Eric hat seinen besten Freund verloren. Mit Daniel hat er so viel gemeinsam erlebt. Und nicht nur das: Eric war unsterblich in ihn verliebt. Jetzt ist Daniel tot und Eric hält es kaum aus. Er flüchtet sich in Illusionen und Träume, die er schon bald für die Realität hält. Von ANDREA WANNER
In einer Schlüsselszene liegen die beiden Freunde gemeinsam auf dem Dach des Hauses und schauen in den Nachthimmel. Daniel behauptet, wie in Matrix sei all das, was sie sähen nur eine Simulation, ein binärer Code. »Du und ich sind das Einzige, was wirklich ist, soweit ich weiß.« Was ist wahr und was nicht? Für Eric wird es schon bald eine existenzielle Frage.
Gemeinsam sind die beiden mit der High-School in Japan unterwegs, als Eric sich hoffnungslos in Tokio verirrt und auf Haru trifft. Der zeigt ihm einen faszinierenden Teil der Stadt und bittet ihn am Ende, nicht zu gehen. Aber Daniel wartet und Eric will ihn nicht versetzen. Obwohl ihm bereits klar ist, dass Daniel ihn nicht liebt. Als der dann tot ist und, taucht nicht nur er in Erics Erinnerungen auf, sondern auch Haru, zu dem es seit der einzigen Begegnung keinen Kontakt mehr gibt. Aber plötzlich taucht er auf dem Nichts auf, verbringt Zeit und auch Nächte bei Eric und verschwindet urplötzlich wieder. Außer ihm kann ihn allerdings keiner sehen und hören. Er ist ein wunderbarer Trost in einer emotional äußerst schwierigen Zeit und Eric will ihn um keinen Preis gehen lassen.
Dustin Thao hat nach seinem Bestseller ›Bleib bei mir, Sam‹, in dem es auch um Liebe, Trauer und Verlust geht, erneut eine melancholische Story zu diesem Thema geschrieben. Die Homosexualität von Eric wird dabei mit wohltuender Selbstverständlichkeit in den Raum gestellt: Liebe ist einfach Liebe. Wie der amerikanische Autor hat auch der Protagonist der Geschichte vietnamesische Wurzeln. Familie spielt eine große Rolle, die Liebe zu den Eltern, besonders aber zu seiner älteren Schwester Jasmin. Aber auch die kann Eric nicht helfen, als der Schicksalsschlag ihn total aus der Bahn wirft und all seine Zukunftspläne – er wollte gern etwas mit Film studieren – zunichtemacht. Eric hängt rum, jobbt ein bisschen, verliert sich in seinen Fantasien.
Nein, dieser Held ist einem nicht immer sympathisch. An vielen Stellen möchte man ihn schütteln, versteht seine Entscheidungen nicht. Dennoch entwickelt sich eine Sogwirkung, wenn man mit Eric durch Chicago streift, seine Heimatstadt, die er neu zu entdecken beginnt. Findet er einen Neuanfang und kann die Vergangenheit hinter sich lassen? Thao hält auf jeden Fall am Ende noch große Überraschungen bereit.
Titelangaben
Dustin Thao: Ich warte auf dich, Haru
(When Haru Was Here, 2024) Aus dem amerikanischen Englisch von Bernadette Ott
München: cbj 2024
352 Seiten, 18 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
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