Schluss mit Konventionen!

Kinderbuch | Tina Malina: Selma, du machst das falsch!

Ein oft gehörtes »Du machst das falsch!« würde garantiert viele entmutigen. Es gehört schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein dazu, um trotzdem beharrlich den eigenen Weg zu gehen, findet ANDREA WANNER.

Eine Spinne webt ein ungewöhnlich geformtes Netz und trägt dabei eine Baskenmütze.Selma ist eine kleine Spinne inmitten von unzähligen anderen. Die spinnen und knüpfen ihre Netze, um darin Fliegen zu fangen. Und das Bauprinzip so eines Netzes ist im Prinzip immer dasselbe. Aber Selma ist eine Künstlerin. Sie fällt zwischen den anderen Spinnen auf, weil sie eine rote Baskenmütze trägt, einem Erkennungszeichen für Künstler*innen, wie zum Beispiel Rembrandt, Auguste Rodin, Cezanne und Pablo Picasso sie getragen haben. Und Selma ist nicht weniger extravagant. Sie will Netze spinnen, die »die Pracht des Universums einfangen würden.« Fliegen interessieren sie nicht, ihr Interesse gilt der Kunst, dem Versuch, der Natur ein Denkmal zu setzen.

Wunderschöne, filigrane Meisterwerke entstehen aus ihren Spinnfäden. Sie kreiert ein Netz, das aussieht wie viele Regentropfen, sie spinnt sternenförmige Netze vor dem Nachthimmel und bekommt von den anderen statt Bewunderung immer nur zu hören: »Selma, du machst das falsch!« Aber das kreative Tier will noch höher hinaus und macht sich auf den Weg, einen sehr eigenen und ungewöhnlichen Weg.

Tina Malina greift das erstaunliche Netzwerk aus Seidenfäden, das Selma gestaltet, auch in den grafischen Elementen der kunstvoll illustrierten Geschichte auf. Farblich reduziert kontrastieren die runden Spinnenkörper mit geometrischen Flächen und Linien. So entsteht eine raffinierte Spannung, ein differierendes Gewebe aus Hell und Dunkel, in dem die kleine Meisterin unterwegs ist. Falsch? Von wegen! Die Weisheit einer uralten Spinne bestätigt ihr, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Und wohin der führt, ist wirklich eine fantastische Überraschung. Wer Neues erschaffen will, muss gewohnte Pfade verlassen. Und genau das tut Selma.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Tina Malina: Selma, du machst das falsch!
Zürich: NordSüd 2025
48 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Eldin

Nächster Artikel

Ehefrust und Diamantenfieber

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Geschichten und Schweigen

Kinderbuch | Simon van der Geest: Das Abrakadabra der Fische

Für die zwölfjährige Vonkie ist es der GAU. Weil ihre Eltern sich streiten und Zeit miteinander brauchen, muss sie zu ihrem Opa aufs Land. Für ihre gesamte Familie aber ist es das Beste, was passieren kann. Denn Vonkie lässt das Schweigen nicht auf sich beruhen. GEORG PATZER ist sehr angetan.

Eine Liebeserklärung an die Oktopoden

Kinderbuch | Michael Stavarič: Faszination Krake

Manchmal machen Kraken ja Schlagzeilen, wenn sie zum Beispiel Fußballergebnisse vorhersagen, oder die Hauptrolle in einem Oscar-prämierten Dokumentationsfilm spielen. Spätestens seit diesem Film, ›Mein Lehrer, der Krake‹, gehören diese – zugegeben erst auf den zweiten Blick – wunderschönen Tiere zu meinen Favoriten. Im vorliegenden Buch kann man eine ganze Menge über die geheimnisvollen Tiere lernen, findet BARBARA WEGMANN .

Die Fantasie mal wieder

Kinderbuch | Janine Wilk: Das Reich der Tränen Misshandelte Kinder sind ein großes Thema, auch in Büchern für Kinder. Es zu behandeln ist eine große Aufgabe, gerade in Büchern für Kinder. Wichtig ist es, Hoffnung zu vermitteln. Dabei wird allerdings gern auf die Fantasie verwiesen. Auch bei Janine Wilks ›Das Reich der Tränen‹ darf sie wieder mal als Allheilmittel herhalten. So ganz reicht das nicht, meint MAGALI HEISSLER.

»Denkt an das fünfte Gebot: Schlagt eure Zeit nicht tot.«

Kinderbuch | Bettina Obrecht: Dann gehe ich jetzt, sagte die Zeit

Erich Kästner hat für Erwachsene treffend formuliert, was ein Buch jetzt für Kinder in Bilder und Worte zu fassen versucht. Und vielleicht sollte man Erwachsene auch mal wieder daran erinnern, findet ANDREA WANNER