//

Das Geld wird knapp, man sieht’s mit Bedauern

Film | Im TV: Tatort 900 – Zirkuskind (SWR), 16. Februar

»Phönizische Kunst, ungefähr fünftes bis drittes Jahrhundert vor Christi. Wenn die Funde aus dieser Epoche stammen und so gut erhalten sind, reden wir wohl über mehrere Hunderttausend Euro.« Weshalb werden eigentlich für steinalte, halb zerdepperte Gegenstände dermaßen hohe Beträge hingeblättert? Bestimmt hat jemand, weil Denken oft hilft, mal darüber nachgedacht. Von WOLF SENFF

Tatort Zirkuskind - Foto SWR_Alexander Kluge
Tatort »Zirkuskind« – Foto: (c) SWR/Alexander Kluge

Ihnen sei, so liest man, ein sakraler Charakter zu eigen, sie seien nahezu unverkäuflich, verglichen mit all dem hinfälligen Konsumgut, das uns unser kurzes, flüchtiges Leben lang begleitet. Sie sind. Sie bleiben. Ihr Wert ist unschätzbar. Sie entziehen sich der eintönigen Zirkulation des Konsums, sie verankern uns mit der Tiefe der Zeit. Wie schön. Nun sind wir merklich klüger.

Zirkusleben, Zirkusfluchten

Der kleine Familienzirkus Burani verzaubert bei seinem Gastspiel in Ludwigshafen das Publikum jeglichen Alters, auch Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) sind unter den Besuchern. Doch nachdem einer der Mitarbeiter am Morgen nach der Vorstellung erschlagen in der Manege liegt, sieht sich Lena Odenthal während ihrer Ermittlungen mit der harten Realität eines Zirkusalltags konfrontiert.

Der familiäre Zwang im von der Mutter geführten Zirkus ist heftig, Zusammenhalt ist unverzichtbar. Haben Pit (Mark Filatov) und sein Bruder Robbi Sonner (Hanno Koffler) den Winteraufenthalt in Tunesien zweckentfremdet, um einträglichen Schmuggel zu betreiben? Man weiß es nicht. Und war etwa Felicitas (Liv Lisa Fries) beteiligt?

Mafioses Flair, biederer Alltag

Das Thema ist originell gewählt, die Spannweite zwischen international mafiosem Flair und Enge des Familienbetriebs bekommt dem Film. Es gibt andere Lichtblicke. Kopper tritt mit neuem Design auf. Was er sagt – »Eifersucht ist eines der häufigsten Motive überhaupt« –, kommt wie immer im Brustton der Überzeugung, egal, das macht ihn sympathisch. Auch Lena Odenthal scheint die lange Pause gut bekommen zu sein. Der etwas schräge Herbert Rauch (Fritz Roth) möchte Feuer legen und kann daran gehindert werden, die Figuren sind vielschichtig angelegt (Buch: Harald Göckeritz) und kommen überzeugend an (Regie: Till Endemann).

Die Kernhandlung, die Ermittlung, geht eher schleppend voran. Lange bleibt der tunesische Kontaktmann im Hintergrund und man wundert sich darüber, dass es vier Monate braucht, bevor die Auftraggeber sich kümmern. Sinnvoll wäre gewesen, dass man an Schauplätzen wie Arezzo, von dem häufig als Umschlagplatz für Schmuggelware geredet wird, hätte drehen können, Szenen vom Originalschauplatz verleihen dem Geschehen nun einmal mehr Breite und Glaubwürdigkeit, doch dafür, klar, reichen die reduzierten TATORT-Etats nicht hin.

Von Überschuss redet man nicht

Die Einsparungen sind wenig förderlich, gar peinlich, und wirken sich – in diesem TATORT unübersehbar – bremsend auf Qualität und Unterhaltungswert aus. Wo versickern eigentlich die Überschüsse aus den Gebührenerhöhungen? Wir sind nicht beim ADAC, nicht beim Bischof von Limburg, nicht bei der Elbphilharmonie – also, ARD, wohin steckt ihr das überschüssige Geld? Ihr äußert euch dazu lieber nicht? Hm.

Zum Schluss spitzt sich das Geschehen wie üblich zu, wird aber leider beim Zirkuskind übermäßig sentimental und enttäuscht. Schade, dass ein TATORT mit vielversprechender Ausgangslage nur schal und dünn zum Ende geführt wird.

| WOLF SENFF

Titelangaben
TATORT: Zirkuskind (Südwestrundfunk)
Regie: Till Endemann
Ermittler: Ulrike Folkerts, Andreas Hoppe
So., 16.2.14, ARD, 20:15 Uhr

Reinschauen
Alle Sendetermine und Online-Abruf auf DasErste.de
Gregor Keuschnig zu Rüdiger Dingemann: »Tatort«-Lexikon
Rüdiger Dingemann: »Tatort«-Lexikon (eBook)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Tod made in Germany

Nächster Artikel

Spart Wasser – bleibt nackt!

Weitere Artikel der Kategorie »Film«

»Hollywood war nicht einmal in unserem Rückspiegel«

Film | Black Cinema Das Münchner Filmfest widmete dem afroamerikanischen Black Cinema eine eigene Reihe – von Klassikern der ›L.A. Rebellion‹ bis Arthur Jafa. Sie faszinieren durch ihre rohe Energie und traumwandlerisch-poetische Bilder. Von SABINE MATTHES

Neu und frisch aus Magdeburg jetzt; aus Erfurt in Kürze

Film | Im TV: Polizeiruf 110 – Der verlorene Sohn (MDR), 13. Oktober Der Polizeiruf Der verlorene Sohn entführt uns in die rechtsradikale Szene Magdeburgs. Gut, das ist nicht eben originell, aber es ist Realität. Die Absicht, einmal wieder Politik zu thematisieren, ist lobenswert, auch wenn die CDU bereits vor Ausstrahlung via BILD zu bedenken gab, das Bild Magdeburgs, das dieser Polizeiruf zeichne, könne sich negativ auf den Tourismus auswirken. Ojeh, Probleme haben die Leute! Von WOLF SENFF

Rätsel und Komplotte allüberall

Film | TV: TATORT – Allmächtig (BR), 22.12. Das ist starker Tobak und bodenständig. Allmächtig führt uns mit souveräner Selbstverständlichkeit in die zwei gleichermaßen morbiden Welten von Comedy und katholischer Kirche ein. Das können sich die Münchener Grandseigneurs Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) herausnehmen. Von WOLF SENFF

Monotonie in blutigem Rot

Film | Mel Gibson: Die Passion Christi Vor zehn Jahren sorgte Mel Gibsons Jesusfilm ›Die Passion Christi‹ für einen Skandal. STEFAN VOLK erinnert sich.

Im Reich des großen Bären

Film | Im Kino: Der große Bär (Den kaempestore björn) »Er ist zu gefährlich, um zu leben«, sagt der Jäger über den großen Bären. Sein Wald liegt jenseits der meterhohen Steinmauer um das Haus des Großvaters, den Jonathan und seine kleine Schwester Sophie besuchen. Nie dürften sie durch die kleine Tür in der Mauer durchschreiten, warnt der Großvater. Durch diese Tür verschwindet Sophie … Von LIDA BACH