. »Entweder sie mochten den bunten Kerl oder eben nicht- und paarten sich dann mit einem attraktiveren Partner.« Es sei offensichtlich: Sex sells, nur so sei die Vielfalt der Ornamente in die Welt gekommen. »Sie schmücken die über zehntausend Vogelspezies, die auf der Erde leben, und zwar jede nach ihrer eigenen Art.«
Die Texte begeben sich neben Forschung und Evolution in die Geschichte, in verschiedene Kulturen, in Sagen und Mythologie, in religiöse Gefilde. »Das Mythenuniversum ist voller gefiederter Protagonisten. Zu den bekanntesten zählen die Engel. In nahezu allen Religionen sind sie unverzichtbar … exklusives Kennzeichen: gefiederte Flügel.«
Allein schon mit seinen auf schwarzem Grund in höchster Perfektion fotografierten Federn ist das Buch eine Augenweide und ein Prachtband. Informative, teils unterhaltende, sehr breit gefächerte Texte bereichern und umspielen die Fotografien. Letztlich geben Weisheiten und Zitate rund um Fliegen und Federn und Schönheit und Evolution so manchen Denkanstoß: »Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.« Man könnte fast meinen, dass Antoine de Saint-Exupéry diesen Bildband gemeint haben könnte …
Titelangaben
Heidi Koch, Hans-Jürgen Koch: Federn
Meisterstücke der Evolution
Frederking & Thaler, München
224 Seiten, 45 Euro
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