Wer bereits die Vorgängerversionen der ehemals Xbox-exklusiven Shooter-Reihe intensiv gespielt hat, könnte die Verbesserungen als eher marginal empfinden, dennoch zog RUDOLF INDERST abwechselnd mit den Gears-Veteran:innen Stefanie Marx und Daniel Appel wieder ins Gefecht. Was außer hübscheren Skyboxes vom Tage übrig blieb, soll hier notiert werden.
Am 26. August 2025 erschien die Neuauflage Gears of War: Reloaded, entwickelt von The Coalition in Zusammenarbeit mit Sumo Digital und Disbelief Studio, veröffentlicht durch Xbox Game Studios. Das Remake wurde für Xbox Series X|S, Windows-PC (Microsoft Store & Steam) sowie erstmals auch für PlayStation 5 veröffentlicht (man denke sich hier ein letztes schmerzvolles Jaulen der wenigen Fanboys der MS-Konsole). Wie man liest, bietet diese Edition native 4K-Auflösung, 60 fps in der Kampagne, 120 fps im Multiplayer-Modus, Crossplay und Cross-Progression sowie sämtliche Inhalte der früheren Ultimate Edition. Eine technische Perfektion also, die die brutale Ästhetik der Originalvorlage schärfer und greifbarer denn je inszeniert (würde das Marketing wohl sagen).
Man darf freilich nicht übersehen, dass Gears of War: Reloaded ein Produkt strategischer Markenpflege ist. Es ist ein wohlkalkulierter »Zwischenschritt« im größeren Gefüge der Microsoft- und Xbox-Strategie. Einerseits fungiert das Remake als technologische Demonstration der hauseigenen Engine-Kompetenz und als Schaufenster der neuen Multiplattform-Politik: Wie bereits erwähnt: Der einst exklusive Shooter erscheint nun erstmals auch auf der PlayStation 5, was als ein symbolischer Schritt in Richtung Offenheit verstanden werden kann, der gleichzeitig Marktanteile sichern soll. Andererseits ist Reloaded eine bewusst gesetzte Aufwärmphase für das bereits angekündigte Gears of War: E-Day – das Prequel, das die Ursprünge des Locust-Krieges erzählen und den Mythos der Serie erneuern soll. Insofern ist das Remake weniger nostalgischer Rückblick als eine strategische Raketenzündstufe: ein Re-Calibration-Manöver, das die Marke revitalisiert, die technische Basis festigt und den Hype-Motor wieder anwirft.

Der neue Glanz ändert aber nichts an der Rostfraße des Systems, das hier dargestellt wird. Inhaltlich basiert Reloaded auf dem ersten Teil der Reihe aus dem Jahr 2006. Das Spiel erzählt die Geschichte einer Menschheit im Untergang auf dem Planeten Sera, die nach Jahrzehnten der Bürgerkriege von einer neuen, unterirdischen Bedrohung heimgesucht wird: den Locust. Wir lernen (wieder) den Protagonisten Marcus Fenix kennen, einst hochdekorierter Soldat der COG (nein, immer noch kein Scherz!), wurde wegen Befehlsverweigerung und Desertion inhaftiert, nachdem er militärische Prioritäten missachtete. Später jedoch wird er von seinem Kameraden Dominic Santiago befreit, um im Delta-Squad erneut in den Kampf zu ziehen. Seine Motivation ist dabei so simpel wie bedeutungsschwer: nicht Heldentum, sondern die Pflicht gegenüber einem Freund. Eine Nuance, die in der lauten Kriegsmaschine oft untergeht, aber den menschlichen Kern des Protagonisten bildet, einen Kern, den das System stetig zu verschleißen sucht. Zugleich ist dies auch der Auftakt des Posterboysgirlsdiverse aller Cover-Shooter.
Ihr Auftrag ist von vornherein verzweifelt: Sie sollen den unterirdischen Tunnelsystemen der Locust folgen, mit Hilfe eines „Sonic Resonators“ ihre Position lokalisieren und schließlich eine »Lightmass-Bombe« zünden. Dabei handelt es sich um ein technologisches Allheilmittel, das so hoffnungsvoll wie sinnlos wirkt. Denn jedes Opfer, jeder taktische Erfolg geschieht innerhalb einer lüsternen und hungrigen Kriegsmaschine, deren Funktion nicht Sieg, sondern Fortdauer ist. Narrativ betrachtet erfüllt dieser Sonic Resonator die klassische Funktion eines MacGuffin, jenes von Alfred Hitchcock geprägten Begriffs für ein Handlungselement, das den Plot in Bewegung setzt, ohne selbst von tiefer inhaltlicher Bedeutung zu sein. Im Fall von Gears of War ist der Resonator ein technisches Objekt, das den Delta-Squad motiviert, in die gefährlichen Locust-Tunnel vorzudringen. Seine Funktion, also die Ermittlung der genauen Ausdehnung des unterirdischen Netzwerks, hat zwar eine scheinbare taktische Relevanz, aber im narrativen Sinne spielt sie keine Rolle: Weder erfahren wir, wie der Resonator genau funktioniert, noch welche unmittelbaren Konsequenzen seine Aktivierung hat. Er ist vielmehr der Vorwand für Bewegung, das Zentrum einer strukturell endlosen Mission. Interessanterweise unterstreicht genau das die fatalistische Logik des Spiels: Der Resonator ist ein MacGuffin, der nicht nur den Plot, sondern die Kriegsmaschine selbst am Laufen hält und somit ist er das Objekt, das alle Energie der Figuren absorbiert, ohne je Befreiung oder Erkenntnis zu ermöglichen. Im filmischen Sinne wäre er also kein Befreiungs-, sondern ein Bindungs-MacGuffin; der Resonator ist als ein Objekt zu beschreiben, das die Akteur:innen in den Mechanismus einspeist, den sie zu überwinden glauben.
Die COG-Führung, verkörpert durch Figuren wie Chairman Prescott, agiert weniger als strategisches Genie denn als oberster Mechaniker, der notdürftig Öl in die heißen Lager des Getriebes gießt und auswechselbare Teile verheizt. Als Spielreihe hat Gears of War früh die Vorstellung popularisiert, dass Krieg nicht nur ein Zustand, sondern ein System ist (auch wenn es vermutlich nur die wenigstens Spieler:innen so ausgedeutet haben dürften); es ist und bleibt ein sich selbst erhaltendes, unerbittliches Getriebe. Und beileibe ist das keine neue Lesart. Der Titel selbst ist bereits doppeldeutig: ›Gears of War‹ benennt die Zahnräder der Kriegsmaschine ebenso wie jene, die von ihr zermalmt werden. Das Spiel konfrontiert uns mit einem World Building, in dem es keine Außenposition mehr gibt. Man kann in dieser Ordnung nur Teil des Mechanismus sein oder zwischen dessen Zahnräder geraten. In beiden Fällen ist das Resultat Vernichtung! Tja, vorbei die wunderschönen Tage des Bürgerkriegs! Der E-Day lässt den oberirdischen Konflikt wie eine Wasserpistolenschlacht aus Kinderzeiten wirken.
Doch zurück in Reih und Glied! Die Soldaten der COG, die verwegenen ›Gears‹, sind semantisch wie symbolisch reduzierte Bestandteile der Maschine, deren sie dienen; ihre Körper (massige Fleischbarbies aus Ketamin und Steroid) sind schwer gepanzert, ihre Gesichter maskenhaft, ihre Individualität erodiert unter der Last von Disziplin, Befehl und permanentem Überlebenskampf. Doch auch die Zivilbevölkerung, die in der Trümmerwelt des zerstörten Sera zurückbleibt, ist nicht weniger determiniert: Sie lebt im Schatten des Krieges, abhängig von militärischen Strukturen, den willkürlichen Rhythmen von Mobilisierung und Katastrophe ausgeliefert. Damit verkehrt Gears of War selbstredend die klassische, zu oft erzählte Heroik des Shooter-Genres in eine technologische Tragödie. Es gibt hier keinen »Sieg«, sondern lediglich die temporäre Fortsetzung der Funktionalität. Das Überleben der Figuren ist weniger Ausdruck von Autonomie als von Wartung: Solange die Maschine läuft, läuft auch das Individuum. Stirbt es, wird es ersetzt, wie ein Zahnrad, welches ausfällt und unverzüglich substituiert werden muss, damit der Mechanismus nicht zum Stillstand kommt. Gerade darin liegt die fatalistische Logik des Spiels: Das System Krieg produziert seine Akteur:innen und frisst sie zugleich auf. Die Menschheit kämpft, aber nicht um Freiheit, sondern um die Aufrechterhaltung der Bewegung selbst. Das Spiel kann deshalb nur fatalistisch gelesen werden, weil es keine narrative, keine moralische, keine existentielle Fluchtlinie eröffnet. Selbst die Rebellion gegen den Krieg ist im Material dieses Universums bereits eingepreist. Somit handelt es sich um eine Variation des immerselben Laufrads. Am ehesten traut man (nach Jahren der Gears-Spiele) Marcus Fenix zu, dass er das auch sehr wohl verstanden hat. Sein zynischer Blick ist nicht nur Marotte, sondern ein äußeres Zeichen einer tiefsitzenden Erschöpfung von jemandem, der die Blaupause der Apokalypse gesehen hat und sie doch weiter durchlaufen muss.

So bleibt am Ende nur der Klang der Maschine: das rhythmische Rattern, das Stottern der Lancer-Ketten, das Gewicht von Metall auf Fleisch. In dieser Welt [bitte laut vorlesen, als ob es Teil eines Hollywood-Trailers aus den 1990ern wäre] bedeutet Menschsein nichts anderes, als funktional zu bleiben … bis man es nicht mehr ist. Und was geschieht, wenn ein Zahnrad ausfällt, wissen wir alle. Es wird ersetzt. Der Lärm der Maschine ist das Einzige, was bleibt, ein perfektes, grausames Stottern, das niemals, nicht einmal für eine Sekunde, ins Stocken geraten darf. Gears of War: E-Day erscheint nächstes Jahr und natürlich werde ich auf dieser Einberufung folgen, da ich ich weiß, dass die Maschine auf mich zählt.

