Real Live Adventure

Jugendbuch | Martin Schäuble: Heldentage

Nilo ist fünfzehn und – wie nicht wenige Jugendliche – ständig am Handy. Vor lauter Spielen vergisst er das wahre Leben, was regelmäßig zu Zoff mit seiner Mutter führt. Doch dann eskaliert das Ganze. Von ANDREA WANNER

Ein Steg am Wasser. Eine Leiter führt in das Wasser. Am Horizont geht die Sonne unter.Die alleinerziehende Mutter ist am Ende ihrer Kräfte, sucht sich endlich Hilfe für die längst aus dem Ruder gelaufene Spielsucht ihres Sohnes. Und zu seiner großen Überraschung landet er direkt nach einem Gesprächstermin in der Psychiatrie auf der Station für medienabhängige Patienten. Nilo ist verzweifelt.

Aber dann nimmt die Geschichte eine überraschende Wendung. Gemeinsam mit seinem Zimmernachbarn Faris sieht er in der ersten Nacht, wie ein Mädchen aus der Geschlossenen Abteilung abhaut. Und die beiden folgen ihr. Zu dritt sind sie unterwegs, von der Polizei gesucht und die Jungs haben keine Ahnung, wohin sie das Ganze führen wird.

Aus der Feder von Martin Schäuble, einem deutschen Journalisten, Sachbuch- und Romanautor, gibt es bereits einige packende Jugendbücher mit brisanten Themen. Jetzt wagt er sich an ein aktuelles Problem, der Spielsucht junger Menschen. Abenteuer im wahren Leben und Abenteuer in Handyspielen haben oft ähnliche Grundideen wie Spannung, Herausforderungen, Belohnungen und das Gefühl, etwas Neues zu entdecken. Für viele bleiben sie aber das Abenteuer im virtuellen Raum mit schnellem und sicherem Zugang, einem Belohnungssystem und der vermeintlichen Kontrolle über das Spiel – die längst nicht mehr gegeben ist, wenn man wie Nilo Tag und Nacht am Handy hängt, die Schule vernachlässigt, das Essen, die Körperhygiene. Was zählt, ist das Spiel.

Und jetzt sind die Jungs plötzlich mit dem wahren Leben konfrontiert, mit echten Erfahrungen sie spüren Wind, Kälte, Freude, Angst – körperlich und emotional. Sie teilen echte Momente miteinander, sind irgendwann ehrlich zueinander. Und das verändert eine Menge.

Schäuble begleitet seinen Ich-Erzähler und die beiden anderen aus der Psychiatrie auf einem kurzen Stück ihres gemeinsamen Weges. Wir erfahren etwas über ihre jeweilige Vergangenheit, wie es mit ihnen weitergeht, bleibt offen. Das Leben schreibt seine eigenen Geschichten, nichts ist geskriptet. Nur im Leben muss man wirklich Verantwortung übernehmen, es gibt keine Neustart-Taste: Fehler haben reale Konsequenzen. Und am Ende hat man das Gefühl, Nilo hat etwas davon verstanden.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Martin Schäuble: Heldentage
Frankfurt am Main: Fischer Sauerländer 2025
272 Seiteny 17,90 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Volare, cantare, oh, oh!

Nächster Artikel

Von der Unentrinnbarkeit eines Getriebes

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Sehnsuchtsorte

Jugendbuch | C.G. Drews: The Boy Who steals Houses

Wie soll man Fuß fassen im Leben, wenn von Anfang alles schiefgeht? Sam ist erst fünfzehn, aber er hat den denkbar schlechtesten Start erwischt. Geht es nur noch bergab? Von ANDREA WANNER.

Opa ist ein weicher Felsen

Jugendbuch | Espen Dekko: Sommer ist trotzdem

Von Tod und Trauer zu schreiben, ist nicht einfach. Wie geht man damit um? Wie kann man den Tod eines geliebten Menschen verarbeiten und weiterleben? Dem Norweger Espen Dekko gelingt es mit einem leichten, melancholischen, sehr tiefen Buch, vom Sommer danach zu erzählen. Von GEORG PATZER

Heftiger Wellenschlag

Jugendbuch | Elisabeth Herrmann: Seefeuer Ein dramatischer Schiffsuntergang, eine verwickelte Familiengeschichte über drei Generationen, moderne Piraten, eine junge Frau am Ende der Pubertät und vor den ersten Anforderungen des Lebens als Erwachsene, gestrandete Robben samt einer süßen Romanze sorgen im dritten Jugendthriller von Elisabeth Herrmann ›Seefeuer‹ für heftigen Wellenschlag und bei den Leserinnen für reichlich Spannung. Von MAGALI HEISSLER

Klimawandel für Einsteiger

Jugendbuch | Jana Steingässer: Paulas Reise oder Wie ein Huhn uns zu Klimaschützern machte Warum legt Emma, das Zwerghuhn, ausgerechnet im Dezember ihr allererstes Ei. Jeder der Hühner hat, weiß doch, dass das gar keinen Sinn macht. Und weil diese Frage die ganze Familie Steingässer beschäftigt, gehen sie der Sache auf den Grund. Von ANDREA WANNER