Vier Bände umfasst gegenwärtig jene Romanreihe, mit der Richard Osman weit über die Grenzen seiner britischen Heimat hinaus bekannt wurde, den Fällen des Donnerstagsmordclubs. Ist viermal schon genug? Offensichtlich nicht, denn ein fünfter Band rund um die vier Damen und Herren, die sich von ihrer komfortablen Seniorenresidenz Coopers Chase aus so gern in das Handwerk der Polizei einmischen, soll bereits im nächsten Jahr erscheinen. Aber gelegentlich braucht man halt ein bisschen Abwechslung. Und so liegt mit Wir finden Mörder jetzt der erste Band einer neuen Serie vor. Und auch der dürfte nicht lange ohne Fortsetzung bleiben. Von DIETMAR JACOBSEN
Amy Wheeler arbeitet als Bodyguard. Für »Maximal Impact Solutions«, ihre arbeitgebende Firma, ist sie weltweit unterwegs. Derweil genießt ihr Schwiegervater, Steve Wheeler, Witwer, Ex-Kriminalkommissar und aktuell Betreiber einer kleinen (im wahrsten Sinne des Wortes »Privat«-) Detektei, seinen Ruhestand. Der steht unter dem Motto: Pub, Pint und keine Polizei mehr. Allerdings ist es mit der Altersidylle erst einmal vorbei, als während des Auftrags, auf eine so steinreiche wie exzentrische amerikanische Thrillerautorin aufzupassen, Schwiegertochter Amy plötzlich in Teufels Küche gerät. Hat sie wirklich etwas mit den drei unappetitlichen Morden zu tun, die just in der Nähe von Orten geschehen sind, an denen sie sich gerade aufhielt? Ist sie gar die Täterin oder läuft es darauf hinaus, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft Opfer Nummer 4 sein soll?
Eine Personenschützerin in Not
Richard Osman (Jahrgang 1970) hat, bevor er zu einem der gegenwärtig erfolgreichsten Verfasser von Kriminalromanen in seiner Heimat wurde, bereits als Produzent, Fernsehregisseur und -moderator für Aufsehen gesorgt. Mit Wir finden Mörder gönnt er sich nun eine kleine Pause von dem Pensionisten-Quartett, mit dem er die Bühne der Kriminalliteratur im Sturm eroberte und das bisher vier Auftritte hinlegte. Als „Donnerstagsmordclub“ nahmen sich die Damen und Herren Fälle vor, die von der Polizei ad acta gelegt worden waren. Und scheuten weder Zeit noch Mühe und Gefahr, um zu beweisen, dass sich Verbrechen wahrlich nicht lohnt.
Auch die beiden Wheelers sind in ihrem Kampf gegen ein Phantom namens François Loubet, hinter dem sich der erfolgreichste Geldschmuggler der Welt verbirgt, nicht so allein, wie es zunächst den Anschein hat. Im Verlaufe der etwas mehr als 400 Seiten stellt ihnen ihr Erfinder, wie das schon in seinen vorherigen Büchern so wunderbar funktioniert hat, eine Reihe von teils höchst skurrilen Figuren an die Seite. Das ist auch nötig, denn Amys Gegner ist mächtig und bedient sich eines gewieften »Mord-Arrangeurs«, um sich nicht selbst die Hände schmutzig zu machen, wenn es das Geschäft verlangt. Wie bei den von Amys Firma vermittelten Social-Media-Influencern, die man zunächst als Geldkuriere missbraucht, um die anschließend nutzlos Gewordenen einfach umzubringen. Aber was hat Amy Wheeler mit der Sache zu tun? Ganz offensichtlich will man ihr die drei Morde anhängen, um es anschließend so aussehen zu lassen, als habe die Mörderin schlussendlich selbst ihren Mörder gefunden.
Ein Schwiegervater sieht rot
Aber da hat jemand die Rechnung ohne Steve Wheeler gemacht. Bei dem dauert es zwar eine Weile, bis er seinen inneren Schweinehund überwindet. Aber weil nach dem Tod seiner Frau Debbie, an die er immer noch täglich Nachrichten in sein Diktiergerät spricht, seine Schwiegertochter Amy inzwischen zum wichtigsten Menschen in seinem Leben wurde, ist er sogar bereit, sein wöchentliches Pub-Quiz sausen und seine Katze Trouble, die ihrem Namen alle Ehre macht, für ein paar Tage einer Nachbarin zu überlassen, um spornstreichs über den Großen Teich zu fliegen. Schwebt Amy in Gefahr, macht Steve mobil, um ihr bedingungslos beizustehen.
Und so sieht man ihn mit zerrissenen Jeans und in seinem alten Van-Halen-Shirt alsbald nicht nur in South Carolina auftauchen und dort der Thriller-Queen Rosie D’Antonio den Kopf verdrehen, sondern kurz darauf auch auf St. Lucia und in Dublin um Antworten auf die Fragen bemüht, was Amy mit der Ermordung von drei Influenzern zu tun haben soll, die sie nicht einmal kannte, und wer sich hinter jenem François Loubet verbirgt, der aus sicherem Abstand alle Fäden zu ziehen scheint.
Die Mörderhatz wird weitergehen
Natürlich fügt sich am Ende alles zum Guten. Aber es ist ein weiter Weg, der Steve, Amy und die agile Bestsellerautorin Rosie um die halbe Welt führt, ehe man nach getaner Arbeit zurück ins beschauliche Hampshire kehren kann. Und weil man bei diesem Fall voller internationaler Verwicklungen so gut zusammengearbeitet hat, ist die Schlussfolgerung nur logisch: Amy lässt ihren Bodyguard-Job sausen und gründet ihre eigene Detektei. Natürlich soll der Schwiegervater mit einsteigen. Und weil die steinreiche Rosie D’Antonio das Startkapital für die kleine Firma zur Verfügung stellt, darf sie darauf hoffen, von Zeit zu Zeit ebenfalls mit von der Partie zu sein. Nur »Maverick Steel International Investigations« als Name für ihr Unternehmen will – außer Amy – niemandem so richtig gefallen. Also einigt man sich schließlich auf »We Solve Murders« – »Wir finden Mörder«. Und das tun sie hoffentlich noch oft.
Titelangaben
Richard Osman: Wir finden Mörder
Aus dem Englischen von Sabine Roth und Elke Link
Berlin: List Verlag 2024
426 Seiten. 22,90 Euro
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